Mehr Freizeit statt Geld

Die Freizeitoption ist ein wertvoller Beitrag zu einer besseren Work- Life-Balance der Beschäftigten. © Nurith Wagner-Strauu
Die Freizeitoption ist ein wertvoller Beitrag zu einer besseren Work- Life-Balance der Beschäftigten. © Nurith Wagner-Strauu

Der Trend zur Freizeitoption ist ungebrochen. Ab heuer werden auch in der Papier- und Fahrzeugindustrie Lohnerhöhungen in Zeit umgewandelt.

Die Freizeitoption geht in ihr drittes Jahr. Doch anstatt ins Trotzalter zu kommen, macht sich Zufriedenheit breit. Angestellte im Metaller- Fachverband Bergbau-Stahl sowie aus der Elektro- und Elektronikindustrie konnten bereits die Ist-Lohnerhöhung des Jahres 2013 und 2014 in arbeitsfreie Zeit umwandeln – sofern sie über dem Kollektivvertrag bezahlt werden. Das kann z. B. eine Woche mehr Urlaub jährlich statt der Gehaltserhöhung sein. In der Elektro- und Elektronikindustrie wurde die Freizeitoption für die kommenden zehn Jahre abgesichert. Ab 2015 gibt es die Option auch für Beschäftigte der Fahrzeug- und Papierindustrie. GPA-djp-Kollektivvertragsverhandlerin Eva Scherz sieht dies als wertvollen Beitrag zu einer besseren Work-Life-Balance der ArbeitnehmerInnen in diesen Branchen: „Die Menschen suchen sich ihre ArbeitgeberInnen heute auch danach aus, wie sehr diese auf die individuellen Wünsche der Beschäftigten eingehen. Das Thema ‚Zeit‘ spielt dabei immer öfter eine Rolle, beispielsweise im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Die Elektroindustrie hat bereits zwei Jahre lang positive Erfahrungen mit der Freizeitoption gemacht. „Die Regelung wird von den Beschäftigten sehr gut angenommen. Die Zufriedenheit ist groß“, berichtet der steirische Betriebsratsvorsitzende von Siemens, Josef Harb. Im gesamten Konzern nutzen mittlerweile rund zehn Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit, die Lohnerhöhung eines Jahres in zusätzliche Freizeit umzuwandeln. Am Standort in Graz hat bereits im ersten Jahr ein Fünftel der rund 1.000 Beschäftigten die Regelung in Anspruch genommen. Im zweiten Jahr sind weitere fünf Prozent dazugekommen.

Große Zufriedenheit
Das Interesse ist breit gestreut und die Menschen sind höchst zufrieden mit der zusätzlichen freien Zeit. „Die Leute wählen die Freizeitoption bei uns quer über alle Altersklassen, Funktionen und Geschlechter“, erzählt Harb. Auch Teilzeitkräfte profitieren von dieser Möglichkeit. Auffallend ist für Harb dabei, wie reibungslos die Umsetzung der Freizeitoption passiert: „Ich vertrete am Standort die Interessen von 500 Angestellten – in den zweieinhalb Jahren der Umsetzung der Regelung hat es keine einzige Beschwerde über die Option gegeben – das ist außergewöhnlich.“ Doch auch für das Unternehmen bringt die Regelung Vorteile: Bei den betroffenen ArbeitnehmerInnen wurde die jährliche Gehaltserhöhung und Lohnnebenkosten gespart. Die anfallende Arbeit wurde trotzdem erledigt, und das noch dazu von besser motivierten Arbeitskräften.

Für die Zukunft gesichert
Für die Beschäftigten in der Elektro- und Elektronikindustrie wurde die Freizeitoption jetzt sogar für die nächsten zehn Jahre abgesichert. Die GPA-djp und die PRO-GE haben die Regelung mit den ArbeitgeberInnen der Branche im März 2015 als fixen Bestandteil der Kollektivvertragsabschlüsse bis 2025 vereinbart. In diesem Zeitraum können die MitarbeiterInnen die Freizeitoption maximal vier Mal, davon zwei Mal vor dem 50. Lebensjahr, in Anspruch nehmen, ohne dass diese jedes Jahr extra verhandelt werden muss. In der Elektro- und Elektronikindustrie haben 2013 bereits 1.200 ArbeitnehmerInnen von der zusätzlichen Freizeit profi – tiert, im Jahr 2014 waren es ca. 600. Die neue Regelung eröff net für die Beschäftigten aber auch für die Unternehmen eine langfristige Planungssicherheit. Expertin Eva Scherz hält die Freizeitoption auch für einen wichtigen Beitrag zum altersgerechten Arbeiten und zur Beschäftigungssicherheit. Sie sieht die Vorreiterrolle der Elektro- und Elektronikindustrie für moderne arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen bestätigt. Weitere Branchen sollten diesem positiven Beispiel folgen.

Fahrzeugindustrie mit dabei
In der Fahrzeugindustrie wurde die Freizeitoption erstmals im Zuge der Herbstlohnrunde 2014 ausverhandelt. „Die Betriebsräte waren die treibende Kraft dahinter“, erklärt Markus Vogl, der als Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches Fahrzeugindustrie in der GPA-djp bei den KV-Verhandlungen seitens der Gewerkschaft dabei war. „Wir wussten, dass vor allem jüngere ArbeitnehmerInnen diese Option unbedingt haben wollen.“ Daher hat sich die Gewerkschaft für die Regelung stark gemacht, obwohl die Arbeitgeberseite nicht unbedingt Vorreiter sein wollte. Auch als Betriebsratsvorsitzender von MAN Steyr nimmt Vogl durchwegs positive Reaktionen der insgesamt 630 vertretenen Angestellten zur Freizeitoption wahr: „Wir werden derzeit mit Fragen bombardiert. Die MitarbeiterInnen interessieren sich sehr für die Regelung und hatten bis Ende Mai Zeit, die Option zu wählen und damit ihre Lohnerhöhung von 2015 in nachhaltige Freizeit umzuwandeln.“ Die zusätzliche arbeitsfreie Zeit ist nicht unerheblich. Die ausgehandelte Lohnerhöhung von 2,1 Prozent ergibt für die ArbeitnehmerInnen der MAN ab 1. Juni 2015 mit 38,5 Stunden exakt eine Woche mehr Freizeit. Das wirklich Tolle an der Regelung ist für Vogl, dass „die Umwandlung von Geld in Freizeit nachhaltig ist, weil die zusätzliche freie Zeit – wie eine Lohnerhöhung – auch in den kommenden Jahren anfällt.“

BetriebsrätInnen-Umfrage
Die Ergebnisse einer BetriebsrätInnen- Umfrage der GPA-djp zur Freizeitoption in der Elektround Elektronikindustrie zeigen interessante Details: In mehr als einem Drittel der Betriebe wurde die Freizeitoption angeboten. Wo es nicht klappte, war meist eine ablehnende Haltung der Geschäftsführung der Grund. Auch in den Betrieben mit Freizeitoption läuft nicht alles reibungslos: 45 Prozent der gestellten Anträge wurden seitens der Geschäftsleitung abgelehnt. „Hier muss auf betrieblicher Ebene noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden“, ist sich Eva Scherz bewusst.

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