Konkret zu helfen ist sehr erfüllend

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Als Betriebsrats-Vorsitzende des Hanusch-Krankenhauses hat Gerlinde Kandler gemeinsam mit der GPA eine Verkürzung der Arbeitszeit erreicht und ausverhandelt, dass alle MitarbeiterInnen, die sich vor und nach dem Dienst umkleiden müssen, rückwirkend mit Mai 2018 zehn Minuten Umziehzeit pro Tag ausbezahlt bekommen bzw. dies aktuell als Arbeitszeit angerechnet wird.

Um aktuelle Stimmungen einzufangen, geht sie mit ihrem Team in Blitzaktionen durchs Haus. Bei der persönlichen Abgrenzung hilft ihr die „Betriebsrats-Familie“.

Gerlinde Kandler ist seit 2017 Vorsitzende des Angestellten Betriebsrates im Hanusch-Krankenhaus. Nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau mit Schwerpunkt Rechnungswesen fing sie 1990 bei der damaligen Wiener Gebietskrankenkasse, in der Abteilung für Rezeptkontrolle an. Nach drei Jahren wechselte sie ins Spital und durchlief anfänglich als Springerin verschiedene Ambulanzen und Stationen der Verwaltung, bis sie schließlich im Rechnungswesen Fuß fasste, wo sie bis 2009 tätig war.

Einstieg als Betriebsrätin

Kandlers Einstieg in die betriebsrätliche Tätigkeit war ein pragmatischer: der damalige Betriebsratsvorsitzende Martin Holzmann fragte sie, ob sie die Belegschaftsvertreterin als Rechnungsprüferin unterstützen wolle: „Somit hatte ich Einsicht in alle Belege und gewann rasch einen Überblick über das Geschehen.“ Vor den Wahlen 2003 tat Kandler ihr Interesse an einer vertieften Mitarbeit kund: „In meinem Arbeitsbereich war ich immer schon eine Art Sprecherin für die anderen, wenn etwas nicht gepasst hat. Ich bin ein sozialer und gerechter Mensch und traue mich auch etwas zu sagen.“ Ihre Fähigkeit heikle Fragen auf den Punkt zu bringen und ihren Mut wollte Kandler den MitarbeiterInnen im gesamten Haus zur Verfügung stellen.

„Ungerechtigkeiten regen mich maßlos auf – so ticke ich eben.“

Gerlinde Kandler

So wurde die Gerechtigkeitsfanatikerin 2003 als ordentliches Mitglied in den Betriebsrat gewählt: „Ich wollte bei gewissen Sachfragen gerne als Betriebsrätin agieren können. Es regt mich wahnsinnig auf, wenn es nicht gerecht zugeht. Da kann ich dann auch mal lauter werden.“ Bei ihren regelmäßigen Rundgängen durchs Haus tauchte Kandler bald in die konkreten Problemlagen der Beschäftigten ein: „Manche hatten Probleme mit ihren Vorgesetzten, die meisten Beschwerden gab es aber zu den Dienstplänen. Viele KollegInnen empfanden die Einteilungen als ungerecht. Auf meinen Rundgängen kommt es oft zu spontanen Gesprächen, viele KollegInnen kommen mit konkreten Problemen direkt ins Betriebsratsbüro.“

Gerlinde Kandler ist seit 2017 Vorsitzende des Angestellten Betriebsrates im Hanusch-Krankenhaus.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Rechtliche Expertise durch Gewerkschaftsausbildung

Seit 2009 ist Kandler mit einer zweiten Kollegin dienstfreigestellte Betriebsrätin, insgesamt kümmert sich ein 15-köpfiges Betriebsrats-Team um die Anliegen der insgesamt 1600 angestellten ÄrztInnen, Pflegekräfte, Gesundheitsberufe und Verwaltungsangestellten. 15 KollegInnen stehen als Ersatz-Mandatare bereit.

