Bindeglied zwischen Pflegeeinrichtung und Gewerkschaft

Foto: Johannes Greß

Wenn die Bedingungen passen, können Pflegeberufe für junge Menschen sehr attraktiv sein, sagt Betriebsratsvorsitzende Sirena-Sophie Wannbacher. Sie fordert eine Arbeitszeitverkürzung und bessere Bezahlung.

Sirena-Sophie Wannbacher hatte sämtliche Warnungen ihrer Schwester ignoriert. Miese Bezahlung, unsägliche Arbeitszeiten, Zeitdruck, wenig Ansehen, kaum Aufstiegschancen.  „Geh‘ nicht in die Krankenpflege!“, warnte ihre 17 Jahre ältere Schwester. Eigentlich sei ihre Schwester ihr großes Vorbild. „Aber für mich war klar: Ich werde trotzdem gehen“. Und Wannbacher ist gekommen, um zu bleiben – und um an den Bedingungen in der Pflege etwas zu ändern.

Mitte Mai veröffentlicht die Volkshilfe die Ergebnisse des Sozialbarometers. Demnach würden 41 Prozent der Befragten dem eigenen Kind abraten, einen Pflegeberuf zu ergreifen. Doch Berufseinsteiger:innen wären dringend nötig. Bis 2030 braucht Österreich 70.000 neue Pflegekräfte, bis 2050 gar 200.000.

Liebe auf den ersten Blick

Sicher, es gebe im Leben auch einfachere Berufswege als den ins Pensionisten-Wohnhaus, sagt die heute 37-jährige Wannbacher. Schon als Kind besuchte sie ihre Schwester regelmäßig an ihrem Arbeitsplatz, war fasziniert von den vielfältigen Aufgaben in der Pflege, davon, wie ihre Schwester mit Klienten und den vielen Medikamenten umging. Fasziniert davon, wie ihre Schwester das alles schaffte. Nach dem Gymnasium war die Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin für Wannbacher der einzige logische Schritt – daran konnten sie auch die mahnenden Worte ihres Vorbildes nicht hindern. Für sie war klar, dass es für sie keinen „sinnbringenderen Beruf“ als die Pflege geben könne, wie sie mit Nachdruck betont.

Aus eigener Erfahrung weiß sie: Wenn die Bedingungen passen, kann man auch junge Menschen für Pflegeberufe begeistern. Zumindest für Wannbacher ist das von „Häuser zum Leben“ betriebene „Haus Döbling“ ein Ort, an dem die Bedingungen passen. Als sie das Pensionisten-Wohnhaus im Wiener Nordwesten das erste Mal betrat, „war ich vom ersten Moment an verliebt“, schwärmt sie. Dazu muss man wissen: Die Empfangshalle des „Haus Döbling“ gleicht eher der eines Hotels: sonnendurchflutet, weitläufig, mit üppigen Pflanzen und großen Fenstern ausgestattet. Laut Broschüre zählt es zu den „modernsten Pensionisten-Wohnhäusern in Wien“, die 252 Einzelbettzimmer erinnern eher an schmucke Altbauwohnungen als an klinisch-sterile Krankenzimmer. Eigentlich wollte Wannbacher maximal für ein Jahr im „Haus Döbling“ bleiben. Mittlerweile sind es neun. „Und ich glaube, ich gehe auch nicht mehr weg“.

Luxusschlüssel 1:7

Auch das „Haus Döbling“ hat seine Herausforderungen, aber insgesamt scheint hier weiter weniger im Argen zu liegen als anderswo. Auf ihrer Station umsorgen vier Pfleger:innen 28 Personen, ein Schlüssel von 1:7. Und ein Schlüssel, der zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber in vergleichbaren Einrichtungen in der Praxis kaum eingehalten wird. Krankenstände, Personalmangel, Kündigungen, Überbelegung stehen einem angemessenen Verhältnis von Pfleger:innen zu Patient:innen nur allzu oft im Wege, insbesondere wenn es um die Pflege von hochbetagten oder schwerkranken Bewohner:innen geht. Zwar sei auch die Bezahlung, für die Verantwortung, die sie täglich übernehmen, viel zu gering, sagt Wannbacher, aber in erster Linie ist es die Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung, die den Beruf für viele unattraktiv macht. Sie selbst habe anfangs 40 Wochenstunden gearbeitet, mittlerweile nur mehr die laut SWÖ-KV vorgeschriebenen 37 Stunden. Das mag nach einer minimalen Veränderung klingen – „aber das spürt man“.

