Betriebsrat in der Erwachsenenbildung: Weil es an der Zeit war

Christoph Erath vertritt als Betriebsrat beim privaten Bildungsanbieter ipcenter etwa 250 Beschäftigte.
Foto: Edgar Ketzer

Seit 2022 gibt es beim privaten Bildungsanbieter ipcenter einen Betriebsrat. Angestoßen worden sei er von zwei Kolleg:innen, erzählt der nunmehrige Vorsitzende Christoph Erath. Konkreten Anlassfall habe es keinen gegeben, es sei schlicht die Zeit reif für eine Belegschaftsvertretung gewesen. Die Geschäftsführung zeige sich auch von Beginn an konstruktiv. Gemeinsam taste man sich nun auf dieses neue Terrain vor – durchaus schon mit Erfolgen wie ersten Betriebsvereinbarungen.

Seit 2009 arbeitet der Historiker Christoph Erath, der als Quereinsteiger in die Erwachsenenbildung kam, als Deutschtrainer. Zunächst war er selbständig, später freier Dienstnehmer, seit 2011 ist er in dem Unternehmen angestellt, das heute rund 250 Personen beschäftigt. Die Fluktuation in der Branche sei hoch, erzählt er, das habe mit der Auftragsvergabe etwa durch das Arbeitsmarktservice (AMS) oder den Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) zu tun. Werde der Bildungsanbieter, bei dem man beschäftigt sei, nicht beauftragt, wackeln rasch Jobs.

„Auch ich war schon mehrmals von einer angekündigten Kündigung betroffen, die aber dann doch noch abgewendet werden konnte, weil wir doch den Auftrag bekamen.“ Rasch fänden doch betroffene Kolleg:innen dann zwar eine Stelle bei einem anderen Unternehmen. Doch gehaltsmäßig werfe sie das immer wieder zurück – denn angerechnet werden derzeit im BABE-KV, dem Kollektivvertrag für Beschäftigte in privaten Bildungseinrichtungen, jeweils nur maximal fünf Jahre an Vordienstzeiten.

Kollektivvertragsverhandlungen

Genau dieses Thema haben die Arbeitnehmer:innenvertreter:innen auch auf ihre Agenda bei den derzeit laufenden BABE-KV-Verhandlungen gesetzt. Erath ist „ganz frisch“ in diesem Team und freut sich sehr darüber: Er sehe das auch als Anerkennung des Betriebsrats bei ipcenter, dessen Vorsitzender er – siehe eingangs – seit Ende 2022 ist.

Die Themenpalette sei insgesamt auf beiden Ebenen ähnlich: auf der betrieblichen und der branchenumfassenden. Mehr Geld, mehr Vollzeitanstellungen, mehr Freizeit für jene, die Vollzeit arbeiten: das wünschen sich die Kolleg:innen.

Stichwort Geld: In den laufenden KV-Gesprächen sei mit der Arbeitgeber:innen-Seite bereits außer Streit gestellt, dass ein Abschluss über der rollierenden Inflation liegen müsse, also über 7,3 Prozent. Um wieviel mehr, darüber wird noch verhandelt. Die Forderung der Arbeitnehmer:innen: es sollten mindestens zwei Prozent mehr sein.

„Was die Arbeitgeber:innen-Seite recht schnell gesagt hat: eine Reduktion der Wochenarbeitszeit wird es nicht geben.“

Christoph Erath

Das sei aber nicht der einzige Ansatzpunkt von Arbeitnehmer:innen-Seite. Im Rahmen des KV werden Trainer:innen derzeit im Verwendungsbereich 4a eingestuft. Diese Verwendungsgruppe sei nur geringfügig höher dotiert als die Stufe 4, aber wesentlich niedriger als die Stufe 5 (hier seien es zwischen 200 und 300 Euro weniger). In diesem Verwendungsbereich sind beispielsweise Projektleiter:innen, aber auch Verwaltungsposten eingestuft. „Wir wünschen uns hier eine Angleichung an die Gehälter der Stufe fünf für Trainer:innen“, so Erath.

Stichwort Freizeit: Derzeit ist im KV die 38-Stunden-Woche für eine Vollzeitbeschäftigung festgeschrieben. Die Arbeitnehmer:innen-Vertreter:innen lassen hier die Art und Weise, wie die Beschäftigten zu mehr freier Zeit und Pausen kommen sollen, offen. „Wir sind da absichtlich breit“, betont Erath. Auch mehr Urlaubstage wären zum Beispiel wünschenswert. „Was die Arbeitgeber:innen-Seite recht schnell gesagt hat: eine Reduktion der Wochenarbeitszeit wird es nicht geben.“

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Gleitzeitvereinbarung erreicht

Innerbetrieblich hat Erath sich einerseits sofort in die persönliche Weiterbildung gestürzt, um den Kolleg:innen fundiert zur Seite stehen zu können. In Absprache mit der Geschäftsführung gingen er und sein Betriebsrats-Team hier neue Wege: Er ist als Vorsitzender für zwei Tage in der Woche freigestellt, seine beiden Stellvertreterinnen jeweils für einen Tag. Das mache es auch möglich, Kurse von Gewerkschaft und Arbeiterkammer zu besuchen.