Das Tätigkeitsspektrum des Teams ist sehr vielfältig: „Wir führen viele rechtliche Beratungen durch, es geht um Pensionierungen, Elternteilzeit oder Karenz. Oft unterstützen wir die KollegInnen dabei, Ansuchen zu schreiben oder begleiten sie zu problematischen Gesprächen.“ Rechtliche Expertise eignete sich Kandler über die Betriebsrats-Akademie an, auch als Arbeiterkammer-Rätin und als Laienrichterin am Arbeits- und Sozialgericht bekommt sie einen Überblick über aktuelle arbeitsrechtliche Entwicklungen und Entscheidungen: „Für mich ist es spannend zu lesen, was die Gutachter zu Themenbereichen wie Pflegegeldeinstufungen, Berufsunfähigkeitspensionen und anderen sozialrechtlichen Fragen wie Anfechtungen von Entlassungen ausführen – das hilft mir bei konkreten Beratungen im Betrieb manchmal weiter.“

„Zu spüren, dass ich konkret helfen kann, ist sehr erfüllend.“

Gerlinde Kandler

Durch die Betriebsratsakademie hat Kandler fachlich und menschlich „einen Sprung gemacht: „Ich habe für mein Netzwerk viele wichtige Kontakte geknüpft.“ Sie ist stolz auf das, was sie geschafft hat: „Ich kann anderen helfen und mein Wissen vermitteln. Zu spüren, dass man konkret helfen konnte, ist sehr erfüllend. Dabei spürt man persönliche Wertschätzung und Dankbarkeit.“

Sozialversicherungsreform

Wichtig ist Kandler, die auch im Landesfrauenvorstand der GPA engagiert ist, eine gute Gesprächsbasis zur Führungsebene: „Mit der Sozialversicherungsreform 2019/20 haben sich die Strukturen gravierend verändert. Vorher hatte ich regelmäßigen direkten Kontakt zur Generaldirektion und der Kollegialen Führung. Letzterer besteht auch heute noch, der neue Aufbau mit zentralisierten und schwerer unerreichbaren Führungspersonen ist gewöhnungsbedürftig. Direkter regelmäßiger Kontakt besteht nur zum Fachbereichsleiter.“ Als Zentralbetriebsrätin kennt sie zwar die neuen Vorstände: „Direkte Gespräche gibt es aber leider kaum mehr, die Kommunikation läuft hauptsächlich über den Vorsitzenden unseres Zentralbetriebsrates.“ Im März wurde Kandler zu einer seiner fünf StellvertreterInnen gewählt.

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Arbeitszeitverkürzung

Stolz ist Kandler darauf, dass der Betriebsrat des Hanusch-Krankenhauses nach wie vor jene Agenden direkt verhandelt, die für das Haus notwendig und wichtig sind: „Wir sind ein eigenes unabhängiges Gremium und haben unterschiedliche Bedürfnisse als andere Organisationseinheiten der Sozialversicherung.“ Aktuell wird darum gerauft, trotz eingefrorenem Dienstpostenplan ausreichend Personal für die Pflege und ÄrztInnen zu bekommen. Ein wichtiger Erfolg dabei ist die Umsetzung einer Arbeitszeitverkürzung für alle Vollzeit- und Teilzeitkräfte mit Jahresbeginn, dringend nach zu besetzende Jobs im Krankenhaus werden so attraktiver für Stellensuchende: „Es ist keine richtige Verkürzung über den Kollektivvertrag, wir lösen das mit Gutstunden: die Beschäftigten arbeiten weiterhin 40 Stunden, können aber im Folgemonat ihre Gutzeit vereinbaren und kommen so auf das Vollzeitäquivalent von 37,5 Stunden.“

„Durch die Arbeitszeitverkürzung werden wir als Dienststelle attraktiver – die Leute wollen das heute so.“

Gerlinde Kandler

Arbeitszeitverkürzung ist für Kandler das wichtigste Thema der nahen Zukunft: „Neben einem ordentlichen Gehaltsabschluss, der das Leben leistbar erhält, wollen die junge ArbeitnehmerInnen mehr Freizeit durch eine Arbeitszeitverkürzung, manche wollen grundsätzlich in Teilzeit arbeiten.“

Anrechnung von Umziehzeit als Arbeitszeit

Erfolgreich umgesetzt hat Kandler mit ihrem Team auch die Anrechnung der Umziehzeiten als Teil der Arbeit: „Seit Jänner gilt eine Betriebsvereinbarung, das Umkleiden passiert nun im Rahmen der normalen Arbeitszeit. Wir haben sogar ausverhandelt, dass seit Mai 2018 angefallene Umziehzeiten rückwirkend ausbezahlt wurden.“

