Uber-Files: Im Sumpf der Plattformarbeit

Vertrauliche Dokumente belegen, wie Uber mit unsauberen und rücksichtslosen Methoden die Märkte erobert hat. Gewerkschaften in Europa fordern seit langem bessere Arbeitsbedingungen für Plattform-ArbeiterInnen. Die ans Licht gekommenen Umtriebe des Fahrdienstleisters Uber geben ihnen recht.

Um weltweit expandieren zu können, machte Uber jahrelang Druck auf etablierte Taximärkte und ihren Schutz für ArbeitnehmerInnen. LobbyistInnen übten Einfluss auf Regierungen aus, damit Gesetze geändert wurden. Die in manchen Ländern heftigen Proteste gegen Uber sollten unterdrückt werden. Dafür verfügte Uber über ein üppiges Budget für Lobbying und beste Kontakte zu PolitikerInnen. Zugleich ging man nicht zimperlich mit den eigenen FahrerInnen um.

Die so genannten „Uber-Leaks“ oder „Uber-Files“ spielte Mark MacGann, ehemaliger Chef-Lobbyist bei Uber, Anfang Juli dem britischen ‚Guardian’ zu. Sie umfassen rund 124.000 vertrauliche Dokumente, darunter E-Mails und Nachrichten zwischen Führungskräften, sowie Memos, Präsentationen, Rechnungen u.a.m.

Aus den Leaks geht deutlich hervor, bei welchen SpitzenpolitikerInnen Uber lobbyierte, wenn es galt, in einem Land die Gesetzgebung so zu ändern, dass sie dem Geschäftsmodell des Fahrdienstleisters entgegenkam.


Die Aufzeichnungen decken die Jahre 2013 bis 2017 in 40 Ländern ab. Während dieser Zeit expandierte Uber weltweit. Die Leaks enthüllen, wie das Unternehmen gegen Gesetze verstoßen hat, Polizei und Aufsichtsbehörden hinters Licht führte, Gewalt gegen FahrerInnen für seine Zwecke ausnutzte und Regierungen auf der ganzen Welt heimlich zu beeinflussen suchte.

Lobbying bei PolitikerInnen

Aus den Leaks geht deutlich hervor, bei welchen SpitzenpolitikerInnen Uber lobbyierte, wenn es galt, in einem Land die Gesetzgebung so zu ändern, dass sie dem Geschäftsmodell des Fahrdienstleisters entgegenkam. Belegt ist u.a., dass Travis Kalanick, einer der Gründer und ehemaliger Chef von Uber, Joe Biden, Benjamin Netanyahu sowie Emmanuel Macron traf.

Nach seinem Treffen mit Kalanick warb Joe Biden (damals US-Vizepräsident) 2016 beim World Economic Forum in Davos offen für das Modell der Fahrtdienstleistungen via App. Denn diese würden Millionen neue Jobs schaffen: Jobs, so sagte Biden am Forum, die denjenigen, die sie annehmen, die Freiheit ließen, so viele Stunden zu arbeiten, wie sie möchten, und ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten.

Auch mit Emmanuel Macron – damals noch französischer Wirtschaftsminister – war Kalanick in direktem Kontakt. Macron war beim Markteinstieg von Uber in Frankreich behilflich, gegen die Interessen der französischen TaxifahrerInnen, die gegen den neuen Konkurrenten protestierten. Selbst als die Proteste eskalierten, wurden alle Hürden für Uber wie durch Zauberhand ausgeräumt.

„Gewalt garantiert Erfolg“

Aus den Files geht außerdem hervor, dass Kalanick keine Skrupel hatte, Uber-FahrerInnen zu einem dieser Proteste in Frankreich zu schicken. Er setzte sie dabei der Gefahr von Gewalt durch wütende Gegner in der Taxibranche aus. „Ich denke, es lohnt sich“, sagte Kalanick laut den Unterlagen, „Gewalt garantiert Erfolg.“

Eine weitere wichtige Rolle scheint die frühere niederländische EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes, gespielt zu haben. Kroes übernahm nach ihrer Zeit als Kommissarin einen gut bezahlten Beraterinnenjob bei Uber. Allerdings deuten die Files darauf hin, dass Kroes bereits davor für den Fahrdienstleister gearbeitet hatte, obwohl sie eine 18-monatige „Abkühlungsphase“ nach ihrer Tätigkeit in der Kommission hätte einhalten müssen.

