Wahlen in den USA: Trump oder Biden?

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Die Vereinigten Staaten von Amerika wählen am 3. November 2020 ihren nächsten Präsidenten. Wir haben die Wahlprogramme beider Kandidaten aus gewerkschaftlicher Sicht analysiert.

Die beiden Kandidaten, der amtierende republikanische Amtsinhaber Donald Trump und sein Herausforderer, der ehemalige US-Vizepräsident und Demokrat Joe Biden, liefern sich bereits seit Monaten einen erbitterten Wahlkampf. Dabei stehen persönliche Angriffe, Beleidigungen und völlig chaotische TV-Debatten im Vordergrund. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Wahlprogrammen und politischen Konzepten der beiden Widersacher gelangt dabei oftmals ins Hintertreffen. Wir haben deshalb in diesem Artikel die politische Ausgangssituation in den USA vor den Wahlen dargestellt, die Wahlprogramme der beiden Kandidaten in den wesentlichsten Bereichen unter die Lupe genommen und uns vor allem angesehen, wie sie sich zu gewerkschaftlichen und sozialpolitischen Themen positioniert haben.

„Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ ist gespalten wie noch nie

Die gesellschaftspolitische Lage in den USA ist nicht erst seit Präsident Trump angespannt. Die Politik vorheriger Regierungen und EntscheidungsträgerInnen des Landes hat bereits eine Vielzahl von US-AmerikanerInnen wirtschaftlich, sozial und politisch ins Abseits gedrängt. Schon seit Jahrzehnten zeichnet sich eine immer stärkere Polarisierung zwischen den AnhängerInnen der Republikaner sowie jenen der Demokraten ab. Trump nutzte den Unmut und die gesellschaftliche Spaltung im Land bereits 2016 überaus geschickt für seine Wahlkampagne. Seither lässt er mit seiner Politik und Rhetorik die Gräben zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen immer größer werden.

Eines der Resultate von Trumps Politik der Spaltung ist die Protestbewegungen „Black Lives Matter“. Anstatt durch politische Maßnahmen auf die systematische und tief verwurzelte Rassendiskriminierung zu reagieren, hat der Präsident die Radikalisierung und Bewaffnung selbsternannter „weißer Bürgerwehren“ öffentlich unterstützt und befeuert.

COVID-19 Pandemie trifft USA mit voller Wucht

Die weltweite COVID-19-Pandemie hat auch die USA nach wie vor fest im Griff. Präsident Trumps Umgang mit dem Virus ist von Leugnung, Verharmlosung, Unverantwortlichkeit und mangelhaftem Krisenmanagement geprägt. Bisher verzeichnen die USA an die 220 000 Corona-Todesopfer. Trotz der vergleichsweise weniger restriktiven Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus, leidet auch die US-amerikanische Wirtschaft stark an den Folgen der Pandemie. Im zweiten Quartal 2020 brach die Konjunktur gegenüber dem Vorjahresquartal um 9 Prozent ein. Die Arbeitslosenquote ist von 3,5 Prozent auf ca. 8 Prozent angestiegen – dabei ist von einer weitaus höheren Dunkelziffer auszugehen, weil viele vom System nicht erfasst werden. Eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung für arbeitslos geworden Beschäftigte, wie wir sie kennen, gibt es in den USA nicht. Ein rasanter Armutsanstieg unter der Bevölkerung ist daher die Folge.

Folgen des Klimawandels machen sich immer deutlicher bemerkbar

Auch wenn Präsident Trump den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Umwelt immer wieder leugnet, zeichnen sich die negativen Folgen dieser Bedrohung auch in den USA immer stärker ab. Teile des Landes hatten im Sommer mit starken Dürreperioden und völlig ausufernden Waldbränden zu kämpfen. Dennoch hat Trump zahlreiche Initiativen der Vorgänger-Regierung im Klima- und Umweltbereich gestoppt oder sogar rückgängig gemacht. Der Präsident hat auch die Produktion fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas wieder ausgeweitet und ist bekanntermaßen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen.

Wer steht wofür? Die Wahlprogramme der beiden Kandidaten im Überblick

Die Politik der letzten vier Jahre von Präsident Trump ist vor allem den Wohlhabenden im Land, die gleichzeitig auch seine Wahlkampfsponsoren waren und sind, zugutegekommen. Das zeigt vor allem die wirtschafts- und steuerpolitische Bilanz seiner Regierung. Als Paradebeispiel dafür dient die Senkung der Unternehmenssteuer von durchschnittlich 35 Prozent auf einheitliche 21 Prozent. Vor allem große Unternehmen und Konzerne profitieren von dieser Steuererleichterung enorm. Gleichzeitig hat Trump gewerkschaftliche Rechte und Schutzmaßnahmen für Beschäftigte stark eingeschränkt.

