In ‚Ausbeutung auf Bestellung‘ beschreibt Johannes Greß die prekären Arbeitsbedingungen von Essens- und Paketzusteller:innen, Forstarbeiter:innen und Reinigungskräften. Berufe, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind, aber trotzdem von Ausbeutung geprägt werden.
Wer sich an einem regnerischen Sonntagabend – wenn man wirklich nicht mehr vor die Tür gehen will! – seinen Burger direkt nach Hause liefern lassen möchte, hat mehrere Apps zu Auswahl für diesen bequemen Service. Bei schlechtem Wetter oder Krankheit nehmen einem die Essenszusteller:innen den Einkauf und die Arbeit in der Küche ab. Doch die Menschen, die per Fahrrad oder Moped die warme Mahlzeit zur Kundschaft bringen, sind sogenannte Freie Dienstnehmer:innen, die unter prekären Bedingungen nur mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen.
Dieses Geschäftsmodell nennt sich ‚Plattformarbeit‘. Die Lieferdienste als Betreiber der Plattformen vermitteln zwischen Kunde:innen und Zusteller:innen – und können auf diesem Weg das Arbeitsrecht umgehen. Denn Freie Dienstnehmer:innen gelten als selbständig, müssen sich entsprechend selbst versichern, haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Krankenstand und ihr ohnehin niedriges Einkommen schwankt je nach Auftragslage.
Vorgehen gegen Missstände notwendig
Johannes Greß beleuchtet in seinem neuen Buch ‚Ausbeutung auf Bestellung‘ die Arbeitsbedingungen von Menschen in Branchen, die auf Ausbeutung und strukturellem Rassismus bzw. Ausgrenzung basieren. In diesen Branchen arbeiten ungarische Paketzusteller in Österreich bis zu 17 Stunden täglich, syrische Essenslieferanten schuften für sechs Euro pro Stunde. In den letzten Jahren kamen in heimischen Wäldern mehr als ein Dutzend rumänische Forstarbeiter ums Leben. Indische Reinigungskräfte beklagen sexuelle Übergriffe, während sie ohne Papiere die Wohnungen von Diplomat:innen und anderen wohlhabenden Kund:innen putzen. Greß hat mit Menschen gesprochen, denen sonst niemand zuhört und er zeichnet ein eindrückliches Bild der Ausbeutungsverhältnisse, die sie täglich ertragen müssen.
Zugleich sind all diese Betroffenen für das Funktionieren der österreichischen Gesellschaft unverzichtbar, sei es in der Pflege, in der Gastronomie, in der Landwirtschaft oder in der Reinigungsbranche. Doch sie haben keine Lobby, ihre Stimmen sind marginalisiert. Greß zeigt auf, wie Unternehmen in Österreich durch die Ausbeutung von Migrant:innen Profit erwirtschaften – und wie wir alle letztlich den Preis dafür bezahlen. Um daran etwas zu ändern, braucht es neue gewerkschaftliche Strategien, die über Betriebsräte und Kollektivverträge hinausgehen. Das Buch fordert nicht nur ein Umdenken, sondern auch neue politische Ansätze, um gegen diese Missstände vorzugehen.
Johannes Greß arbeitet als freier Journalist in Wien zu prekären Arbeitsbedingungen und zur ökologischen Krise im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Arbeit, öffentlicher Raum und Demokratie. Er schreibt u.a. für den Standard, die Zeit, Dossier, Arbeit & Wirtschaft und auch regelmäßig für die ‚Kompetenz‘. Zuletzt erschien von ihm ‚Konsumideologie. Kapitalismus und Opposition in Zeiten der Klimakrise‘ (2022).
Johannes Greß: Ausbeutung auf Bestellung
ÖGB Verlag
268 Seiten, 22,90 Euro
ISBN: 978-3-99046-697-1
Die Buchpräsentation findet am 3. Oktober um 18h30 in der FAKTory , 1010 Wien, Universitätsstraße 9, statt. Mehr dazu hier.