Redaktionsgeheimnis: Ein Geheimnis, das uns alle schützt

Redaktionsgeheimnis

Medien. Ohne Meinungsfreiheit kann die Demokratie nicht funktionieren. Die GPA-djp startet eine Initiative zur Wahrung des Redaktionsgeheimnisses.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie arbeiten in einer Behörde – sagen wir, im Justizministerium – und erfahren dort von einer Rechtswidrigkeit.
Nehmen wir den fiktiven Fall an, dass eine Justizministerin der Staatsanwaltschaft zu verstehen gibt, dass ihr an einer bestimmten Untersuchung – wieder ein frei erfundener Fall: sagen wir, es geht um einen ehemaligen Finanzminister, der möglicherweise verbotene Provisionen kassiert haben könnte – nicht besonders viel liege, und dass sie es durchaus verstehen könnte, wenn hier eher gemütlich vorgegangen werde.
Angenommen, Sie könnten das sogar beweisen, weil Sie zufällig bei einem Drucker ein Mail mit entsprechendem Inhalt gefunden hätten. Was würden Sie jetzt tun? Natürlich – eine Zeitung. Sie denken da schon an einen bestimmten Redakteur, dessen Aufdeckergeschichten Sie immer gern lesen. Sollen Sie ihm die Unterlagen übergeben? Sie denken, dass Ihnen schon nichts passieren wird, denn der Redakteur ist ja daran interessiert, seine Informanten zu schützen. Und irgendwo haben Sie ja auch gehört, dass es so etwas wie ein Redaktionsgeheimnis gibt. Sie übergeben dem Redakteur also die Unterlagen, es erscheint eine brisante Geschichte – und wenig später lesen Sie in den Zeitungen, dass ein Gericht von „ihrer“ Zeitung die Herausgabe der Originalunterlagen fordert. Was werden Sie jetzt denken?

Wichtige Kontrollfunktion
Medien üben in einer Demokratie eine wichtige Kontrollfunktion aus, und die wichtigste Voraussetzung dafür ist das Redaktionsgeheimnis. Der eingangs geschilderte fiktive Fall verdeutlicht das eindrucksvoll. Doch dieses Redaktionsgeheimnis hat ein Gericht in der Causa „Strache/Am Schauplatz/ORF-Bänder“ gröblichst verletzt. Die Richter forderten vom ORF doch tatsächlich die Herausgabe von nicht gesendetem Material, was praktisch der Übergabe von redaktionellen Originaldokumenten entspricht. Als „Anschlag auf die Meinungsfreiheit“ wertet dies der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs 25 und Präsident der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, Fanz C. Bauer. „Hier geht es nicht bloß um die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten. Hier geht es um die Absicherung der Meinungsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes“, so Bauer. Nur wenn sich alle Österreicherinnen und Österreicher auf das Redaktionsgeheimnis vollkommen verlassen könnten, ist es Medien möglich, ihre wichtige Kontrollfunktion wahrzunehmen.

Auf Redaktionsgeheimnis verlassen
Auch der Vorsitzende des ORF- Redakteurerates und GPA-djp Wirtschaftsbereichsvorsitzender Fritz Wendl sprach sich in einer Stellungnahme für die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses aus. Die Gewerkschaft startete daher eine Unterschriftenaktion, um ihrer Forderung nach besserer und klarerer Absicherung des Redaktionsgeheimnisses entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Eine entsprechende Petition an die parlamentarischen Parteien ist in Vorbereitung.

Meinungsfreiheit gefährdet
Die Meinungsfreiheit in Österreich ist aber auch aus einem anderen Grund gefährdet. Mehrere Medien – profil, News und das Wirtschaftsblatt – berichteten über den Fall Hypo Alpe Adria und zitierten dabei aus deutschen Gerichtsakten. In Österreich ist so etwas kein Problem, in Deutschland aber unter Strafandrohung verboten. Da die betreffenden Medien aber auch von Deutschland aus zugänglich sind, richtete die Staatsanwaltschaft München an österreichische Staatsanwälte ein Rechtshilfeansuchen, um die betreffende Journalistin und drei Journalisten einzuvernehmen. Und die mit österreichischem Steuergeld bezahlten Beamten stellten sich tatsächlich als Handlanger der deutschen Justiz zur Verfügung und untersuchten ein „Delikt“, das in Österreich gar keines ist. Brisant ist das unter anderem, weil es hier um den Vorwurf ging, Jörg Haider habe Schmiergeld angenommen, was ein deutscher Zeuge bestätigt haben soll. Nach scharfen Protesten der Journalistengewerkschaft und bissigen Kommentaren in zahlreichen Medien stellte das Justizministerium allerdings nachträg- lich fest, dass es sich hier offenbar um ein Versehen der Staatsanwaltschaft gehandelt habe, und dass es deshalb sogar Disziplinarverfahren geben werde. Eigentlich wäre es an der Zeit, dass der Justizministerin dazu wenigstens irgend etwas Konstruktives einfällt.

Doch die Ministerin ließ sich in der ORF-Sendung „Runder Tisch“ zu diesem Thema durch eine mit der Materie nicht vertraute Staatsanwältin vertreten – auch eine Botschaft, wie ernst sie Meinungsfreiheit nimmt. Bruch des Redaktionsgeheimnisses, Einvernahmen österreichischer Journalistinnen und Journalisten durch die österreichische Staatsanwaltschaft, die sich dabei aber auf deutsche Gesetze beziehe – die Meinungsfreiheit in diesem Land ist in Gefahr. Nur, wenn wir diese gemeinsam verteidigen, können wir Erfolg haben. Natürlich wollen uns „die da oben“ – uns allen! – einen Maulkorb verpassen. Natürlich sind „die da oben“ nicht daran interessiert, dass ihre Machenschaften ans Licht gezerrt werden. Das im Paragraphen 31 des Mediengesetzes formulierte Redaktionsgeheimnis soll alle Österreicherinnen und Österreicher schützen, doch es reicht offenbar nicht aus. Kämpfen wir alle gemeinsam für einen besseren Schutz der Meinungsfreiheit in unserem Land. Die GPA-djp ruft zur Unterstützung im Internet auf und hat dazu einen eigenen Link zum Download der Unterschriftenlisten eingerichtet.

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