Coronavirus-Fakes: Sie werden immer bedrohlicher!

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Wir stecken derzeit mitten in der sogenannten Coronakrise. Das Coronavirus SARS-CoV-2 prägt unseren Alltag, wir sind alle davon betroffen. Und es sind Krisenzeiten, die viele Falschmeldungen und vor allem auch Verschwörungsmythen fördern.

Das ist jetzt keine neue Erkenntnis, sondern tatsächlich schon länger bemerkbar. Selbst zu Zeiten der Pest im Mittelalter wurden schon Verschwörungsmythen angewendet und damit auch Feindbilder geschaffen.

So wurde im 14. Jahrhundert beispielsweise Juden angedichtet, sie seien für den Ausbruch der Pest verantwortlich, da sie angeblich Brunnen vergiftet hätten. Das dadurch errichtete Feindbild war eine Art Blitzableiter und führte auch zu Übergriffen auf Juden.

Man sieht also: Diese Mechanismen an sich sind nicht neu. Neu sind jedoch die Übertragungswege von Falschmeldungen und Mythen. Was früher noch von Mund zu Ohr geschah, wird heute über Social Media verbreitet.

Plattformen wie Facebook, Twitter und mittlerweile vor allem WhatsApp sind die von Falschmeldungen und Mythen stark betroffenen Kommunikationswege. Die Einfachheit, mit der man Informationen auf Social Media versenden und teilen kann, trägt viel zu der Verbreitung von Falschmeldungen bei.

Die neuen Gatekeeper

Was man grundlegend verstehen muss: Auf Social Media sind wir alle auf einmal zu Sendern geworden (Das ist eigentlich eine sehr gute Sache). Gleichzeitig hat sich aber auch die sogenannte Gatekeeperfunktion verlagert, welche im klassischen Sinne immer von Journalisten ausgeübt wurde.

Die Gatekeeperfunktion bedeutet, dass in den Medien Menschen darauf schauen, ob ein Inhalt zum einen überhaupt relevant ist, um gesendet zu werden, und zum anderen auch überhaupt stimmt. Das heißt, JournalistInnen haben in ihren jeweiligen Medien Sorge für diese beiden Punkte getragen.

Diese Funktion ist jedoch auf Social Media nun auf die NutzerInnen verlagert worden, und das unfreiwillig. Sprich: Auf einmal muss man selber entscheiden, ob der Inhalt, den man an andere Sendet, bzw. postet, auch wirklich relevant ist. Zudem ist die Empfängerschaft auf einmal dazu gezwungen, ebenfalls selbst zu prüfen, ob der empfangene Inhalt überhaupt stimmt. Das ist eine Ausgangsposition, die erlernt werden muss.

Faktenprüfen in Zeiten von Corona

Mehr denn je ist es daher derzeit wichtig, dass man die empfangenen Informationen auch prüft. Ist die Quelle belastbar? Von wem stammt überhaupt die ursprüngliche Information? Wer weiß etwas darüber? In der Krise zeigt sich auf einmal, wie wichtig eine Prüfung der Fakten ist, denn die derzeit auftauchenden Falschmeldungen und Mythen sind keineswegs mehr harmloser Natur.

Es hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass sich WhatsApp zu einer regelrechten Fakenews-Schleuder entwickelt hat. Warum ausgerechnet WhatsApp? Dazu kann man tatsächlich ein paar Angaben machen!

Informationen, die über WhatsApp empfangen werden, besitzen häufig eine Art Vertrauensvorschuss, da man den Absender der Mitteilung kennt.

In den meisten Fällen weiß man, von wem die weitergeleitete Nachricht stammt (auch wenn man nicht den Urheber der originalen Nachricht kennt), denn man hat den Kontakt ja im Telefonbuch abgespeichert. Man kennt sich in der Regel persönlich. Wenn man nun eine Nachricht über WhatsApp bekommt, hat man nicht nur ein Gesicht vor Augen, sondern sogar eine Stimme im Ohr, welche die Nachricht vorliest. In dem Moment entsteht eine gewisse Vertraulichkeit und man neigt dazu, den Inhalt schneller zu glauben, als wenn er auf einer öffentlichen Social Media Plattform wie Facebook erscheint.

Gleichzeitig stellen Mitteilungen über WhatsApp eine geschlossene Kommunikation dar. Die zumeist 1:1 verlaufende Gespräche können von außen nicht bewertet und somit im Negativfall auch nicht korrigiert werden. Wenn beide Gesprächspartner eine Falschmeldung nicht erkennen, bleibt sie unwidersprochen.

Hier zeigt sich erneut, wie wichtig es ist, dass man in der Lage sein sollte, Falschmeldungen anhand bestimmter Indizien zu erkennen.

Eskalationsstufen

Leider hat sich in den vergangenen Wochen ebenso gezeigt, dass die Radikalität der Falschmeldungen und Mythen zugenommen haben. Am Anfang waren es lediglich einfache Kettenbriefe oder Falschmeldungen bezüglich Coronavirus-Maßnahmen, die für etwas Unruhe und Irritation gesorgt haben.

Diese Irritationen ließen sich jedoch recht zügig aufklären. Sei es durch eine gute Pressearbeit von Behörden oder eine saubere Berichterstattung der Medien. Diese Falschmeldungen und Kettenbriefe wurden jedoch in einer zweiten Eskalationsstufe abgelöst.

