Die Gewerkschaft GPA erhöht den Druck auf die Fachhochschulkonferenz, endlich einen privaten Verband der Dienstgeber zu gründen, damit die FH-Beschäftigten durch den Abschluss eines Kollektivvertrags nach über 30 Jahren endlich vergleichbare Arbeitsbedingungen und jährlich neu verhandelte Lohnsteigerungen bekommen.
Unglaublich, aber wahr: Seit der 1994 erfolgten Gründung der Fachhochschulen in Österreich arbeiten die aktuell rund 10.000 angestellten Beschäftigten ohne einheitlichen Kollektivvertrag. Das bringt den Beschäftigten deutliche Nachteile: unterschiedliche bzw. zumeist überhaupt fehlende Gehaltsschemata erschweren die Vergleichbarkeit, Lohnsteigerungen erfolgen selten automatisiert und müssen individuell ausgehandelt werden, bei Streitigkeiten schützt nur das Angestelltengesetz, vorteilhaftere Regelungen eines Kollektivvertrages gelten nicht.
Für Christoph Zeiselberger, in der Gewerkschaft GPA zuständig für die Fachhochschulen, ist „das Fass am Überlaufen, der Fleckerlteppich in der Bezahlung und der Ausgestaltung sozialrechtlicher Ansprüche für FH-Angestellte muss endlich ein Ende haben: Ohne die jährlichen Gehaltsanpassungen und Vorrückungen sind die Kaufkraftverluste über die Jahre hinweg enorm. Auch die Anrechnung von Vordienstzeiten, die Bedingungen für Sabbaticals oder die Arbeitszeitregelungen sind von Haus zu Haus unterschiedlich.“
Im April hat die Gewerkschaft GPA daher die Unterschriftenaktion „KV für FHs in Österreich“ abgehalten, mehrere tausend Befürworter:innen haben die Initiative unterstützt.
Grundproblem fehlender Arbeitgeberverband
Der Kernpunkt der Debatte ist laut Zeiselberger, dass es keinen kollektivvertragsfähigen Arbeitgeberverband für die Fachhochschulen gibt. Die Gewerkschaft hat daher kein Gegenüber, mit dem ein einheitlicher Lohnabschluss verhandelt bzw. ein Kollektivvertrag abgeschlossen werden könnte: „Eigentlich sollte im Rahmen des Hochschulpakets 2024 eine gesetzliche Grundlage erarbeitet werden, damit die Fachhochschulkonferenz, ähnlich dem Dachverband der Universitäten, kollektivvertragsfähig wird. Durch massiven Druck von Ländern, Fachhochschul-Erhaltern und auch Teilen der Fachhochschulkonferenz selbst, wurde diese Bestimmung im Hochschulpaket in letzter Minute nicht umgesetzt“, zeigt sich Zeiselberger enttäuscht.
Als Begründung für die Ablehnung wurden „zwei Gründe vorgeschoben: Einerseits, dass ein Kollektivvertrag durch die verbesserten Arbeitsbedingungen Verteuerungen für die Hochschul-Erhalter bringen würde. Andererseits wurde mehrfach geäußert, dass das Anliegen zu kurzfristig geäußert worden wäre.“ Zeiselberger sieht darin „faule Ausreden“ und lässt sich nicht entmutigen: „Der Ruf nach einem einheitlichen Kollektivvertrag besteht schon seit vielen Jahren, bereits 2017 gab es eine breite öffentliche Kampagne dafür.“
Dass die Kosten für die Erhalter steigen könnten, sei „möglich, aber nicht so dramatisch, dass die FHs untergehen würden: Es geht auch um bessere Arbeitsbedingungen und Vergleichbarkeit.“ Zeiselberger kritisiert, dass sich „die Verantwortlichen seit Jahren aus dem Thema herausreden möchten und mit uns nicht ins Gespräch kommen wollen: Obwohl einzelne Arbeitgeber als Befürworter:innen eines einheitlichen KVs auftreten, ist der Vorstand der FH-Konferenz strikt dagegen.“
Gewerkschaft GPA prüft Möglichkeit einer Zwangssatzung
Die Geduld der Gewerkschafter ist zu Ende, Zeiselberger fordert das Präsidium der Fachhochschulkonferenz dringend dazu auf, endlich offizielle Gespräche mit der GPA über einen einheitlichen KV zu führen: „Dazu müssten sich die Arbeitgeber:innen zu einem freiwilligen Verband zusammenschließen, der kollektivvertragsfähig ist.“
„Die Gesprächsverweigerung der Fachhochschulkonferenz muss aufhören. Wir brauchen ein Gegenüber, mit dem wir einen Kollektivvertrag für die 10.000 FH-Beschäftigten verhandeln können.“
GPA-Wirtschaftsbereichssekretär Christoph Zeiselberger
Nach einem Treffen mit Betriebsrät:innen ist für die „Aktionsgruppe FH-KV“ klar, dass der öffentliche Druck auf die Fachhochschulkonferenz weiter erhöht werden muss, erklärt Zeiselberger: „Wir können auf eine solide und breite Unterstützung der Betriebsrät:innen und Beschäftigten an den FHs zurückgreifen. Weil derzeit offenbar keine Bereitschaft zur Gründung eines freiwilligen Arbeitgeberverbandes besteht, prüfen wir gerade, ob es rechtlich zulässig wäre, den Kollektivvertrag der Universitäten für die FHs beim Bundeseinigungsamt satzen zu lassen.“ Dadurch würde per Verordnung der Geltungsbereich des bestehenden Kollektivvertrags erweitert.
