All-in-Verträge: Vorsicht Falle

All-in-Verträge sind kein Freibrief für Arbeiten rund um die Uhr.
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Hast du einen All-in-Vertrag? Fühlst du dich fair entlohnt? Oder bist du auch schon einem dieser Irrtümer unterlegen?

Sylvia B. bringt es während eines Gesprächs in der GPA-Rechtsberatung auf den Punkt: „Immerhin werde ich über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt bezahlt, das ist doch gut.“ Die Frage des GPA-Rechtsberaters erstaunt sie: „Haben Sie denn schon einmal überprüft, ob Sie im Jahresschnitt mehr oder weniger Mehr- und Überstunden leisten, als durch die Überzahlung abgegolten werden?“ „Nein, wieso denn?“, entgegnet sie. „All-in ist All-in.“

Jährliche Deckungsprüfung

So wie Sylvia B. ist vielen Beschäftigten nicht bewusst, dass der/die Arbeitgeber:in bei All-in-Verträgen eine jährliche Deckungsrechnung durchführen muss. Dabei werden das Grundgehalt und die tatsächlich geleisteten Mehr- und Überstunden, Spesen, Boni usw. dem bezahlten Pauschalentgelt (=All In) gegenübergestellt. Ergibt sich ein Saldo zu Lasten des/der Beschäftigten, muss eine entsprechende Nachzahlung erfolgen. Anderenfalls läge eine unterkollektivvertragliche Entlohnung vor.

„Ich habe den All-in-Vertrag unterschrieben“, gibt Sylvia B. zu bedenken. „Habe ich mich dadurch nicht damit einverstanden erklärt, gegebenenfalls unterkollektivvertraglich bezahlt zu werden?“ „Nein“, erwidert der GPA-Rechtsberater, „denn auf Ansprüche aus dem Kollektivvertrag können Sie gar nicht rechtswirksam verzichten.“ „Aber riskiere ich mit einer Deckungsrechnung nicht, zurückzahlen zu müssen, was ich womöglich nicht eingearbeitet habe?“

Die Sorge ist unbegründet. Auch wenn weniger Mehr- und Überstunden geleistet wurden als mit der Überzahlung abgegolten, hat der/die Arbeitgeber:in kein Rückforderungsrecht.

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Überstunden und Mehrstunden

Eine weitere wichtige Frage ist, ob die durch den All-in-Vertrag abgegoltenen Mehr- und Überstunden jedenfalls geleistet werden müssen. Das fixe Einplanen von Überstunden ist nämlich keineswegs das gute Recht von Arbeitgeber:innen. Ein All-in-Entgelt soll lediglich bei Bedarf anfallende Mehr- und Überstunden abdecken. Beschäftigte mit All-in-Vertrag signalisieren zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Überstundenleistung, können aber, so wie alle anderen Beschäftigten, Überstunden ablehnen, wenn deren Leistung berücksichtigungswürdige Interessen entgegenstehen. Solche Interessen sind familiäre Betreuungspflichten, aber auch politische oder kulturelle Aktivitäten sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Außerdem können nach einem 10-stündigen Arbeitstag eine 11. und 12. Überstunde ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.

Grundgehalt und All-in-Verträge

Lucas L. kommt mit seinem All-in-Vertrag in die GPA-Rechtsberatung. „Ich möchte, dass Sie den Vertrag prüfen, ehe ich ihn unterschreibe“, sagt er. „Mir erscheint das All-in-Entgelt angesichts meiner Qualifikation und Erfahrung recht gering.“ In seinem Vertrag ist das Grundgehalt – so wie vorgeschrieben – betragsmäßig angegeben. Ein Blick in den Kollektivvertrag zeigt, dass es sich dabei um das kollektivvertragliche Mindestgehalt handelt. „Ich teile Ihre Ansicht“, nickt der GPA-Rechtsberater. „In Ihrer Branche sind eigentlich Grundgehälter üblich, die gut 300 Euro über dem Mindestgehalt liegen.“

Lucas L. will nachverhandeln. Als Grundgehalt stellt er sich das branchenübliche vor. „Die Überzahlung“, weiß er aus seiner jahrelangen Berufserfahrung in der Branche, „wird die nötigen Mehr- und Überstunden nicht abdecken. Selbst wenn mir die Differenz zu meinen Lasten jährlich nachbezahlt wird, bliebe ich auf dem Mindestentgelt sitzen. Das ist mir zu wenig. Ich erwarte mir zumindest ein branchenübliches Grundgehalt.“

Gleitzeit und All-in

Andreas F. hat keine Freude an der in seinem Betrieb eingeführten Gleitzeit. „Zu gleiten sollte mich doch eigentlich flexibler in der Einteilung meiner Arbeitszeit machen“, beschwert er sich, „aber ich habe so gut wie keine Flexibilität. Mein All-in-Entgelt deckt monatlich 20 Überstunden mit 50-prozentigem Zuschlag ab. Ehe ich im Rahmen der Gleitzeit Gutstunden erwerben kann, muss ich diese 20 Stunden leisten. Ich beginne also mit einem monatlichen Minusstand von 20 Stunden.“

Das ist nicht zulässig, erfährt er zu seinem großen Erstaunen. Gleitzeit bedeutet für Arbeitnehmer:innen eine flexible Gestaltung der Normalarbeitszeit. Deshalb sind im Gleitzeitsystem erworbene Zeitguthaben auch keine Überstunden, sondern Normalarbeitszeitstunden, die 1:1 durch Zeitausgleich konsumiert werden können. Durch die All-in-Überzahlung gedeckte Überstunden fallen erst dann an, wenn sie außerhalb des Gleitzeitrahmens geleistet oder innerhalb desselben nach Überschreitung der Normalarbeitszeit angeordnet werden. Eine Gegenverrechnung mit Gleitzeitguthaben erfolgt erst am Ende der jeweiligen Gleitzeitperiode.

Andreas F. kann 15 Gutstunden in die nächste Gleitzeitperiode übertragen. Hat er zum Beispiel 28 Gutstunden erworben, bleiben 13 nicht übertragbare Stunden übrig. Diese 13 Stunden sind als Überstunden abzugelten. Andreas F. bekommt sie aber nicht ausbezahlt, weil sie durch sein All-in-Entgelt gedeckt und somit bereits bezahlt sind.
Da es aber sehr viele unterschiedliche Regelungen bezüglich Gleitzeit und All-in gibt, sollten Betroffene sich in der Gewerkschaft GPA beraten lassen.

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