Kulturarbeit muss fair entlohnt werden

Yvonne Gimpel ist Geschäftsführerin der Interessensgemeinschaft Kultur.
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der Interessensgemeinschaft (IG)-Kultur freut sich über die erste Sozialpartnerempfehlung für Beschäftigte in der freien Kulturarbeit. Für Fördergeber soll so der Wert der begleitenden Arbeit besser sichtbar werden, jegliches Tun rund um Kulturprojekte sollte angemessen bezahlt werden und in die Bemessung von Subventionen mit einfließen.

KOMPETENZ: Die IG-Kultur und die GPA haben eine Sozialpartnerempfehlung für Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der freien Kulturarbeit vorgelegt. Was bringt das den Arbeitnehmer:innen?
GIMPL: Es ist ein Meilenstein, der hohe Stellenwert der Kulturarbeitenden wird dadurch sichtbarer. Ohne die begleitenden Tätigkeiten von Bürokräften, Kassa- und Garderobenmitarbeiter:innen, bis zu Techniker:innen und Leitungspersonal könnten viele kulturelle Veranstaltungen nicht organisiert und abgewickelt werden. Es ist ein Systemfehler, dass bei der Bemessung der Fördergelder oft nur die kulturelle Produktion alleine bewertet wird – die Basisarbeit rundherum, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder die wirtschaftliche Geschäftsführung gleiten dann ins unfreiwillige Ehrenamt ab.

Aufgrund der knappen Kalkulationen können die meisten Kunst- und Kulturprojekte nur realisiert werden, wenn unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit geleistet wird. Das Durchschnittsgehalt der rund 30.000 freien Kulturarbeiter:innen liegt rund 60 Prozent unter der Sozialpartnerempfehlung für einen Kollektivvertrag. Sie arbeiten unter katastrophalen Bedingungen und teils für beschämende Stundenlöhne.

KOMPETENZ: Warum gibt es keinen Kollektivvertrag für freie Kulturarbeit?
GIMPL: Weil es derzeit für die Gewerkschaft keine Arbeitgeber:innen-Vertretung als kollektivvertragsfähiges Gegenüber gibt. Die IG-Kultur ist eine Mitgliederorganisation für rund 1.000 Vereine auf freiwilliger Basis. Wir können nicht als Arbeitgeberin auftreten, da die meisten Akteur:innen phasenweise selbst Beschäftigte des Kulturbetriebes und wir daher nicht „gegnerunabhängig“ sind.

„Die Sozialpartnerempfehlung ist ein Meilenstein auf dem Weg zu fairer Entlohnung.“

Yvonne Gimpel

Um in echte KV-Verhandlungen gehen zu können müssten große Träger der Kulturarbeit einen Arbeitgeber-Verband gründen. Unsere Sozialpartnerempfehlung ist daher ein wichtiger Schritt hin zu einer angemessenen Bezahlung und fairen Arbeitsbedingungen.

KOMPETENZ: Wird unentgeltliche Arbeit zunehmend existenzsichernd für kulturelle Projekte?
GIMPL: Wir wollen das unfreiwillige Ehrenamt in diesem Segment beenden. Mit unserer Sozialpartnerempfehlung, die sich an bestehenden Kollektivverträgen orientiert und den Abschlüssen des Handels folgt, geben wir den Vereinen und den Förderstellen einen Richtwert in die Hand, wie Angestellte oder Werkvertragsnehmer:innen zu entlohnen sind, die das kulturelle Angebot sicherstellen. Die Empfehlung ist als Teil der Kampagne „Fair Pay“ zu sehen, mit der wir seit mehr als 10 Jahren Maßstäbe für angemessene Arbeits- und Gehaltsbedingungen in der Kulturarbeit etablieren wollen.

„Mit unseren Gehaltsleitlinien wollen wir eine Professionalisierung der Branche anstoßen.“

Yvonne Gimpel

KOMPETENZ: Was steht in der Sozialpartnerempfehlung?
GIMPL: Gehaltstabellen zeigen, wie eine angemessene Bezahlung im Sektor aussehen soll. Es gibt Empfehlungen zu fairen Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise eine Gleitzeitvereinbarung, die saisonale Schwankungen der Arbeitszeiten abfängt. Um die Professionalisierung voranzutreiben bieten wir auf unserer Homepage igkultur.at auch Musterverträge und Vorlagen für Dienstvereinbarungen an.

Es braucht Honoraruntergrenzen und rechtsverbindliche Standards der Entlohnung. Arbeitende im Kulturbereich sind oftmals von Burnout und Armut betroffen. Sie brauchen für ihre Arbeit eine angemessene Bezahlung und kein Schmerzensgeld. Von der Gewissheit, etwas Wichtiges und Richtiges zu leisten, kann sich niemand Lebensmittel kaufen oder Stromrechnung und Miete bezahlen.

Die Sozialpartnerempfehlung wird uns helfen, ein besseres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Aufziehen eines kulturellen Angebotes Arbeit und nicht Ehrenamt ist. Tatsächliche Arbeitszeiten nicht aufschreiben und abrechnen zu können ist Ausbeutung und muss aufhören. Dazu gehören auch klare Grenzen der Normalarbeitszeit und regelmäßige Gehaltssprünge. Mit den neuen Leitlinien wollen wir eine gewisse Professionalisierung der Branche anstoßen – aber auch gegenüber der Politik aufzeigen, dass dies entsprechende Rahmenbedingungen braucht.

KOMPETENZ: Hängen diese Probleme mit der Praxis der Kulturförderung von Bund und Ländern zusammen?
GIMPL: Ja, denn seit Jahrzehnten genehmigen öffentliche Stellen nicht die für eine Produktion benötigten Summen, sondern nur kleine Zuschüsse zu den notwendigen Aufwendungen. Gemeinnützig arbeitende zeitgenössische Kunst- und Kulturproduktionen können sich in der Regel nicht über den Markt finanzieren. Sie haben dann oft nur die Wahl, Gehälter und Honorare für künstlerische und organisatorische Leistungen zu kürzen um Projekte dennoch realisieren zu können oder ihre Tätigkeit ganz einzustellen. Eine weitere Möglichkeit wäre es, 100 Euro und mehr pro Ticket verlangen zu müssen, was aber ihrem Auftrag einer kulturellen Nahversorgung für alle widerspricht.

KOMPETENZ: Braucht es eine Neubewertung der kulturellen Nahversorgung?
GIMPL: Sicher, denn die Kultur wirkt wie ein Grundnahrungsmittel unseres Daseins. Wir brauchen Experimentelles, Nischenprogramme und Angebote im ländlichen Raum. Wir wollen junge Talente fördern, erste Auftrittsmöglichkeiten bieten und niederschwellige, leistbare Produktionen unterstützen.

Kunst und Kultur haben den gesellschaftspolitischen Anspruch, Diskussionsräume zu eröffnen und Zukunftsfragen zu diskutieren. Alle Arbeitnehmer:innen, die bei der Organisation und Abwicklung diverser Lesungen, Konzerte, Performances oder Theateraufführungen mitarbeiten, sollten ordentliche Arbeitsbedingungen und Löhne haben

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