Bindeglied zwischen Chef und Beschäftigten

Illustration: Peter M. Hoffmann

Der „Job“ eines Betriebsratsmitglieds ist kein einfacher. Immerhin gilt es, die Belegschaft
des Betriebes bestmöglich zu vertreten.

Neben zahlreichen Informations-, Interventions- und Beratungsrechten kann der Betriebsrat zu vielen betrieblichen Themen Betriebsvereinbarungen abschließen. Dazu gehören der Schutz der personenbezogenen ArbeitnehmerInnen-Daten, die Vermeidung von überbordender Kontrolle, Arbeitszeitmodelle, Digitalisierung im Betrieb, Ordnungsvorschriften (z.B. Rauch- oder Alkoholverbot) und vieles mehr. Um all diesen Aufgaben nachkommen zu können, müssen viel Zeit, Wissen und Elan investiert werden. Da die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder nicht von der Arbeitsleistung freigestellt ist, fallen sehr viele Aktivitäten in der Freizeit an.

Wochenendarbeit

Mila C. erzählt, dass sie die beiden letzten Wochenenden damit zugebracht hat, diverse Entwürfe einer Betriebsvereinbarung durchzusehen und zu kommentieren. Sie ist Betriebsratsvorsitzende in einem Handelsunternehmen, in dem Gleitzeit eingeführt werden soll. „Der Chef möchte am liebsten 12 Stunden Normalarbeitszeit pro Tag zulassen“, seufzt sie, „aber darauf steigt der Betriebsrat nicht ein. Für uns sind 10 Stunden das Maximum. Wir arbeiten sehr oft elf oder zwölf Stunden, da soll sich der Chef nicht auch noch die Überstundenzuschläge ersparen.“ Man muss immer wachsam bleiben, weiß sie, und das erfordert großes Engagement – auch am Wochenende.

Ständig erreichbar

Hannah M. arbeitet in der Behindertenbetreuung. „Die Arbeit ist körperlich schwer und psychisch belastend“, sagt sie. Als Betriebsratsmitglied steht sie ihren KollegInnen telefonisch rund um die Uhr zur Verfügung, sieben Tage die Woche. „Es gibt immer wieder Probleme“, zuckt sie die Achsel. „Da kann ich die Betroffenen nicht vertrösten, da muss ich für sie erreichbar sein.“
Michael P. steht vor einem ganz anderen Problem. In seinem Unternehmen wird umstrukturiert, viele Arbeitsplätze sind in Gefahr. „Ich werde oft noch spät abends angerufen, die MitarbeiterInnen sorgen sich um ihren Job“, berichtet er, „und ich verhandle nun schon seit Wochen mit unserem Chef. Auf die Gespräche bereite ich mich zu Hause vor. Da habe ich mehr Ruhe.“
Zeit für

Betriebsratstätigkeit

Natürlich fallen gewisse betriebsrätliche Tätigkeiten auch während der Arbeitszeit an: Gespräche mit ArbeitnehmerInnen, die Begehung des Betriebsgeländes oder Verhandlungen mit dem Arbeitgeber finden statt, wenn alle anwesend sind, also während der Arbeitszeit. Dafür muss einem Betriebsratsmitglied zwar genügend Zeit gewährt werden, doch der Chef nimmt, was das Arbeitspensum betrifft, darauf zumeist wenig Rücksicht. Eine finanzielle Vergütung für die Betriebsratstätigkeit gibt es nicht. Sie ist ein Ehrenamt. Betriebsratsmitglieder erzielen den ihrer beruflichen Tätigkeit entsprechenden Verdienst.

Freigestellte Betriebsratsmitglieder

Anders ist das bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Ihr Entgelt muss, wenn sie über einen längeren Zeitraum freigestellt sind, angepasst werden. Das bedeutet, dass eine berufliche Weiterentwicklung, die das Betriebsratsmitglied wahrscheinlich gemacht hätte, berücksichtigt werden muss. Man spricht in diesem Zusammenhang vom fiktiven Karrieresprung. Aber wieso liest man immer wieder von Betriebsratsmitgliedern mit Managergehältern? Solche Berichte sollte man nicht überbewerten. Zum einen handelt es sich dabei häufig um bereits jahrzehntelang freigestellte Betriebsratsmitglieder, bei denen natürlich ein fiktiver Karriereverlauf abgegolten werden muss. Zum anderen zeigt uns die Praxis, dass die überwältigende Mehrheit der Betriebsrats-
mitglieder mit Beschränkungen und Benachteiligungen gegenüber vergleichbaren ArbeitnehmerInnen konfrontiert ist, nicht mit Bevorzugung oder – wie es so schön heißt – „Anfütterung“.

Besonderer Schutz

Damit Betriebsratsmitglieder vom Arbeitgeber nicht unter Druck gesetzt werden können, unterliegen sie einem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Immerhin zeigen sie Missstände im Betrieb auf, fordern deren Behebung und setzen sich für die Interessen der Beschäftigten ein. Dabei können sie rasch in einen Interessenkonflikt mit ihrem Chef geraten. Wären Betriebsratsmitglieder nicht kündigungs- und entlassungsgeschützt, könnte der Arbeitgeber jedes „lästige“ weil sehr engagierte Betriebsratsmitglied sehr rasch „los werden“. „Betriebsrätin zu sein ist mitunter stressig, aber auch sehr schön und befriedigend“, resümiert Mila C. nachdenklich. „Es kostet Kraft, gibt mir aber auch Kraft. Jedes Mal, wenn ich einem Kollegen oder einer Kollegin helfen konnte, weiß ich, dass sich mein Engagement gelohnt hat.“

Was darf ein Betriebsrat?

Aus vielen Betrieben ist der Betriebsrat, die engagierte Interessenvertretung der Belegschaft, nicht mehr wegzudenken. Der Betriebsrat ist Bindeglied zwischen Belegschaft und Betriebsinhaber. Sein Zuständigkeitsbereich ist weit gefasst und betrifft alle Angelegenheiten, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der Arbeitnehmer/innen des Betriebes berühren.
In etlichen dieser Angelegenheiten kann er gemeinsam mit dem Betriebsinhaber verbindliche Regelungen (Betriebsvereinbarungen) treffen, die auf die Interessenlage der Beschäftigten Rücksicht nehmen und im Vergleich zu Gesetz und Kollektivvertrag günstiger für sie sind. Was Einzelne gegenüber dem Arbeitgeber oft nicht durchsetzen könnten, vermag der Betriebsrat durchzusetzen. Nicht umsonst heißt es: „Gemeinsam sind wir stark!“ Grund genug, etwas über die Rahmenbedingungen zu erfahren, unter denen Betriebsratsmitglieder tätig sind.

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