Aber auch Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden hat sich in seiner Zeit als Senator und US-Vizepräsident immer wieder für eine dezidiert neoliberale Politik stark gemacht. Er forcierte und unterstützte zahlreiche Deregulierungsschritte der Finanzmärkte, stimmte für Steuersenkungen Wohlhabender sowie Budgetkürzungen im Sozialbereich und gegen Ausgabenerhöhungen im Bundeshaushalt.

Wirtschaftspolitik

Beide Kandidaten stehen als Reaktion auf die wirtschaftlichen Einbrüche im Zuge der Corona-Pandemie für eine expansive Budgetpolitik. Konjunkturprogramme sollen die US-Wirtschaft wieder in Gang bringen. Sollte Trump die Wahl gewinnen, ist mit einer weiteren Senkung der Unternehmenssteuern und anderen steuerpolitischen Geschenken für große Unternehmen zu rechnen. Biden hingegen hat angekündigt, die Unternehmenssteuern wieder anheben zu wollen, zumindest auf 28 Prozent. Der Demokrat wird auch konkreter, was die Konjunkturbelebung anbelangt: Mittel für Forschung, Bildung, das Gesundheitswesen, Kinderbetreuung sowie Geld für die Kommunen soll bereitgestellt werden. Biden spricht sich auch für die Schließung von Steuerschlupflöchern aus und steht grundsätzlich für eine stärkere Regulierungspolitik im Finanz- und Wirtschaftssektor.

Handelspolitik

Präsident Trump verfolgt weiterhin den Abbau des US-amerikanischen Außenhandelsdefizites. Er spricht sich für Strafzölle gegen viele Handelspartner aus und steht für den Ausstieg oder zumindest die Neuverhandlung von bilateralen und multilateralen Handelsabkommen. Biden steht in der Handelspolitik für einen dezidiert liberalen Kurs und für den Abschluss weiterer Handelsabkommen. Lediglich gegenüber China verfolgt er einen ähnlich restriktiven Zugang wie Trump.

Umwelt-, Klima- und Energiepolitik

Trump spricht sich weiterhin gegen multilaterale Abkommen zum Klima- und Umweltschutz aus und steht für eine noch stärkere Förderung von Kohle und Erdgas. Er lehnt Regulierungen in diesem Bereich kategorisch ab. Biden hingegen setzt sich für eine Rückkehr der USA ins Pariser Klimaabkommen ein und unterstützt weitere Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Klima.

Innen- und Sicherheitspolitik

Trump und die Republikaner wollen mehr Mittel für die Exekutive bereitstellen, also den Polizeiapparat stärken und ausbauen. Sie stehen auch für eine restriktive Einwanderungspolitik und wollen die Zuwanderung soweit wie möglich begrenzen. Biden und die Demokraten sprechen sich für eine liberale Zuwanderungspolitik und den Schutz der Rechte von Minderheiten aus.

Gewerkschaftliche Organisierung und betriebliche Vereinbarungen

Biden unterstützt einen Gesetzesvorschlag zum Schutz des Vereinigungsrechts von Beschäftigten. Dieser sieht finanzielle Strafen für Betriebe vor, die eine gewerkschaftliche Organisierung durch Kündigungen oder andere Schikanen zu verhindern versuchen.

Unternehmen, die sich weigern mit den Betriebsgewerkschaften Vereinbarungen auszuhandeln, wären darüber hinaus gezwungen, zurück an den Verhandlungstisch zu kehren und einen Abschluss zu erzielen.

Trump hat während seiner ersten Amtszeit eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die es Unternehmen ermöglicht, Betriebsgewerkschaften praktisch ohne rechtliche Konsequenzen zu bekämpfen. Die ArbeitgeberInnen haben daher ihre Bemühungen enorm verstärkt, Beschäftigte daran zu hindern, sich gewerkschaftlich zu organisieren bzw. betriebliche Vereinbarungen aus zu verhandeln. Drei von vier Unternehmen in den USA stellen heute gewerkschaftsfeindliche Berater ein und geben jährlich insgesamt fast eine Milliarde Dollar aus, um zu versuchen, gewerkschaftliche Organisierungsbemühungen zu unterdrücken.

Diese gewerkschaftsfeindliche Haltung macht sich in weiterer Folge in anderen Ländern bemerkbar. Viele US-amerikanische Unternehmen setzen diese Kultur auch an den Standorten bspw. in Europa um. Vielfach lobbyieren ihre Handelskammern nationale Regierungen, um Arbeitsrechte abzuschwächen. Das bringt Mitbestimmungsrechte auf der ganzen Welt in Gefahr.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Biden fordert in seinem Programm, nicht nachvollziehbare Anstellungs- oder Einstufungsverhältnisse durch ArbeitgeberInnen zum Nachteil der Beschäftigten beenden zu wollen. Das betrifft vor allem die zunehmende Zahl an Scheinselbständigen. Dadurch würden gerade den ArbeitnehmerInnen im Bereich der Zustelldienste mehr Rechte und besserer Schutz zukommen.

