Die Arbeitgeber in der Druckereibranche haben ihre Verantwortung für den Kollektivvertrag abgegeben.
Kurzer Titel, große Wirkung – das trifft haargenau zu auf eine Presseaussendung, die am Nachmittag des 23. September 2016 veröffentlicht wurde: Unter dem Titel „Verband Druck & Medientechnik beschließt Statutenänderung“ teilte Verbandspräsident Gerald Watzal lapidar mit, dass die Hauptversammlung des Verbandes eine Statutenänderung beschlossen habe, infolge derer das Kollektivvertrags-Verhandlungsmandat nicht mehr ausgeübt werden könne. Im Klartext bedeutet das, dass die rund 10.600 Beschäftigten in der Branche in absehbarer Zukunft keinen Kollektivvertrag mehr haben.Sobald diese Statutenänderung von der Vereinsbehörde genehmigt ist, geht sie an das Bundeseinigungsamt, das dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Verband Druck & Medientechnik
die Kollektivvertragsfähigkeit aberkennt, wodurch der zurzeit gültige Kollektivvertrag erlischt. Bis dahin ändert sich nichts für die Beschäftigten; ist der Kollektivvertrag dann aber ganz offiziell außer Kraft gesetzt, bedeutet das nichts Gutes, wie der zuständige Wirtschaftsbereichssekretär in der GPA-djp, Christian Schuster, erklärt: „Das gibt den Arbeitgebern natürlich die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen zu verändern.“ Arbeitgeber könnten beispielsweise versuchen, Änderungen des Arbeitsvertrages wie längere Arbeitszeiten oder Verringerungen der Schichtzulagen zu vereinbaren. „Wir empfehlen deswegen dringend, einer Änderung des Arbeitsvertrages nicht ohne Rücksprache mit dem Betriebsrat oder ohne Beratung durch die GPA-djp zu vereinbaren“, so Schuster.
Gefahr für alle Interessenverbände
Der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Druck, Kommunikation, Papierverarbeitung in der GPA-djp, Michael Ritzinger, fühlt sich nicht nur von der Vorgangsweise, den Sozialpartner mittels Presseaussendung von diesem Vorhaben zu informieren, brüskiert: „Schließlich haben wir gemeinsam mit dem Verband zwei Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit der Modernisierung des Kollektivvertrags befassen, es waren auch einige Termine vereinbart.“ Aber auch die Begründung für diesen weitreichenden Schritt sei alles anders als nachvollziehbar. „Das von Verbandspräsident Watzal genannte Argument, dass die unternehmerischen Risiken bei der Anwendung des bestehenden Kollektivvertrages im Hinblick auf das novellierte Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz unabwägbar sind, können wir natürlich nicht nachvollziehen. Abgesehen davon, dass andere Branchen dieses Problem nicht haben: Die Regelungen im Kollektivvertrag sind ja nicht einseitig entstanden, sondern gemeinsam verhandelt worden.“
Davon abgesehen könnte dieser Schritt weitreichende Konsequenzen haben, befürchtet Ritzinger: „Hier geht es ganz klar nur darum, den Kollektivvertrag auszuhebeln. Das bedeutet eine Gefahr für alle, die einen Kollektivvertrag mit freiwilligen Interessenverbänden abgeschlossen haben und ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Kollektivverträge verändern will, indem man sie auf die betriebliche Ebene verlagert, um auf die Beschäftigten Druck ausüben zu können.“
Die GPA-djp setzt natürlich alles daran, für die Beschäftigten in der Drucker-Branche weiterhin einen qualitativ hochwertigen Kollektivvertrag zu erhalten. Die Ankündigung Watzals, dass es den Unternehmen in der kollektivvertragsfreien Zeit freistehe, mit ihren Beschäftigten neue Verträge auszuarbeiten, sei jedenfalls inakzeptabel, ergänzt Alois Bachmeier, stv. Bundesgeschäftsführer der GPA-djp: „Dieses angekündigte Freispiel für Unternehmen entspricht keinesfalls den Gepflogenheiten der Sozialpartnerschaft und ist sehr kurzsichtig.“ Natürlich gehe es auch darum, die WKO in die Pflicht zu nehmen: „Wir gehen schon davon aus, dass es auch nicht im Sinne der Wirtschaftskammer sein kann, es einzelnen Unternehmen zu überantworten, Verträge und damit Arbeitsbedingungen und Bezahlung ihrer Beschäftigten zu verhandeln.“
Wenn der Verband Druck & Medientechnik seine Statutenänderung mit Befürchtungen wegen des Lohn- und Sozialdumpingbe-kämpfungsgesetzes argumentiere, müsse die WKO außerdem als Vertreterin ihrer Pflichtmitglieder auch daran interessiert sein, einen für alle gültigen Kollektivvertrag abzuschließen, um Lohn- und Sozialdumping auch in Hinblick auf unlauteren Wettbewerb zu verhindern, so Bachmeier: „Es geht ja auch darum, sich dagegen zu wehren, dass durch regional unterschiedlich niedrige Kollektivverträge Spielraum für ausländische Anbieter mit Dumpingpreisen geschaffen wird.“
Betriebsräte signalisieren Kampfbereitschaft
Unter den Betroffenen herrscht jedenfalls große Unzufriedenheit, wie sich nicht nur bei einer BetriebsrätInnen-Konferenz in Leonding herausstellte, zu der die GPA-djp im Oktober geladen hatte: Die Kolleginnen und Kollegen seien entsetzt und sehr motiviert, sich für ihren qualitativ hochwertigen Kollektivvertrag einzusetzen, so der Tenor der Wortmeldungen aus allen Bundesländern.
Die Sicherheit, die nur ein flächendeckender Kollektivvertrag für die Beschäftigten bedeutet, müsse im Sinn der WKO sein, waren sich auch die TeilnehmerInnen der Konferenz einig. Deswegen wurde der einstimmige Beschluss gefasst, mit der WKO in Verhandlungen für einen österreichweiten Kollektivvertrag zu treten. Um die Beschäftigten über die weitere Vorgangsweise informieren zu können, wurde außerdem einstimmig beschlossen, laufend Betriebsversammlungen abzuhalten, die bereits im Oktober starteten. „Auch bei diesen Zusammentreffen zeigt sich eines klar und deutlich: Die Kolleginnen und Kollegen sind wirklich entschlossen und einig, diesen Affront der Arbeitgeber nicht widerstandslos hinzunehmen – das Vorhaben des Verbands Druck & Medientechnik werden wir mit aller Kraft zu verhindern wissen. Wir werden für einen fairen, qualitativ hochwertigen Kollektivvertrag kämpfen!“, fassen Ritzinger und Schuster die Situation zusammen.