Arbeitszeit im Handel

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Der Kollektivvertragsabschluss für 2019 im Handel bringt mehr Zeitautonomie für die Beschäftigten und das gemeinsame Vorhaben mit den Arbeitgebern die Arbeitzeiten weiter zu verbessern. Im nächsten Schritt sollen die Bedürfnisse der Handelsangestellten in einer Befragung erhoben werden.

Recht auf 4-Tage-Woche

Mit dem Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche wurde eine wichtige Forderung der Handelsangestellten umgesetzt. Entsprechend positiv sind die Rückmeldungen der Beschäftigten dazu. Das Modell wird auch bereits stark nachgefragt. Doch gibt es große Vorbehalte einiger ArbeitgeberInnen, vor allem in kleineren Betrieben. „Die ersten Erfahrungen in der Beratung zeigen, dass sich Arbeitgeber zu wenig informieren und oftmals fehlt der Wille sowie die Kreativität zur Gestaltung moderner Arbeitszeitmodelle“, fasst KV-Verhandlerin Anita Palkovich von der GPA-djp zusammen.

„Wir möchten daran erinnern, dass der Antrag eines Angestellten auf die 4-Tage-Woche nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgelehnt werden kann. Wir fordern die Arbeitgeber auf, in einen gestaltenden Dialog mit den eigenen Angestellten zu gehen und Widerstände bei der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells aufzugeben.“

Franz Georg Brantner, Betriebsratsvorsitzender Herba Chemosan

Internationale Berichte und Erfahrungen bestätigen die Idee der 4-Tage-Woche. Die Regelung eröffnet den Betrieben neuen Gestaltungsraum, der offenbar auch wirtschaftliche Vorteile bringt. Der Chefverhandler für den Handelskollektivvertrag und Betriebsratsvorsitzende von Herba Chemosan appelliert daher an die Arbeitgeber: „Wir möchten daran erinnern, dass der Antrag eines Angestellten nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgelehnt werden kann. Wir fordern die Arbeitgeber auf, in einen gestaltenden Dialog mit den eigenen Angestellten zu gehen und Widerstände bei der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells aufzugeben“. Den KollektivvertragsverhandlerInnen ist bewusst, dass die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in einem Betrieb mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Etwa muss das Zusammenwirken mit anderen Betriebsvereinbarungen überprüft werden. Ein möglicher erster Schritt könnte daher die befristete Vereinbarung einer 4-Tage-Woche sein, um dann die Erfahrungen in ein dauerhaft im Betrieb verankertes Modell zu übernehmen. Um den Start zu erleichtern, hat die GPA-djp in Abstimmung mit der Wirtschaftskammer die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Leichterer Zugang zur Altersteilzeit

Ein weiterer wichtiger Erfolg ist der erleichterte Zugang zur Altersteilzeit. Viele Angestellte haben bereits ihren Antrag auf die kontinuierliche Altersteilzeit eingebracht und freuen sich über den direkten Zugang zu diesem Modell. „Die Altersteilzeit ermöglicht in die Pension zu gleiten und schrittweise aus dem Arbeitsleben auszusteigen. Vielfach ist dies auch aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen notwendig. Mit der staatlichen Förderung werden für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen die finanziellen Auswirkungen abgefedert. „Ein guter Kompromiss für beide Seiten“, zeigt sich Franz-Georg Brantner sehr zufrieden.

Eine Stunde weniger Arbeiten am 24.12.

Mit der Verkürzung der Arbeitszeit zu Weihnachten wurde der Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Familienzeit erfüllt. Ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Die Rückmeldungen unserer Beschäftigten zu dieser Regelung sind sehr gut. Die Belastung rund um Feiertage wie etwa Ostern, Pfingsten und Weihnachten ist im Lebensmittelhandel sehr groß. Wir versuchen in der Feinkost sowie mit vollen Regalen alle Wünsche der Konsumenten zu erfüllen. Die Beschäftigten stehen oft schon Stunden vor dem Aufmachen im Geschäft und haben sich diese eine Stunde mehr als verdient“, spricht Werner Hackl, Betriebsratsvorsitzender von Billa, aus Erfahrung.

Zeit für Weiterbildung

„Mit dem Rechtsanspruch auf Bildungskarenz konnten wir, neben dem im letzten Jahr verankerten Rechtsanspruch auf eine andere Verteilung der Arbeitszeit, im Zusammenhang mit der berufsbegleitenden Bildung, erneut die Bedingungen für die Angestellten im Handel verbessern,“ zeigt sich Marie-Therese Reisenauer, Betriebsratsvorsitzende von Thalia zufrieden. „Die fortschreitende Digitalisierung und die Veränderungen der Arbeitswelt fordern die Angestellten und die Betriebe.“ Ein besonders wichtiger Punkt ist und bleibt die interne Weiterbildung. „Unternehmen sind gefordert, die internen Weiterbildungssysteme auf die Zukunft auszurichten und die notwendigen Qualifikationen im Unternehmen zu entwickeln“, appelliert Palkovich an die Arbeitgeber: „Auch E-Learning Tools sind einzubauen. Sie bieten Teilzeitbeschäftigten, Beschäftigten im ländlichen Bereich bzw. allen, die es weiter zu einer Bildungseinrichtung haben, bessere Chancen. Hier braucht es im Kollektivvertrag noch klare Regelungen zu Zugang, Equipment, Eigenverantwortung und Arbeitszeit – daran müssen wir noch arbeiten.“

Befragung über Arbeitszeitwünsche

Mit den Verbesserungen im Kollektivvertrag ist die Entwicklung moderner Arbeitszeiten im Handel nicht abgeschlossen. Die Sozialpartner des Handels starten Gespräche über einheitliche, einfache, nachvollziehbare und übersichtliche Arbeitszeitregelungen und deren Abgeltung im österreichischen Handel. Ziel ist es moderne Regelungen zu finden, die der Vielfalt des Handels und der Vielfalt der persönlichen Bedürfnisse der Handelsangestellten gerecht werden. Die jetzt gestartete Befragung der Handelsangestellten und der Betriebe im Handel soll genau diese Vielfalt aufzeigen und dient als Basis für die Gespräche. Die Befragung läuft bis 31. März 2019.

„Wir wissen, dass die Handelsangestellten das Ausmaß ihrer Arbeitszeit je nach individueller Lebenslage oder nach persönlichen Bedürfnissen definieren wollen. Eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben nimmt für viele Beschäftigte an Bedeutung zu. Daher liegt der Fokus bei der Qualität der neuen Regelungen für Freizeit, Familie und Gesundheit“, definiert Anita Palkovich die Ziele für die anstehenden Gespräche mit der Wirtschaftskammer.

„Einfache, nachvollziehbare und übersichtliche Regelungen bedeuten Rechtssicherheit für alle und sollen damit auch auf die Arbeitsbeziehung zwischen Angestellten und Arbeitgebern eine positive Auswirkung haben. Wir wollen keinesfalls bestehende Regelungen durch noch komplexere ersetzen. Das bedeutet aber nicht, dass wir für ein Einsparungsprogramm zur Verfügung stehen“, sagt Franz-Georg Brantner, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA-djp in Richtung Arbeitgeberseite.

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