Pflege ist emotionale und körperliche Schwerarbeit

Zahlreiche BetriebsrätInnen und Beschäftigte beteiligten sich an den Streiks und Demonstrationen im Sozialbereich. Foto: Willi Denk
Zahlreiche BetriebsrätInnen und Beschäftigte beteiligten sich an den Streiks und Demonstrationen im Sozialbereich. Foto: Willi Denk

Ein neuer Kollektivvertrag bringt den Beschäftigten der Sozialwirtschaft ein beachtliches Gehaltsplus. Die 35-Stunden-Woche bleibt eine zentrale Forderung der GPA-djp, um die Pflegekräfte gesund und leistungsfähig zu erhalten.

Am 12. Mai begeht der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband den Internationalen Tag der Pflegenden. Im Vorfeld macht Eva Scherz, Wirtschaftsbereichssekretärin der GPA-djp und Kollektivvertragsverhandlerin im Gesundheits- und Sozialbereich, auf die herausfordernde Situation der Pflegeberufe aufmerksam: „Die physischen und psychischen Belastungen in der Pflege sind sehr hoch.“ Neben einer Verkürzung der Arbeitszeit stehen daher auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche sowie die langfristige Finanzierung der Pflegeleistungen im Fokus der Gewerkschafterin.

Der Bedarf an Pflege wird auch in Zukunft weiter stark zunehmen. Laut Prognose der Statistik Austria steigt die Zahl der über 75-jährigen Menschen in Österreich bis 2030 von derzeit 662.000 auf über eine Million. In 20 Jahren wird damit jeder Neunte über 75 Jahre alt sein. Bedarfsschätzungen gehen für diesen Zeitraum von bis zu 2.000 zusätzlich benötigten Pflegekräften aus. „Wer anderen hilft, braucht selbst auch gute Arbeitsbedingungen“, umreißt Scherz die zentralen Ziele gewerkschaftlicher Arbeit für die Pflegeberufe. Ein wichtiger Schritt ist kürzlich gelungen: Ende Februar wurde ein Kollektivvertragsabschluss (KV) für die rund 100.000 Beschäftigten der Sozialwirtschaft Österreich erreicht. Dieser bringt den Pflegekräften konkrete Verbesserungen. GPA-djp und vida, die den KV gemeinsam für Angestellte und ArbeiterInnen verhandelt haben, konnten sich mit den Arbeitgebern auf eine durchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhung von 2,5 Prozent, jedoch mindestens 48 Euro einigen. „Dies gilt sowohl für die Mindest- als auch für die Ist-Löhne und -Gehälter und für alle Zulagen und Zuschläge“, ist Scherz erfreut.

Plus 3 Prozent für untere Lohngruppen
Für untere Lohn- und Gehaltsgruppen bedeutet der Abschluss sogar eine Erhöhung von über drei Prozent. Für Lehrlinge wurde zusätzlich ein Plus von 100 Euro erreicht. Auch für Berufsgruppen, die dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) unterliegen, bringt der neue KV eine Besserstellung: Die Pflegefach­assistentInnen und diplomierten KrankenpflegerInnen bekommen durch Aufzahlungen mehr Geld. Dies ist als Abgeltung der Kompetenzerweiterungen, die sich durch die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes 2016 ergeben haben, zu verstehen. „Die Beschäftigten übernehmen durch die Novelle neue Tätigkeiten und mehr Verantwortung“, erklärt Scherz. Erreicht wurde auch ein sogenannter Urlaubsvorgriff, also ein zusätzlicher Urlaubstag, für alle Beschäftigten, die seit mindestens fünf Jahren im Betrieb sind.

Pufferstunden minimiert
Durch den neuen KV wurde die zuschlagsfreie Mehrarbeit für Teilzeitkräfte massiv reduziert. „Ab 1. Juli gilt eine einheitliche Grenze von 16 Stunden pro Durchrechnungszeitraum, die ohne Zuschläge ausbezahlt werden darf. Damit wird der Mehrarbeitszuschlag früher fällig“, erklärt Scherz diesen ersten wichtigen Schritt, um die sogenannten „Pufferstunden“ zu minimieren.
Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, Reinhard Bödenauer, will den Pflegeberuf durch eine Arbeitszeitverkürzung fit für die Zukunft machen: „Um die Qualität der Pflege abzusichern, müssen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessert werden. Ein ganz wesentlicher Schlüssel ist dabei die Reduktion der Arbeitszeit.“ Diese konnte in den aktuellen KV-Verhandlungen noch nicht durchgesetzt werden. Die GPA-djp fordert daher weiterhin eine generelle Arbeitszeitverkürzung für den Gesundheits- und Sozialbereich auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Nur so könne die emotionale Schwerarbeit über längere Zeit geleistet werden, die Beschäftigten blieben gesund und motiviert.

Personalmangel erzeugt Druck
Ein wichtiger Ansatzpunkt bleibt auch die personelle Situation. Weil die Arbeit am und mit Menschen besonders anstrengend und herausfordernd ist, wird eine schlechte personelle Besetzung von den Beschäftigten als besondere Belastung erlebt. Eine Umfrage der GPA-djp aus dem Vorjahr zeigt, dass mehr als 60 Prozent der Befragten ein bis dreimal im Monat zusätzliche Dienste zum regulären Dienstplan leisten. „Das ständige Einspringen verschärft die Arbeitsbelastung für die Pflegenden dramatisch“, erklärt Scherz. Für die Zukunft sei es daher zentral wichtig, den ständigen Personalmangel nachhaltig zu beheben.
Das wäre am einfachsten über eine Aufstockung der Vollzeitarbeitsplätze realisierbar. Der Trend zur Teilzeitarbeit ist in der Pflegebranche aktuell jedoch ungebrochen und mit rund 70 Prozent extrem hoch. „Wir wissen aus Befragungen, dass die Mehrheit der Beschäftigten 30 Stunden pro Woche arbeiten will. Manche Arbeitgeber schreiben aber beständig Jobs aus, die lediglich 19 Wochenstunden umfassen und kaufen sich so die Flexibilität der Arbeitskräfte gleich mit“, kritisiert Scherz.
Der steigende Bedarf an Pflege und Betreuung macht auch neue Finanzierungskonzepte nötig, um die Betreuung langfristig abzusichern. Für den Leiter der GPA-djp-Grundlagenabteilung, David Mum, bleibt dies eine Frage des politischen Willens: „Für Entlastungen für die Wirtschaft und Steuersenkungen für Unternehmen gibt es angeblich Spielraum. Da kann die nachhaltige Absicherung der Pflege nicht unfinanzierbar sein!“ Aus Sicht des Wirtschaftswissenschafters gehört „ein menschenwürdiger Umgang mit Alten oder Menschen mit Behinderung von qualifizierten und gut bezahlten Beschäftigten zweifellos zur Qualität eines Wirtschaftsstandortes dazu.“

Solidarische Finanzierung
Aus gewerkschaftlicher Sicht müsse jedenfalls am solidarischen Steuer-Finanzierungsmodell der Pflege festgehalten werden, um das individuelle finanzielle Risiko weitgehend zu minimieren. Die finanzielle Lücke, die durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstanden ist, soll aus Sicht von Mum am besten durch eine zweckgebundene Erbschaftssteuer – ab einer Million Euro – gefüllt werden. Die Finanzierung sollte weiterhin aus einer Hand erfolgen. Diskutiert wird derzeit das Modell eines Pflegegarantiefonds, der aus allgemeinen Steuermitteln von Bund und Ländern und einer Erbschaftssteuer gespeist würde.

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