Trotz vieler Erfolge gibt es in Kandlers Arbeitsalltag auch Ärgernisse: „Seit 2021 gibt es ein großes Projekt zum Thema ´Gewalt am Arbeitsplatz´. Dazu hat uns der Dienstgeber ein Sicherheitskonzept versprochen, auf das wir sehr dringend warten.“ Für Kandler ein wichtiges Thema: „Wir brauchen rasch präventive Konzepte um den Übergriffen von KollegInnen, BesucherInnen oder auch PatientInnen auf einer sachlichen und fundierten Ebene begegnen zu können.“

„Wir BetriebsrätInnen halten in schwierigen Zeiten zusammen wie eine große Familie.“

Gerlinde Kandler

Warten heißt es auch auf eine praktikable Lösung für schwangere Ärztinnen, die nach wie vor ab der 14. Woche aufgrund ihrer Dienstfreistellung die Überstundenpauschale verlieren und so starke Gehaltseinbußen erleiden. Geduld und Ausdauer zu zeigen, hat Kandler durch die Praxis aber auch in Kursen gelernt. Persönliche Betroffenheit aufgrund tragischer Situationen kann sie abseits der Arbeit ganz gut ablegen: „Ich schaffe es meist, den Schritt aus der Jobsituation hinaus ins Private zu machen und den Hut der Betriebsrätin in meiner Freizeit abzulegen.“ Dabei helfen regelmäßige Reflexionen und Gesprächsrunden mit anderen Betriebsrätinnen: „Da kann man sich aussprechen, wir helfen uns in schwierigen Situationen wie eine Familie.“

Kandler liebt ihre Tätigkeit, als Vorsitzende könne sie „glänzen, weil wir ein super Team sind: „Im Betriebsratsgremium leben wir solidarisch und besprechen alles miteinander. Es gibt viele KollegInnen, die sich konstruktiv einbringen und Ideen haben, gegenseitige Unterstützung ist dabei ganz wichtig.“ Mittels einer Betriebsrats-App erreicht sie die KollegInnen sehr direkt und unkompliziert: „Es ist eine wahre Errungenschaft für uns. Dienstordnung, Gehaltstabellen und Kollektivvertrag sind auf einen Klick verfügbar. Aktuelle Infos können rasch und zielgerichtet geteilt bzw. als Push-Nachricht verschickt werden.“

Direkter Kontakt ist wichtig

Kandler sucht regelmäßig den direkten Kontakt zu den MitarbeiterInnen und hat auch „keine Angst vor unangenehmen Wahrheiten: Als Betriebsrat gehen wir in sogenannten Blitzaktionen durchs Haus und machen uns ein Stimmungsbild. Wir sammeln Anregungen auf Kärtchen, so bleibt alles anonym.“ Kandler sieht sich als „Bindeglied zwischen DienstnehmerInnen und Dienstgeber: Meine Aufgabe ist es, bestehende Probleme anzugehen und zu lösen.“ Manchmal müsse sie aber „einer KollegIn erklären, dass der Dienstgeber sachlich Recht hat: Ich bleibe auch in solch unangenehmen Situationen pragmatisch.“

2024 stellt sich Kandler der Wiederwahl: „Es wäre meine letzte Funktionsperiode, ich würde mich freuen, nochmals Verantwortung zu übernehmen.“

Zur Person

Gerlinde Kandler ist seit 33 Jahren in der Sozialversicherung beschäftigt. Sie hat eine erwachsene Tochter und lebt in Wien. In ihrer Freizeit geht sie gerne mit ihrem Hund in die Natur, auch laufen und wandern stehen regelmäßig am Programm. Abseits ihrer Betriebsratsarbeit ist sie auch Mitglied des GPA-Bezirksforums für den 14. Bezirk.

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  • Franz Koskarti Mitglied des Zentralbetriebsrates der Österreichischen Gesundheitskasse und vertritt 12.000 Beschäftigte in ganz Österreich.
  • Mehr über die Rechte und Pflichten eines Betriebsrats verrät dir unsere Rechtsexpertin Andrea Komar.
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