Kollektivvertrags-Herbst 2016

BetriebsrätInnen und Beschäftigte aus dem Sozialbereich demonstrierten am 26. September mit 6427 m Schal für mehr soziale Wärme, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Einkommen. Foto: Willi Denk
BetriebsrätInnen und Beschäftigte aus dem Sozialbereich demonstrierten am 26. September mit 6427 m Schal für mehr soziale Wärme, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Einkommen. Foto: Willi Denk

Bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen geht es um die Verteilung von Geld und Zeit.

Österreich ragt bei der Abdeckung der Beschäftigungsverhältnisse durch Kollektivverträge europaweit heraus. 97 Prozent der Beschäftigten unterliegen Kollektivverträgen. Entgegen dem gesamteuropäischen Trend ist es gelungen, die Etablierung  eines Niedriglohnsektors zu verhindern. Auch bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen im heurigen Herbst geht es darum, die Kontinuität der österreichischen Kollektivvertragspolitik sicherzustellen.

Die Herbstlohnrunde wurde heuer erstmals mit einer konkreten Lohn- und Gehaltsforderung gestartet. Das Verhandlungsteam der Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp übergab am 26. September, in der Wirtschaftskammer Österreich das Forderungsprogramm für die Kollektivvertragsverhandlungen Metallindustrie an alle Arbeitgeberverbände. Die Gewerkschaften fordern eine Erhöhung der Mindest- und IST-Löhne von drei Prozent. Besonders berücksichtigt werden sollen dabei die niedrigen Einkommen. „Die wirtschaftliche Situation ist sehr solide, die Produktivität in der Sachgütererzeugung steigt und die Unternehmen konnten die Gewinne erhöhen“, begründete der Verhandlungsleiter der GPA-djp Rudi Wagner die Forderung.

Metall: Flexibilität ist keine Einbahnstraße

2015 konnten sich die GPA-djp und die Produktionsgewerkschaft PRO-GE für etwa 180.000 Beschäftigte auf eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 1,5 Prozent und eine Reduktion der Arbeitszeit in Form des nun gänzlich arbeitsfreien 31. Dezember einigen. Daneben wurde ein Zeitkontomodell vereinbart, das bis 30. Juni 2019 befristet ist, um einen Erprobungszeitraum zu haben und gegebenenfalls Adaptierungen vornehmen zu können.

„Flexibilität darf aber keine Einbahnstraße sein. Sie muss den vielfältigen Bedürfnissen der Beschäftigten nach Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Rechnung tragen. So werden wir in der heurigen Runde eine kollektivvertragliche Absicherung der Familienzeit (Papamonat) fordern. Die österreichische Metallindustrie ist weltweit deshalb erfolgreich, weil hochmotivierte Beschäftigte entsprechende Qualität abliefern. Diese Qualität hat aber ihren Preis. Löhne und Gehälter zu drücken und die Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten zu ignorieren ist sicher keine zukunftsweisende Strategie“, so Wagner.

Handel: Für einen modernen und gerechten Kollektivvertrag

Im Handel ist noch völlig offen, wie sich die Verhandlungen gestalten werden. Etwa 500.000 Angestellte österreichweit fallen unter den Handelskollektivvertrag. Seit zwei Jahren laufen dort die Verhandlungen für ein neues Gehaltssystem, das moderner und gerechter als das alte ist. Kurz vor dem Ziel hat einige Arbeitgeber offenbar der Mut verlassen. Sie stellen bereits getroffene Einigungen wieder infrage. Wie sich die Diskussion rund um die Etablierung eines neuen Gehaltssystems entwickelt, berichten wir aktuell auf unserer Homepage.

Sozialbereich mit Auftakt im öffentlichen Raum

Mit Jahreswechsel starten auch die Kollektivvertragsverhandlungen für die etwa 100.00  Beschäftigten der Sozial- und Gesundheitseinrichtungen. Mit einer öffentlichen Kundgebung am 26. September unter dem Motto „Soziale Wärme“ machten Betriebsräte und Beschäftigte auf den Stellenwert des privaten Gesundheits- und Sozialbereichs aufmerksam und mahnten ein, dass die qualitativ hochwertige Arbeit in einer Zukunftsbranche auch entsprechend honoriert werden müsse.

Kein Ministerium für Gehaltserhöhungen

„Wir können auf die Ergebnisse unserer alljährlichen Kollektivvertragsverhandlungen stolz sein, können uns aber nicht auf Lorbeeren ausruhen. Wir werden unsere Schwerpunkte auf Anhebung der Mindestlöhne- und -gehälter auf 1.700 Euro legen sowie auf mehr Einkommensgerechtigkeit durch die Anrechnung von Karenzeiten. Außerdem werden wir weiter eine moderne Arbeitszeitpolitik forcieren, die auch die kollektivvertragliche Verkürzung der Arbeitszeit beinhaltet“, fasst der für Kollektivvertragspolitik zuständige stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp Alois Bachmeier zusammen.

Dass unser KV-System zunehmend unter Druck kommt, zeigen nicht nur Äußerungen von Wirtschaft und Industrie, sondern immer wieder auch von Politikern, in denen sie die massive Zurückdrängung der Kollektivverträge in ihrer derzeitigen Form fordern. „Was in solchen Aussagen in aller Offenheit gesagt wird, entspricht der Geisteshaltung nicht weniger Exponenten der heimischen Wirtschaft und Politik. Gewerkschaften und überbetriebliche Interessenvertretung werden als Störfaktor in der betrieblichen Politik gesehen, den man lieber heute als morgen entsorgen möchte. Dahinter steckt auch die Ideologie, dass die Unterschiede zwischen Kapital und Arbeit in Wirklichkeit obsolet geworden seien. In vielen europäischen Ländern ist die massive Zurückdrängung kollektivvertraglicher Normen voll im Gang, und das sicher nicht zugunsten der Beschäftigten in diesen Staaten. Wir müssen sehr auf der Hut sein und dafür kämpfen, dass wir unser System nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln können“, so Bachmeier.

„Wir fordern ein kräftiges Plus, das sich auf die Reallohnentwicklung auswirkt. Das ist gerade jetzt auch ein wesentlicher Impuls für die Erholung der Wirtschaft. Die aktuellen Wirtschaftsdaten zeigen, dass sehr wohl ein Spielraum für Lohn- und Gehaltserhöhungen gegeben ist, und etwa bei den Ausschüttungen an die AktionärInnen keinerlei Abstriche gemacht wurden – auch nicht in den Zeiten der Wirtschaftskrise. Die jährliche Gehaltsentwicklung ist kein Naturgesetz, das Ministerium für Lohn- und Gehaltserhöhung gibt es nicht. Diese müssen wir selbst erkämpfen, und das können wir nur, wenn wir von vielen Mitgliedern die nötige Unterstützung bekommen“, so Bachmeier abschließend.

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