Olaf Scholz hingegen, damals Bürgermeister von Hamburg, wehrte sich gegen Uber-Lobbyisten und bestand auf der Zahlung eines Mindestlohns für die FahrerInnen. Eine Führungskraft von Uber meinte dazu, Scholz sei „ein echter Komiker“.

Der ehemalige Uber-Chef Kalanick verließ übrigens das Unternehmen 2017 nach mehreren Skandalen, darunter eine lange Liste an Fällen von sexueller Belästigung im Uber-Hauptquartier. Kalanick habe trotz Kenntnis dieser Vorfälle nichts unternommen und im Gegenteil diese „Kultur“ eher gefördert.

Im Dezember 2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Regulierung von Plattformarbeit vorgelegt, an dem das Europäischen Parlament derzeit weiterarbeitet. Im kommenden Herbst soll der Vorschlag zur Abstimmung kommen.

Neue Richtlinie für Plattformarbeit

Die Aufdeckung der Interna bei Uber fällt zeitlich mit den Bemühungen Brüssels zusammen, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf Plattformen wie Uber stärker zu regulieren.
Plattformarbeit bedeutet in Wahrheit nichts anderes als Scheinselbständigkeit. Die ArbeiterInnen müssen meist viele Stunden zu niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen schuften, ohne Sozialversicherung und ohne die Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Im Dezember 2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Regulierung von Plattformarbeit vorgelegt, an dem das Europäischen Parlament derzeit weiterarbeitet. Im kommenden Herbst soll der Vorschlag zur Abstimmung kommen.

Mit dieser geplanten Richtlinie soll nun der Scheinselbstständigkeit ein Riegel vorgeschoben werden: Plattform-ArbeiterInnen sollen als ArbeitnehmerInnen mit allen geltenden Rechten angesehen werden – mit Sozialversicherung, Krankenstand und fairer Entlohnung. Ganz zentral ist es hierbei auch, dass sie sich gewerkschaftlich organisieren und kollektivvertragliche Verhandlungen führen können. Das ist in einem solchen Umfeld besonders schwierig, da sich die ArbeitnehmerInnen untereinander oft nicht kennen, weil sie nicht Teil eines fixen Teams sind.

Arbeitsbedingungen verbessern

Jede/r zehnte EuropäerIn hat bereits in der Plattformwirtschaft, zu der neben Uber z.B. auch Lieferando, Mjam oder Airbnb gehören, gearbeitet. Für diese Menschen, so fordern Gewerkschaften europaweit, muss ein attraktiver Arbeitsrahmen geschaffen werden. Von der Innovation und Flexibilisierung von Arbeit müssen vor allem die, die diese Arbeit erbringen, profitieren, und sie müssen auch geschützt werden. Denn derzeit macht das neue Geschäftsmodell der „Gig-Economy“ die reichsten Unternehmen nur noch reicher, zu Lasten der ArbeitnehmerInnen.

Insofern kommen die Uber-Leaks zur richtigen Zeit: Uber leistet momentan intensive Lobbyarbeit in Brüssel, um die EU-Gesetzgebung zu den Rechten von PlattformarbeiterInnen zu verwässern. Einzelheiten über geheime Geschäfte zwischen Uber und EU-Politikern werden verständlicherweise das Vertrauen der ArbeitnehmerInnen in den Gesetzgebungsprozess beschädigen.

Die Uber-Files zeigen, was für ein Unternehmen Uber wirklich ist, mit seinen LobbyistInnen, die bereit sind, alles zu tun, um die Regeln zu ihren Gunsten umzuschreiben oder sie einfach zu ignorieren, wenn sie es nicht können.

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