Denkanstoß für die Regierung

AK-Präsidentin Renate Anderl
Foto: Sebastian-Philipp

Die neue AK-Präsidentin Renate Anderl über die Gründe für ihren Wahlerfolg und warum eine Änderung des Wahlrechts Unsinn ist.

KOMPETENZ: Die AK-Wien-Wahl ist geschlagen und du bist als klare Siegerin hervorgegangen. Dazu einmal herzliche Gratulation. Wie geht es dir jetzt?

RENATE ANDERL: Ich bin natürlich sehr glücklich über das Wahlergebnis. Es ist vor allem ein Erfolg für unsere Mitglieder, die deutlich gezeigt haben, dass sie eine starke Vertretung wollen. Dass wir die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2014 deutlich steigern konnten, obwohl es um 50.000 mehr Wahlberechtigte gegeben hat, war eine echte Überraschung. Offenbar haben wir bei den Beschäftigten einen Nerv getroffen, auf die richtigen Themen gesetzt und mehr Mitglieder zur Wahl motivieren können.

„Besonders hoch war die Wahlbeteiligung unter jenen ArbeitnehmerInnen, die vom 12-Stunden-Tag, der 60-Stunden-Woche und vom steigenden Druck in der Arbeitswelt betroffen sind.“

Renate Anderl, AK Präsidentin

KOMPETENZ: Und was waren die wichtigsten Wahlmotive?

RENATE ANDERL: Tatsächlich war die Unzufriedenheit mit der Regierung ein starkes Motiv. Besonders hoch war die Wahlbeteiligung unter jenen ArbeitnehmerInnen, die vom 12-Stunden-Tag, der 60-Stunden-Woche und vom steigenden Druck in der Arbeitswelt betroffen sind. Weitere wichtige Themen waren leistbares Wohnen und ein gerechteres Steuersystem. Laut Wahlanalyse waren viele Wählerinnen und Wähler der Meinung, dass die AK als Gegengewicht zu Unternehmen und Regierung eine wichtige Rolle spielt. Es hat sich auch gezeigt, dass das Vertrauen in die AK viel höher ist, als in die Bundesregierung.

KOMPETENZ: War die AK-Wahl ein Denkzettel für die Regierung?

RENATE ANDERL: Ich würde lieber von einem Denkanstoß sprechen. Das Wiener Ergebnis zeigt deutlich, dass die ArbeiterInnen und Angestellten sich von der Regierung nicht gut vertreten fühlen. Sie merken, dass die Anliegen von Wirtschaft und Industrie sehr schnell Gehör finden, während die der ArbeitnehmerInnen ignoriert oder auf die lange Bank geschoben werden. Das hat man beim Karfreitag gemerkt, den die Regierung den Menschen einfach weggenommen hat, das merkt man beim Papamonat, oder wenn es um die gesetzliche Anrechnung von Karenzzeiten geht. Auf beides warten wir noch immer.

KOMPETENZ: Schon während der AK-Wahlen haben ÖVP und FPÖ eine Änderung der Wahlordnung gefordert. Wie sinnvoll wären solche Änderungen?

RENATE ANDERL: Dass die AK der Regierung ein Dorn im Auge ist, liegt auf der Hand. Man droht uns ja auch seit Ende 2017 damit, die Umlage zu kürzen. Wer unter einer Wahlreform das Abschaffen der Betriebswahlen versteht, dem geht es weder um Demokratie noch um eine höhere Wahlbeteiligung, sondern ausschließlich darum, die AK zu schwächen. Das ist so leicht durchschaubar: Die FSG hatte in den Betrieben deutliche Zugewinne, Christgewerkschafter und FPÖ massive Verluste – darum geht es doch in Wirklichkeit. Die ArbeitnehmerInnen in Österreich sind extrem fleißig und verdienen Respekt. Für sie und das Land wäre es besser, wenn die Regierung den Dialog mit uns suchen und mit uns zusammenarbeiten würde, um ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Stattdessen wird überlegt, wie man die AK finanziell aushungern kann. Das ist der falsche Weg. Die Anliegen der arbeitenden Menschen sind viel zu wichtig, um sie weiterhin zu ignorieren.

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