Präsident Trump hat während seiner Amtszeit den Personalstand der nationalen Arbeitsaufsichtsbehörde, die vor allem die Richtigkeit von Anstellungsverhältnissen überprüft, um 20 Prozent verringert. Seine Administration hat dem weiteren Entstehen prekärer Arbeitsverhältnisse damit Vorschub geleistet.

Überstundenzuschläge

Während seiner Zeit als US-Vizepräsident hat Biden bei der Ausweitung der Überstundenzuschläge für Beschäftigte mitgewirkt. Mehr als vier Millionen ArbeitnehmerInnen haben davon profitiert.

Trump schaffte dieses Zuschlagsmodell kurz nach seinem Amtsantritt gänzlich wieder ab. Den Beschäftigten kostet diese Maßnahme jährlich mehr als 2,2 Milliarden. US-Dollar an Überstundenzuschlägen.

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz

Biden verpflichtet sich in seinem Programm, die Anzahl der InspektorInnen der nationalen Behörde für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA) zu erhöhen und ihre Kontrollen strenger auszugestalten. Vorgesehen ist außerdem, ArbeitgeberInnen künftig nicht mehr zu erlauben, Sanktionen gegen Beschäftigte einzuleiten, die Sicherheitsbedenken geäußert haben.

Trump hat die Zahl der OSHA-InspektorInnen während seiner Regentschaft drastisch reduziert. Dies hat vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie verheerende Auswirkungen. Der Präsident spricht sich unter dessen dafür aus, Unternehmen rechtliche Immunität zu gewähren, um sie vor Klagen von Beschäftigten in Zusammenhang mit fehlenden Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen im Rahmen der Corona-Pandemie zu schützen – sogar bei Krankheits- und Todesfällen.

Erhöhung des Mindestlohnes

In seiner Zeit als Vizepräsident hat Biden die Einführung eines Mindestlohnes von 15 US-Dollar pro Stunde in vielen US-Bundesstaaten begleitet und unterstützt. In seinem Wahlprogramm spricht er sich für eine Erhöhung des USA-weiten Mindestlohns von 7,25 auf 15 US-Dollar aus.

Trump hat in der Frage des Mindestlohnes bisher keine klare Stellung bezogen. Während des Wahlkampfes 2016 sprach er immer wieder von zu hohen Löhnen, gleichzeitig zeigte er sich aber auch offen für einen „geringen Mindestlohn“. Für den Juli 2020 kündigte Trump ein Statement zum Mindestlohn an, hat dieses aber bisher nicht abgegeben.

Umfragen sprechen derzeit relativ klar für Joe Biden

Aus gewerkschaftlicher Sicht lässt sich daher ableiten, dass Joe Biden in seinem Programm jedenfalls zahlreiche gewerkschaftliche Forderungen unterstützt und deshalb auch den Rückhalt einiger Gewerkschaftsbünde in den USA genießt. Trump hingen verfolgt eine eindeutig gewerkschaftsfeindliche Politik, die Organisationen der ArbeitnehmerInnen weiter schwächen und die Beschäftigten dadurch weiter benachteiligen würde.

Die bundesweiten Umfragen führt Joe Biden derzeit mit ca. 52 Prozent an. Der amtierende Präsident Donald Trump liegt bei etwa 42 Prozent. Das Wahlsystem der USA sieht jedoch vor, dass nicht die bundesweite Stimmenmehrheit entscheidend für den Wahlausgang ist, sondern die Ergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten.

Der Präsident wird nämlich durch sogenannte „Wahlmänner“ gewählt, die von den einzelnen „States“ entsendet werden. Gewinnt ein Kandidat also in einem Bundesstaat, erhält er von diesem die gesamten „Wahlmännerstimmen“ („winner takes it all“-Prinzip). Je nach Bevölkerungsgröße gibt es unterschiedlich viele „Wahlmänner“ pro Bundestaat.

Den Umfragen zufolge ergibt sich auch bei den Wahlmännerstimmen aktuell eine Mehrheit für Joe Biden. Vorsichtigen Einschätzungen zufolge liegt Biden derzeit bei ca. 269 relativ sicheren Wahlmännerstimmen. Trump hingegen käme auf ca. 125. Da sich in einigen Bundesstaaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen abzeichnet, sind 144 Wahlmännerstimmen derzeit nicht klar zuordenbar. Insgesamt gibt es 538 Wahlmänner. Jener Kandidat, der 270 erreicht, hat die Wahl gewonnen.

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