In dieser Stufe traten auf einmal Videos auf, in denen verschiedene (selbsternannte) Spezialisten oder einzelne Fachleute ihre Meinungen und ihre Perspektiven darstellten. Dadurch war die Lage nicht mehr so einfach zu bewerten, da es sich um Meinungen und Interpretationen handelte, wo man nicht mehr pauschal mit „richtig“ oder „falsch“ urteilen konnte.

Die Intention dieser Videos lag darin, konträre Meinungen und Sichtweisen zu festigen, welche dem allgemeinen Konsens widersprachen. Das war speziell in Österreich nur sehr begrenzt erfolgreich, die Krisenkommunikation konnte die Zweifel recht gut abwehren. Zudem gab es auf politischer Bühne im Groben eine recht einheitliche Denkweise.

Dennoch findet mittlerweile eine dritte Eskalationsstufe statt, die wesentlich gefährlicher ist. In dieser Stufe kommen auf einmal Verschwörungsmythen zum Zug, die keinerlei Fakten- oder Beweisgrundlage haben.

Diese Mythen errichten jedoch Feindbilder, die auf der Metaebene wirken. Plötzlich geht es um Eliten, die Kinderblut trinken, welches in satanischen Ritualen gewonnen wird. Oder es geht um geheime Tunnelsysteme unter dem Central Park in New York, in denen angeblich tausende Kinder von den „Eliten“ gefangen gehalten werden.

Man bemerkt auf einmal, dass es nicht konkrete Vorwürfe gegen Regierungen oder Behörden gibt, sondern dass eine Vergleichsebene errichtet wird, in der pauschal von Obrigkeiten oder Eliten gesprochen wird.

Erschreckend sind Ausblicke auf mögliche weitere Eskalationsstufen, wenn man an dieser Stelle an den Fall zum Thema Pizzagate denkt [Anmerkung: Bei Pizzagate handelt es sich um einen Mythos, dass Hillary Clinton in einen geheimen Kinderpornoring verwickelt sei, der aus einer Pizzeria agiere. Angestachelt von dem Mythos stürmte ein bewaffneter Mann diese Pizzeria und gab dort Schüsse ab, verletzt wurde glücklicherweise niemand]. Da die Verschwörungsmythen kaum mehr intensiver werden können, liegt ein potenziell nächster Schritt in der realen Gewalt, die es dringend zu verhindern gilt!

Wie kann man Falschmeldungen erkennen?

Es gibt glücklicherweise ein paar einfache Schritte, mit denen man Falschmeldungen erkennen kann, bzw. zumindest einen Ansatz der Skepsis entwickeln kann, anhand derer man genauer hinschaut. Der erste Schritt liegt dabei beim eigenen Ich. Es geht darum, den eigenen Medienkonsum kritisch zu betrachten. Welche Informationen erwartet man zu lesen? Falschmeldungen haben es grundsätzlich einfach, wenn sie Meinungen und persönliche Befindlichkeiten verstärken.

Ein zweiter Schritt liegt darin, gewisse Erzählstrukturen zu erkennen und auf das sogenannte Framing zu achten. Framing bedeutet in diesem Fall, dass man mit bestimmten Begriffen und Schlagworten ein Bild in den Köpfen der LeserInnen aufbaut und damit eine Meinung erzeugt, ohne dass der Inhalt gründlich gelesen wird. Je stärker Schlagworte geformt werden, desto aufmerksamer sollte man werden!

In einem dritten Schritt ist ein Blick auf die Herkunft einer Information wichtig: Wer ist Urheber der Meldung? Handelt es sich um eine seriöse Medienwebseite mit einem ausführlichen und transparenten Impressum oder um einen anonym betriebenen YouTube-Kanal?

Anschließend nutzt man eine Suchmaschine, mit deren Hilfe man schaut, wer noch zu diesem Thema einen Inhalt veröffentlicht hat. Hier wird eine Art vergleichende Arbeit vorgenommen, bei der man nicht vergessen darf, auch die Referenzmedien auf ihre Seriosität zu prüfen.

Wenn man einen Kettenbrief oder ein Posting sieht, in dem ein Bild enthalten ist, empfiehlt es sich, dieses Bild in einer Bildersuche zu verwenden. Damit kann man erkennen, ob dieses Bild wirklich in den dargelegten Kontext gehört oder aus einer anderen Situation stammt. Man darf nicht vergessen: Bilder werden häufig missbräuchlich verwendet!

Zum Schluss gilt noch: Fragen sie jemanden, der sich mit dem Thema auskennt! Es gibt zu jedem Thema Personen, in deren Fachgebiet der Inhalt fällt.

Zur Person:
Andre Wolf ist Mitarbeiter bei mimikama – Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch und ZDDK – „Zuerst denken – dann Klicken“. Nach Theologiestudium und einigen Jahren Berufserfahrung als Verantwortlicher für Medien und Kommunikation ist nun die Analyse von Internetinhalten, speziell von Social Media, Wolfs Fachgebiet. Andre Wolf ist zudem beim Verein Mimikama als Blogger, Autor und Content- und Social Media Koordinator tätig.

Mimikama® 
ist eine internationale Anlaufstelle und ein Verein zur Aufklärung über Internetbetrug, Falschmeldungen sowie Computersicherheit und zur Förderung von Medienkompetenz sowie eine Beobachtungsstelle für Desinformation und Social Media Analysen.
www.mimikama.at

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