Gemeinsam sind wir stärker

Thalia-Betriebsrätin Nicole Vana räumt gerne Unstimmigkeiten und Konfliktsituationen aus dem Weg bevor sie eskalieren.
Foto: Nurith-Wagner-Strauss

Thalia-Betriebsrätin Nicole Vana will durch ihre Arbeit gewerkschaftliche Themen für ihre Kolleg:innen spürbar machen. Die täglichen Mühen beim Lösen individueller arbeitsrechtlicher oder zwischenmenschlicher Probleme scheut sie nicht. Der Warnstreik im Dezember habe breites öffentliches Verständnis für die Anliegen der Belegschaft geschaffen.

Nicole Vana, ist seit 15 Jahren in der Buchhandlung Thalia auf der Mariahilferstraße beschäftigt. Seit neun Jahren vertritt sie als Betriebsrätin die Interessen der über 80 Angestellten am Standort. Die Warnstreiks des Buchhandels Anfang Dezember 2023 waren für die engagierte 50-Jährige eine „ganz neue und wichtige Erfahrung: Es war eine anstrengende und aufregende Zeit. Ich habe einen großen Zusammenhalt gespürt, die Belegschaft hat gemeinsam etwas unternommen und auch bewegt. Wir wurden intern, von den Kund:innen und auch medial sehr stark wahrgenommen.“

Als die Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag (KV) Im Herbst letzten Jahres ins Stocken geraten sind, wollte man mit einem Streik, dem ersten im Handel seit vielen Jahren, Druck für einen guten Gehaltsabschluss zu machen. Vana hat dabei „hautnah erlebt, wie stark der Drang zur Mitbestimmung war: Es gab immer mehr laute gewerkschaftliche Stimmen, die in einer Arbeitsniederlegung die einzig wirksame Möglichkeit sahen, eine ordentliche Lohnerhöhung durchzusetzen.“

Kund:innen hatten Verständnis für den Streik

Als Belegschaftsvertreterin war Vana in die Vorbereitungen für den Streik von Beginn an involviert: „Wir waren im Vorfeld des zweistündigen Warnstreiks sehr gefordert und haben die Kolleg:innen informiert.“ Die Proteste sieht sie als „ein starkes Signal: Viele Kunden haben dadurch ein Bewusstsein für unsere Anliegen entwickelt. Durch die erzeugte Aufmerksamkeit hatten wir die Chance, der gesamten Öffentlichkeit zu erklären, wo die Probleme liegen und was wir erreichen wollen.“ So hatten die meisten Kund:innen Verständnis für die Anliegen der Thalia-Beschäftigten: „Wir haben vor Ort und auch in den Tagen nach der Arbeitsniederlegung viel positives Feedback bekommen.“

Dass es durch den Warnstreik am ersten Weihnachts-Einkaufssamstag zu gewissen Einschränkungen für die Kund:innen gekommen ist, sieht die ausgebildete Buchhändlerin als „notwendige Begleiterscheinung der ersten Eskalationsstufe einer Arbeitsniederlegung: Wir haben von 9 bis 11 Uhr vormittags bei laufendem Betrieb gestreikt. Die Filiale war zugänglich, Kassa und Verkaufsflächen waren durch andere Mitarbeiter:innen aus dem Unternehmen besetzt.“ Obwohl niemand daran gehindert wurde einzukaufen, sieht die Betriebsrätin den Warnstreik als „starkes Zeichen nach außen: Durch unser plakatives Auftreten sind wir mit vielen Besucher:innen ins Gespräch gekommen um zu erklären, dass wir durch die Aktion nicht unseren Arbeitgeber bestreiken wollten, sondern für einen Lohnabschluss eintreten, der es uns ermöglicht, die Teuerungen des Alltags wegzustecken.“

Den Abschluss sieht Vana als „guten Kompromiss: Unsere Forderungen lagen höher, aber wir haben erreicht, dass die niedrigsten Gehälter das meiste herausbekommen. Das ist wichtig, damit auch Lehrlinge und Beschäftigte der unteren Gehaltsklassen das tägliche Leben langfristig finanzieren können.“

„Als Betriebsrätin muss ich gut zuhören und mich in die Leute einfühlen. So gelingt es mir oft, Unstimmigkeiten aufzulösen, bevor sie eskalieren können.“

Nicole Vana

Dass sich Vana gerne und engagiert um die Anliegen ihrer Kolleg:innen kümmert, fiel auch einer ehemaligen Betriebsratskollegin auf, die Vana 2015 zwanglos gefragt hat, ob sie sich als Belegschaftsvertreterin einbringen möchte: „Ich habe oft arbeitsrechtliche und betriebsbezogene Fragen gestellt, die mehr als eine Person betreffen. Ich gehe gerne auf Menschen zu und habe dann mit den anderen im Gespräch mein Wissen geteilt.“

Durch ihre Funktion hat Vana eine „effektive Möglichkeit gefunden, Wünsche oder Beschwerden, die mehrere Kolleg:innen angehen, juristisch zu klären und dabei andere zu unterstützen: Es ist schon ein kleines Kunststück am Lohn- oder Gehaltszettel nachvollziehen zu können, was alles abgezogen wird oder was der Unterschied zwischen der Pendlerpauschale und dem Pendler-Euro ist.“

