Kommentar: Digitalisierung sozial gestalten

Instrumente dafür sind intelligente Regulierungen und eine Verkürzung der Arbeitszeit.

Kaum ein Thema symbolisiert den Umbruch, in dem wir uns als Gesellschaft befinden, mehr als die Digitalisierung. Der Begriff Digitalisierung ist zum absoluten Modewort geworden. Für die einen steht er für Zukunftsorientierung, ein leichteres Leben und neue technische Möglichkeiten. Für die anderen verkörpert er eine Bedrohung und ist verknüpft mit Angst vor totaler elektronischer Überwachung und dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes. Fortschrittsglaube und Zukunftsangst liegen hier sehr nahe beisammen.

Für uns als Gewerkschaften ist dabei nicht relevant, wer Recht hat, denn genaue Prognosen über die Auswirkungen des digitalen Wandels zu treffen, ist derzeit seriös kaum möglich. Anstatt Spekulationen anzustellen und in Angst oder Ehrfurcht vor den technischen Umwälzungen, die da auf uns zukommen, zu erstarren, müssen wir ab sofort damit beginnen uns vorzubereiten. Wir müssen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der EU jeden Spielraum nützen, um Veränderungen in der Arbeitswelt nicht einfach geschehen zu lassen, sondern mitzugestalten. Einen Weg zurück gibt es aus meiner Sicht nicht. Die Digitalisierung kann weder aufgehalten noch zurückgedreht werden und wird fast alle Branchen in der einen oder anderen Form betreffen. Viel gefährlicher als die Digitalisierung an sich, ist in meinen Augen jedoch die Art und Weise, wie damit umgegangen wird: Man lässt die Dinge einfach laufen und hofft, dass der Markt das schon irgendwie regeln wird. Nach all den Jahren, in denen wir bereits mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise kämpfen, ist das eine beinah sträflich naive Haltung. Der Markt wird den digitalen Wandel zweifellos gestalten – aber bestimmt nicht fair und sozial gerecht.

Wir müssen daher von Anfang an dafür sorgen, dass es intelligente Regulierungen der digitalen Erwerbsarbeit gibt, zusammen mit der Politik und den Arbeitgebern, die ebenso wie wir sehen, dass die digitale Umwälzung nicht dem Selbstlauf überlassen werden kann. Wenn wir eine faire Chancenverteilung für künftige Generationen wollen, dann wird das nur gehen, wenn wir die gewaltigen Zugewinne an Produktivität und Reichtum, die durch den digitalen Umbruch möglich werden, so verteilen, dass sie für eine bessere, gerechtere und lebenswerte Gesellschaft eingesetzt werden, anstatt Macht und Geld noch stärker in den Händen Weniger zu konzentrieren.

Wir brauchen zudem eine Verbesserung unseres Wissensstands über die Beschäftigungswirkungen – insbesondere bezogen auf die einzelnen Branchen und eine Neubewertung und Neuverteilung von Arbeitszeit. Egal was uns die Arbeitgeber erzählen. Eine deutliche Arbeitszeitverkürzung ist in diesem Zusammenhang im Interesse aller unausweichlich. Und wir erwarten, dass die EU ihren Vorschlag zur digitalen Agenda so abändert, dass auch die Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung enthalten sind, und nicht nur der digitale Binnenmarkt im Mittelpunkt steht.

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