„Es wäre ein kleiner Beitrag, keine Enteignung“

Martin Schürz, Ökonom in der Nationalbank

Der Ökonom Martin Schürz über Vermögensverteilung und eine faire Besteuerung von Vermögen.

KOMPETENZ: Soll  Vermögen in Österreich besteuert werden?

Martin Schürz: Ja, alleine aus Leistungsgerechtigkeitsüberlegungen heraus. Leistung steckt in Arbeit, aber kaum in Vermögen. Einkommen aus Vermögen kommt besonders bei reichen Menschen aus Erbschaften, Schenkungen und spekulativen Aktienkursgewinnen.

KOMPETENZ: Wo sollten Vermögenssteuern ansetzen?

Martin Schürz: Vermögenssteuern sollten nicht dort ansetzen, wo Vermögen breit gestreut und relativ gleich verteilt ist. Sie sollten nicht auf Autos oder Eigenheime abstellen. So etwas haben sich viele Leute erspart und dies ist ihnen besonders wichtig.  Bei den Vermögenden anzusetzen macht hingegen Sinn. Die Vermögenden besitzen von allem etwas, daher wäre eine allgemeine persönliche Vermögenssteuer richtig.

KOMPETENZ: Wie beurteilen Sie eine Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer?

Martin Schürz: Erbschaften steuerfrei zu stellen, heißt das Ziel der Chancengleichheit aufzugeben. Erbschaftssteuern können treffsicher auf ein paar Tausend Reiche abzielen und trotzdem ein beträchtliches Aufkommen erzielen.

KOMPETENZ: Welche Auswirkungen hat die Verteilung von Vermögen auf die Finanzmarktstabilität?

Martin Schürz: Reiche Menschen veranlagen in riskanten Anlageformen. Dies erhöht die Gefahr von neuen Krisen. Die Reichen konsumieren ihre Vermögenszuwächse kaum, sondern veranlagen sie wieder. Dies lässt die Ungleichheit weiter wachsen.

KOMPETENZ: Welche Auswirkungen hat die ungleiche Verteilung von Vermögen nach der Krise?

Martin Schürz: Wegen der Krise stieg die öffentliche Schuldenquote stark an. Öffentlicher Armut steht privater Reichtum gegenüber. Denn die privaten Vermögen sind stark bei den reichsten Menschen konzentriert. Nur Vermögende können sich einen armen Staat leisten. Für den Rest gilt: Der Staat sind wir alle, denn da geht es um Pflege, Kinderbetreuung und Schulen. Damit diese öffentlichen Leistungen weiter finanziert werden können, ist eine Vermögenssteuer unumgänglich.
Diese würde die Lasten der Krise jenen Menschen aufbürden, die sie leicht tragen können. Und für die Wirtschaft kommt es gerade jetzt auf eine starke Konsumnachfrage an. Arme und Mittelschicht dürfen daher nicht belastet werden.

KOMPETENZ: Sind die administrativen Kosten einer Vermögenssteuer nicht zu hoch?

Martin Schürz: Im Vergleich zum potenziellen Steueraufkommen sind die administrativen Kosten unerheblich.

KOMPETENZ: Aber sind die Reichen bei einer Vermögenssteuer nicht gleich weg?

Martin Schürz: Ein paar Reiche machen sich vielleicht wirklich auf den Weg nach Bratislava, aber eine drohende Massenflucht bei einer Vermögenssteuer ist eine lächerliche Vorstellung. Verkannt wird dabei: erstens, nicht von Enteignung ist die Rede, sondern von einem kleinen Steuerbeitrag; zweitens, die Attraktivität des Standortes Österreich ist hoch.

Der Ökonom und Politikwissenschafter Martin Schürz ist Vermögensforscher in der Oesterreichischen Nationalbank und vertritt hier ausschließlich seine persönliche Meinung.

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