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Wannbachers Station ziert eine Fotowand. „Frohe Ostern 2020“ steht da in großen Lettern, darunter Fotos, auf denen mit Masken und Hasenohren ausgestattete Pfleger:innen und Bewohner:innen in die Kamera winken. #Corona, #Frontliners oder #Patientfirst steht unter den Bildern. Die Stimmung im Team, der Zusammenhalt sei großartig, sagt Wannbacher. In so einem Beruf ist das das A und O.

Dass sie mit ihrem Team und Kolleg:innen im Haus gut kann, dürfte mit ein Grund gewesen sein, dass sie vor vier Jahren erstmals in den Angestellten-Betriebsrat gewählt wurde. Seit zwei Jahren ist Wannbacher Vorsitzende des fünfköpfigen Betriebsratsteams. Als solche ist sie 27 Wochenstunden freigestellt, zehn Stunden ist sie nach wie vor auf ihrer Station im Einsatz. Sie will am Ball bleiben, Kontakt zu Kolleg:innen halten – und ihren erlernten Beruf weiter ausüben können.

„Stimme nach außen“

Ihr Betriebsratsbüro sehe sie vergleichsweise selten von innen. Oft ist sie auf den Stationen unterwegs, tauscht sich mit Kolleg:innen aus, gibt Informationen über Kollektivvertragsverhandlungen und gewerkschaftliche Positionen weiter. Wichtig ist ihr eine enge Zusammenarbeit mit dem Arbeiter:innen-Betriebsrat, der die Techniker:innen, Abteilungshelfer:innen und das Küchenpersonal des Hauses vertritt. Mit deren Vorsitzenden tauscht sie sich wöchentlich aus. Die Interessen der Angestellten und Arbeiter:innen im Haus seien meist dieselben, ist Wannbacher überzeugt.

Foto der Betriebsrätin in ihrem Büro
Ihr Betriebsratsbüro sieht Wannbacher vergleichsweise selten von innen, ist sie doch meistens im Haus unterwegs.

Als Betriebsrätin sieht Wannbacher sich als eine Art Bindeglied zwischen Belegschaft und Gewerkschaft, als „Stimme nach außen“. Nach und nach habe sie festgestellt, Betriebsratsarbeit spielt sich nicht nur innerhalb des „Haus Döbling“ ab, sondern ist „ein großes Ding“. Betriebsratsarbeit bestehe nicht nur darin, den Laden im Innern am Laufen zu halten, sondern sich auch außerhalb Gehör zu verschaffen.

„Mit einer Verringerung der Arbeitszeit und besserer Bezahlung kann man auch sehr viele junge Menschen ins Boot holen und sie für den Beruf begeistern“

Sirena-Sophie Wannbacher

Wannbacher ist überzeugt: „Mit einer Verringerung der Arbeitszeit und besserer Bezahlung kann man auch sehr viele junge Menschen ins Boot holen und sie für den Beruf begeistern“. Sie weiß aber auch: Eine Arbeitszeitverkürzung wird – wie so viele politische und soziale Errungenschaften – nicht vom Himmel fallen.  Als Schnittstelle zwischen Pflegeeinrichtung und Gewerkschaft will sie ihren Kolleg:innen zeigen, „dass wir nicht alleine sind, dass Leute da sind, die für uns kämpfen, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben sollen“.   

Zur Person:

Sirena-Sophie Wannbacher, 37, machte ab 2007 die Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin und arbeitete anschließend in einem Akut-Krankenhaus, bevor sie 2015 ins „Haus Döbling“ wechselte. Seit zwei Jahren ist sie Betriebsratsvorsitzende. Wannbacher lebt in Maria Gugging (Klosterneuburg).

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