Sobald ein Basis-Know how erworben war, machte sich das Team an das Verhandeln erster Betriebsvereinbarungen. Diese gibt es nun für den Bereich Datenschutz, hier gehe es vor allem um den Umgang von Daten, die im Rahmen von Programmen erfasst werden. Ebenfalls bereits erreicht: eine Gleitzeitvereinbarung. Was Erath und sein Team hier erreichen konnten: abseits der freien Zeiteinteilung, wenn es etwa um die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts geht, die Möglichkeit, geleistete Mehrstunden in Form eines Zeitguthabens mitzunehmen. „Die Firma wollte diese Stunden auszahlen, aber die wenigsten Kolleg:innen wollten das. Daher ist es schön, dass es funktioniert hat, diese Konstruktion auszuarbeiten und die Geschäftsführung da auch mitgemacht hat.“

Prämien für die Beschäftigten

Aber auch finanziell konnten Erath und sein Team etwas erreichen: im Sinn einer wirtschaftlichen Teilhabe profitieren die Mitarbeiter:innen nun vom wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs. „Vergangenen Herbst wurden hier erste Prämien, damals über den Teuerungsbonus, ausbezahlt.“ Derzeit würden die Budgetgespräche mit der Unternehmensleitung laufen. „Wir schauen auch heuer darauf, dass auch die Kolleg:innen profitieren, wenn es der Firma gut geht.“ Ausbauen möchte der Betriebsrat die betriebliche Gesundheitsförderung. Heuer sei beispielsweise erstmals eine gemeinsame Wanderung geplant. Zur Verfügung gestellt würden nun Hustenzuckerl, letzteres vielleicht ein kleiner Punkt, aber gerade Trainer:innen seien ja auf ihre Stimme angewiesen.

„Wir schauen auch heuer darauf, dass auch die Kolleg:innen profitieren, wenn es der Firma gut geht.“

Christoph Erath

Kleiner Beitrag, großer Beitrag: Ja, vielleicht würde von manchen über einen Punkt wie Hustenzuckerl gelächelt, sagt Erath. Er verstehe auch, wenn von manchen Kolleg:innen Kritik komme, weil man sich in den Verhandlungen mit der Geschäftsführung oder in den KV-Runden nicht überall durchsetzen konnte. Die Rolle als Betriebsrat führe jedenfalls dazu, dass man von Kolleg:innen anders wahrgenommen würde und da komme eben nicht nur Lob und Zustimmung, sondern auch Kritik. „Ich verstehe alle Forderungen, aber man kann in Verhandlungen nicht alles zu 100 Prozent erreichen.“ Das Gros der Kolleg:innen sehe das auch so. Was er selbst vor allem in den KV-Verhandlungen bisher gelernt habe: nicht immer gehe es um die bessere Argumentation. „Es geht mehr darum, was man umsetzen kann.“

Ähnliches gelte übrigens auch für das Privatleben: Gerne würde er wie früher wieder öfter mit seiner Frau gemeinsam laufen gehen, Radtouren machen oder Brett- und Rollenspielabende mit Freund:innen genießen. Als Vater zweier Töchter, zwei und acht Jahre alt, stehe aber derzeit das unter den Hut-Bringen von Beruf und Familie für ihn und seine Frau im Vordergrund. Als Familie versuchen die vier zudem, so viel Zeit als möglich gemeinsam im Grünen zu verbringen.

Zur Person:
Christoph Erath, geb. 1981 in Bregenz, nach der Matura zunächst Beginn eines Wirtschaftsinformatik-Studiums, schließlich aber Wechsel zum Geschichte-Studium in Wien. Während des Studiums viele Jahre als Aufsicht im Kunsthistorischen Museum tätig, 2009 Quereinstieg als Deutschtrainer bei ipcenter, wo er bis heute beschäftigt ist, und dafür Nachqualifizierung im Bereich Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Fremdsprache sowie Ausbildung zum ÖSD-Prüfer (Österreichisches Sprachdiplom). 2022 Neugründung eines Betriebsrats im Unternehmen, seitdem ist Erath Vorsitzender des Gremiums. Er ist zudem neues Mitglied im Verhandlungsteam des Kollektivvertrags für Beschäftigte in privaten Bildungseinrichtungen (BABE).

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