Unterricht in der Arbeitszeit macht „Lehre mit Matura“ attraktiver

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Die Holzverarbeitende Industrie und Sägeindustrie schreiben als erste Industriebranchen fest, dass Unterricht im Rahmen des Programms „Lehre mit Matura“ in der Arbeitszeit erfolgen kann. In der Gewerkschaft GPA freut man sich über diesen Verhandlungserfolg bei den Kollektivvertragsverhandlungen, der zu einer Attraktivierung dieses Bildungswegs, aber auch der Lehre generell beitragen soll. In Kraft ist diese Neuregelung mit Beginn dieses Monats.

„Wir haben uns mit der Arbeitgeberseite geeinigt, dass Lehrlinge, die das Programm ‚Lehre mit Matura‘ absolvieren, pro Woche acht Stunden des Unterrichts als Arbeitszeit angerechnet bekommen, wenn der Kurs innerhalb der wöchentlichen Normalarbeitszeit stattfindet“, erklärt Georg Grundei, seitens der GPA hauptamtlicher Verhandlungsleiter bei den Kollektivvertragsverhandlungen für die holzverarbeitenden Industrien. Damit sei man Vorreiter in der Industrie – und hofft, dass nun viele weitere Sparten diesem Vorbild folgen. Die Holzverarbeitende Industrie beschäftigt österreichweit rund 30.000 Arbeitskräfte und bildet an die 750 Lehrlinge aus – in den verschiedensten Berufen.

Fachkräftemangel bekämpfen

„Wir hören regelmäßig, dass wir in Österreich einen Fachkräftemangel haben“, sagt Grundei. Das duale Ausbildungssystem sei weltweit anerkannt, die Lehre habe aber – mit regionalen Unterschieden und einem West-Ost-Gefälle – in Österreich teils ein schlechtes Image. „Hier gilt es Barrieren abzubauen und mehr Durchlässigkeit zu erreichen: Mit einer Lehre mit Matura bin ich universeller ausgebildet und habe mehr Chancen, im Betrieb als Fach- oder Führungskraft voranzukommen. Oder ich kann mich auch entscheiden, studieren zu gehen“, so Grundei.

„Mit einer Lehre mit Matura bin ich universeller ausgebildet und habe mehr Chancen, im Betrieb als Fach- oder Führungskraft voranzukommen.“

Georg Grundei

Andreas Schauer ist ehrenamtlicher Verhandlungsleiter für die Holz verarbeitenden Industrien. Er ist Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates der Unternehmensgruppe Umdasch/Doka mit weltweit 8.000 MitarbeiterInnen, davon rund 3.500 in Österreich. Am Firmensitz in Amstetten sind an die 1.200 Angestellte beschäftigt. Derzeit werden hier 75 Lehrlinge ausgebildet. Die Bandbreite der Berufe ist dabei enorm, wie Schauer schildert: „Vom Schalungszimmer bis zum IT-Techniker, vom Elektriker bis zum Metalltechniker“.

Best Practice

Bei Umdasch ist das, was der Kollektivvertrag nun allen Lehrlingen in den Holzverarbeitenden Industrien ermöglicht, bereits seit zehn Jahren Realität. Wer sich für das Programm „Lehre mit Matura“ entscheidet hat an einem Tag in der Woche Unterricht und das in drei der insgesamt vier Ausbildungsjahre im Betrieb. Dieses Angebot sei ein Benefit, der mehr Lehrlinge in das Unternehmen bringe. „Das Programm macht das Unternehmen als Ausbildungsbetrieb attraktiver“, betont Schauer. Und es führt auch durchaus zum Erfolg: Vor der Covid-Pandemie schlossen an die 80 Prozent der Lehrlinge, die sich für das Programm entschieden hatten, auch mit der Matura ab, derzeit sind es etwas weniger – auch hier haben Lockdowns und Fernunterricht ihre Spuren hinterlassen.

Anja Gassner macht bei Umdasch eine Lehre zur Bürokauffrau und absolviert nebenbei die Matura.
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„Ich fand das Angebot schon sehr toll, dass man den Unterricht in der Arbeitszeit hat und auch dafür nicht woanders hinfahren muss. Für mich war sofort klar, dass ich das machen werde.“

Anja Gassner

Entscheidend für die Jobentscheidung

Für die heute 18jährige Anja Gassner war das von Umdasch angebotene Maturaprogramm ein Beweggrund, sich zu bewerben. „Da wurde ja im Vorfeld Werbung dafür gemacht und ich fand das Angebot schon sehr toll, dass man den Unterricht in der Arbeitszeit hat und auch dafür nicht woanders hinfahren muss. Für mich war sofort klar, dass ich das machen werde.“

Nach zweieinhalb Jahren in einer Oberstufe eines Gymnasiums merkte sie, dass das keine für sie passende Schulform war. Sie interessierte sich „fürs Organisatorische und Bürozeug“, da sei ihr eine Ausbildung zur Industriekauffrau attraktiv erschienen. Mittlerweile ist sie im dritten Lehrjahr bei Doka, einem Unternehmen der Umdasch-Gruppe, das im Bereich Schalungen tätig ist.

Ihre Lehrausbildung dauert drei Jahre, das Maturaprogramm vier Jahre, wobei Umdasch zwei Bedingungen für die Teilnahme an diesem Modell stellt: Einerseits darf damit erst im zweiten Lehrjahr begonnen werden, andererseits müssen die BewerberInnen im ersten Berufsschuljahr zumindest einen guten Erfolg vorweisen, wie Gassner erzählt. Jedes Jahr wird dann eines der insgesamt vier Maturafächer – Deutsch, Englisch, Mathematik sowie ein je nach Lehrberuf unterschiedlicher Fachunterricht – absolviert. Dabei gibt es acht Unterrichtseinheiten pro Woche und nach jedem Schuljahr wird dann jeweils die Maturaprüfung in einem Fach absolviert.

„Wenn man es wirklich will, kann man es schaffen“

Anja Gassner

„Das war auch ein Grund, mich für dieses Modell zu entscheiden“, erzählt Gassner. „Mir ist es nie leicht gefallen, für mehrere Fächer gleichzeitig zu lernen. Hier kann ich ein Fach nach dem anderen absolvieren. Das ist ein Riesenvorteil.“ Und ja, natürlich sei viel zu lernen und man müsse schon Zeit und Kraft investieren, „aber es ist schaffbar. Wenn man es wirklich will, kann man es schaffen“.

Wie sieht sie ihre Zukunft? Möchte sie nach der Matura studieren oder doch weiter im Unternehmen verbleiben? „Da habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Ich arbeite mich in kleinen Schritten nach vorne. Mein großes Ziel ist nun einmal, die Matura abzuschließen.“ Tendenziell spreche derzeit aber alles eher für eine weitere Karriere bei Doka beziehungsweise Umdasch. „Unser Unternehmen ist sehr groß, da stehen einem viele Türe offen.“

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