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Das notwendige Wissen hat sich Vana in den gewerkschaftlichen Basiskursen angeeignet, für sie ein „wichtiges Rüstzeug um arbeitsrechtliche Bestimmungen, Urlaubsrecht und andere Grundlagen richtig zu verstehen und anwenden zu können: Da muss man schon fit sein, das hat mich auch interessiert, mich in diese Bereiche einzulesen und dann den Kolleg:innen juristisches Basiswissen, mit dem man täglich zu tun hat, auch richtig erklären zu können.“ Also hilft Vana bei der Berechnung des Urlaubsanspruches ebenso wie beim Steuerausgleich, Freibeträgen oder der Abklärung von Ansprüchen fürs Jubiläumsgeld: „Nicht jede Berechnung ist fehlerlos, viele Unklarheiten lassen sich leicht lösen.“

Zuhören und Reden als Basisfähigkeiten

Auch gesamtbetrieblich wirkt Vana immer wieder an der Umsetzung von Projekten mit: „Ich möchte konkrete Verbesserungen für meine Kolleg:innen erreichen. Auch in die Lösung persönlicher Probleme bringe ich mich gerne ein, meist gelingt es uns gemeinsam sehr gut, potentielle Konflikte und Reibungspunkte aus der Welt zu schaffen. Es gefällt mir, Unstimmigkeiten auf dem direkten Weg zu lösen bevor sie eskalieren und Konfliktsituationen zu entschärfen.“

Für Nicole Vana hat Betriebsratsarbeit eine hohe demokratiepolitische Bedeutung: „Da geht es um Mitbestimmung und dass man versteht, dass viele Arbeitnehmer:innen, die gemeinsam für ein Anliegen eintreten und an einem Strang ziehen, weit mehr Kraft haben, als eine Einzelperson.“
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Obwohl sich manche Probleme inhaltlich wiederholen, gibt es kaum Themen, die Vana „auf die Nerven gehen: Manchmal muss ich klarstellen, dass auch Betriebsrät:innen die aktuelle Gesetzeslage nicht ändern können. Obwohl ich mir selbst auch eine sechste Urlaubswoche für alle wünsche, kann ich alleine das nicht umsetzen.“ Weil sie das Ohr nahe bei den Beschäftigten hat, weiß Vana über die Bedürfnisse und Befindlichkeiten ihrer Kolleg:innen gut Bescheid: „Es menschelt unheimlich in meinem Alltag, aber das stört mich nicht. Manchmal fungiere ich einfach nur als ´Klagemauer´ oder als `Mädchen für alles´, aber das ist phasenweise okay, wenn ich damit Ängste oder Unsicherheiten beseitigen kann. Durch Zuhören und miteinander Reden löst sich so manche Problemsituation rasch in Luft auf.“

„In den Beratungssituationen menschelt es oft gewaltig, aber das stört mich nicht, sondern hilft mir, individuelle Lösungen mit den Kolleg:innen zu erarbeiten.“

Nicole Vana

Manchmal bestünden einfach auch nur Unsicherheiten, viele wüssten nicht, wo man bestimmte Regelungen nachschauen kann. Da sei es ein großer Vorteil, „persönlich für die Kolleg:innen da sein zu können und zu helfen: Ich bin zwar nicht freigestellt, aber wenn sich Konflikte oder Verständnisfragen auftun, kann ich jederzeit in meiner Dienstzeit derartige Gespräche in Ruhe führen. Betriebsratsarbeit ist eine wichtige, nicht aufschiebbare Arbeit und hat daher Vorrang.“

Um weiterhin mit voller Kraft die Fragen und Befindlichkeiten der Kollegenschaft abfedern zu können, wünscht sich Vana „auch mal eine Schulung zur Verbesserung der eigenen Resilienz: So eine Fortbildung würde mich interessieren und stärken.“

Viel Kraft schöpft sie aus „gelungenen Beratungen, auch solchen, die soziale Härtefälle abfedern: Ich lebe vom Vertrauen der Kolleg:innen. Ohne konkrete Angaben kann der Betriebsrat oft nicht helfen, etwa wenn es um finanzielle Probleme oder Unterstützungsanträge geht. Um derart sensible und persönliche Themen abzuhandeln, braucht es schon ein extremes Maß an Vertrauen, das macht mich sehr stolz.“ Geholfen wird dann nach einem Gremiumsentscheid – mit Mitteln aus dem Betriebsrats-Fonds der Mitarbeiter:innen.

„Wichtige betriebsrätliche Arbeit, die nicht auffschiebbar ist, erledige ich in der Dienstzeit.“

Nicole Vana

Für Vana hat Betriebsratsarbeit eine hohe demokratiepolitische Bedeutung: „Da geht es um Mitbestimmung und dass man versteht, dass viele Arbeitnehmer:innen, die gemeinsam für ein Anliegen eintreten und an einem Strang ziehen, weit mehr Kraft haben, als eine Einzelperson.“ Vor allem junge Kolleg:innen würden durch „die betriebsrätliche Alltagsarbeit erkennen, dass wir, beispielsweise bei Gehaltsverhandlungen, gemeinsam stärker sind und welche Dynamik von einer gut organisierten Basis ausgeht: Ich möchte, dass die Anliegen der Gewerkschaft durch meine konkrete Arbeit für die Kolleg:innen spürbar werden und sie an konkreten Erfolgen sehen, wofür es betriebsrätliche Arbeit braucht.“

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