Grundsätzlich wäre so eine Ausdehnung des Geltungsbereiches zulässig, wenn „dieser KV eine überwiegende Bedeutung im Sektor erreicht und es gleichartige Arbeitsverhältnisse gibt: Wir brauchen bessere, über die gesamte Branche hinweg geltende Mindeststandards in Form eines eigenständigen, modernen, der Branche entsprechenden Kollektivvertrags.“ Die Arbeitgeber sollten nun ihre Füße in die Hand nehmen, meint Zeiselberger: „Wenn sich auf regulärem Weg kein Arbeitgeberverband gründet, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen und es über die Satzung versuchen.“
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Gehaltsniveau an den FHs würde nach oben gezogen
Durch einen gemeinsamen KV würde die Branche weiterentwickelt und attraktiviert, die „Vereinheitlichung der Gehaltsschemata sei dringend notwendig: Viele würden das kostentechnisch gar nicht spüren, weil sie ohnehin branchenüblich entlohnen. Schwächere Zahler würden wir aber auf ein neues Level ziehen.“
Auch Ewald Volk, Betriebsrat an der FH-St Pölten, ärgert sich über die anhaltende Gesprächsverweigerung der FH-Konferenz: „Das Gremium ist kein reiner Arbeitgeberverband, weil auch Studiengangsleiter:innen als Beschäftigte Mitglied sind und damit faktisch nicht kollektivvertragsfähig. Weil die FHs keine Mitglieder bei der Wirtschaftskammer sind, kann diese auch nicht den Part als Arbeitgeber-KV-Verhandler übernehmen. Ein bequemer Standpunkt, der Stillstand wird so prolongiert.“
Trotz bestehender Mischformen in der Eigentümerstruktur ist die öffentliche Hand der weitaus überwiegende Eigentümer. Darüber hinaus sind alle FHs „vor allem über die Studienplatzförderung aber auch über die Forschungsförderung aus öffentlichen Geldern finanziert, die gewerblichen privatwirtschaftlichen Erlöse machen dagegen nur einen sehr geringen Teil der Einnahmen aus: Einerseits werden die öffentlichen Mittel gerne angenommen, sobald der Staat oder die Länder aber bei den Entlohnungssystemen mitreden wollen, ziehen sich die FHs auf ihren Status als Privatunternehmen mit entsprechenden Selbstbestimmungsrechten zurück.“
„Viele FHs nehmen das Geld zur Studienplatzförderung von der öffentlichen Hand, verbieten sich aber gleichzeitig eine Einmischung des Gesetzgebers, wenn es um die Entlohnung ihrer Beschäftigten geht. Das ist nicht in Ordnung!“
Ewald Volk, Betriebsratsvorsitzender der FH St. Pölten
Volk fühlt sich „mit dieser Argumentation seit Jahren ´gepflanzt´: Bei uns gibt es zwar einen Gehaltscheck bei der Einstellung und die Möglichkeit des finanziellen Aufstiegs bei Weiterbildung oder Qualifizierung, es muss aber meist individuell verhandelt werden.“ Das schwäche die Arbeitnehmer:innen in ihrer Verhandlungsposition massiv und brächte „nur unregelmäßige Gehaltserhöhungen: Es braucht ein objektiviertes System in Form eines Gehaltsschemas und eine Mitsprachemöglichkeit des Betriebsrates.“
Die Satzung ist keine leere Drohung
Kaja Unger, Betriebsrätin an der FH-JOANNEUM, beklagt, dass durch den fehlenden KV vor allem Frauen in der Gehaltsstruktur benachteiligt würden: „Wir haben zwar seit 2014 ein Dienstrecht, der heutige Landeshauptmann Christopher Drexler hat die Verhandlungen dazu damals als Eigentümervertreter in Gang gebracht.“ Dennoch sei das Dienstrecht nur eine „Vertragsschablone, im Streitfall könne nur der Einzelne zweifelhafte Bestimmungen einklagen: Über einen Kollektivvertrag könnte man die Rechte der Beschäftigten samt objektiviertem Gehaltsschema und planmäßigen Vorrückungen in Abhängigkeit von der Dienstzeit viel effizienter durchsetzen.“
Dabei gehe es auch um Regelungen zur Telearbeit oder Zuschläge für Wochenendarbeit: „Bei Streitigkeiten müssen unsere Beschäftigten derzeit alles selbst durchfechten, wir Betriebsrät:innen haben ohne geltenden KV leider keine Kompetenzen.“
„FH-Beschäftigte werden wie Lehrende zweiter Klasse behandelt. Für sie gilt nur das Angestelltengesetz, daher gibt es gegenüber Beschäftigten an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten zahlreiche Nachteile. Das finde ich nicht in Ordnung.“
Kaja Unger, Betriebsrätin an der FH-JOANNEUM
Nachteile beim Jobwechsel
Unger kritisiert auch, dass der fehlende KV in der Branche Nachteile beim Jobwechsel bringe: „Will jemand an einer anderen Fachhochschule oder an einer Universität/Pädagogischen Hochschule arbeiten, fehlt die Vergleichbarkeit bei den Positionen, Leistungsbeschreibungen und beim Gehalt. Auch Vordienstzeiten werden nur entsprechend dem Angestelltengesetz angerechnet, was dem Einzelnen viele Nachteile bringen kann.“
Notwendig wäre eine gesetzliche Regelung wie an den pädagogischen Hochschulen und den Universitäten oder ein freiwilliger Arbeitgeberverband: Dazu braucht es den politischen Willen.“ Unger verweist auf die Situation in Deutschland, wo die FHs im Eigentum der Bundesländer stünden: „Die Beschäftigten sind beim jeweiligen Land angestellt. In Österreich herrscht hier Wildwuchs, als Erhalter kann jeder auftreten, der die Studiengänge betreibt. Das sind teils private Vereine, die Wirtschaftskammer, die Länder oder das Bfi.“