Barbara Teiber wurde im November 2020 nach einem turbulenten Jahr von knapp 600 Delegierten mit über 96 Prozent Zustimmung zur Vorsitzenden der Gewerkschaft GPA gewählt. KOMPETENZ traf sie zum Interview.
KOMPETENZ: Du warst vor deiner Wahl bereits zweieinhalb Jahre geschäftsführende Vorsitzende unserer Gewerkschaft. Welche Bilanz ziehst du?
Barbara Teiber: Es war in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Zeit, in der wir einiges erreicht
haben. Ich bin eine Woche nach der Verkündigung des 12-Stunden-Tags und der 60-Stunden-Woche Vorsitzende geworden. Wir haben mit den anderen Gewerkschaften über 100.000 Menschen auf den Heldenplatz mobilisiert und die Auswirkungen des Arbeitszeitverlängerungsgesetzes in den Kollektivverträgen abgemildert. Gleich darauf haben wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft die Unfallversicherung AUVA vor der Zerschlagung gerettet. Wir haben uns in die Pflegedebatte eingebracht und im Sozialwirtschaftsbereich die 37-Stunden-Woche ab 2022 durchgesetzt. Wir haben Missstände bei Amazon aufgezeigt und haben vor Gericht gegen Douglas gewonnen, weil das Unternehmen einer Mitarbeiterin, die einen Betriebsrat gründen wollte, zu Unrecht gekündigt hat. Und dann kam Corona und unsere Arbeit wurde noch einmal schwieriger.
KOMPETENZ: Stichwort COVID-19. Welche Rolle spielt die Gewerkschaft in so einer Krise?
Barbara Teiber: Wir sind ein wichtiger Faktor der Stabilität. Während in den ersten Wochen der Krise vieles aus den Fugen gelaufen ist, hat die Sozialpartnerschaft gezeigt, wie gut sie funktionieren kann. Wir haben binnen Stunden die Kurzarbeit mit der Wirtschaftskammer ausverhandelt und sie der Regierung unterschriftsreif vorgelegt. Damit haben wir zigtausende Arbeitsplätze gerettet. Wir haben die Corona-Schutzmaßnahmen im Handel vereinbart, damit die Heldinnen und Helden der Krise nicht dem vollen Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren. Wir haben auch die Ladenöffnungszeiten verkürzt. Gleichzeitig sind wir diejenigen, die über den Applaus hinaus für die Beschäftigten eintreten. Wir haben den Corona-Tausender gefordert, den ist die Regierung bis heute schuldig. In vielen Branchen haben wir aber bereits Prämien durchgesetzt.
Für uns ist klar, dass nicht schon wieder die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Krise zahlen können, sie tragen ohnehin schon rund 80 Prozent des Steueraufkommens.
Barbara Teiber
KOMPETENZ: Welche Herausforderungen siehst du nach der Gesundheitskrise auf uns zukommen?
Barbara Teiber: Da gibt es konkret zwei Punkte, die wir besser heute als morgen angehen müssen: Erstens erleben wir die größte Wirtschaftskrise der Zweiten Republik und die wird nicht einfach verschwinden. Wir müssen also Jobs schaffen, denn die Rekordarbeitslosigkeit ist eines der größten Probleme, die eine Gesellschaft haben kann. Der zweite Punkt betrifft die Frage, wer für die Krisenkosten aufkommt. Für uns ist klar, dass nicht schon wieder die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Krise zahlen können, sie tragen ohnehin schon rund 80 Prozent des Steueraufkommens. Wir treten für eine Millionärssteuer ein und wollen eine faire Besteuerung von Online-Giganten wie Amazon. Da werden wir nicht lockerlassen..
KOMPETENZ: Zum Thema Arbeitslosigkeit: Wie können Jobs geschaffen werden?
Barbara Teiber: Zum einen braucht es Investitionen in Zukunftsbereiche wie Pflege und Bildung. Gerade in der Pflege gibt es einen riesigen Personalmangel. Wenn die Regierung hier das Kompetenzwirrwarr beseitigt und Geld in die Hand nimmt, um den Beruf zu attraktivieren, dann können viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Zum anderen braucht es auch Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Dabei ist aber wichtig, dass die TeilnehmerInnen während der Zeit der Schulung auch leben können, sonst macht da niemand mit. Wir brauchen also eine Art Überbrückungsgeld. Drittens hilft eine Arbeitszeitverkürzung, um Jobs zu schaffen. Als Sofortmaßnahme haben wir das Modell „90 für 80“ vorgestellt: Vier Beschäftige reduzieren freiwillig ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent und bekommen dafür 90 Prozent Gehalt weiterbezahlt, die Differenz zahlt das AMS. Für die freiwerdende Zeit muss eine arbeitslose Person eingestellt werden. So gewinnen alle.
Du hast dich auch zur Höhe des Arbeitslosengeldes immer wieder zu Wort gemeldet. Warum?
Momentan werden zigtausende Menschen völlig unverschuldet arbeitslos. Von einem Tag auf den nächsten müssen sie mit 55 Prozent ihres Letzteinkommens auskommen. Ich habe mit Leuten gesprochen, die mir verzweifelt erzählt haben, sie wissen nicht, wie sie ihren Kredit abbezahlen sollen. Da brechen Welten zusammen. Gleichzeitig sind momentan die Chancen auf einen neuen Job extrem schlecht. Da braucht es einfach eine Erhöhung. Wir haben 70 Prozent des Letzteinkommens vorgeschlagen.
KOMPETENZ: Manche sagen, da wäre der Unterschied zwischen Arbeitslosengeld und Gehältern in manchen Branchen zu gering?
Barbara Teiber: Das sind interessanterweise meist die gleichen, die sich gegen eine Erhöhung der Gehälter in vielen Branchen aussprechen. Eine Abwärtsspirale kann aber niemand wollen. Arbeitslosigkeit in Kombination mit Armut führt oft zu Krankheit, manchmal auch zu Kriminalität. Ich kenne niemanden, der möchte, dass sich unsere Gesellschaft dorthin entwickelt.
KOMPETENZ: Was kann gegen Jugendarbeitslosigkeit getan werden?
Barbara Teiber: Wir brauchen einen Corona-Notausbildungsfonds, der Unternehmen unterstützt, die jetzt Lehrlinge ausbilden wollen, aber es nicht können, weil sie von der Krise stark getroffen wurden. Das darf aber keine Maßnahme mit der Gießkanne sein, wie das beim Lehrlingsbonus der Regierung der Fall ist. Wir brauchen auch mehr Geld für die überbetriebliche Lehre. Und wir müssen Studienplätze in Zukunftsbereichen wie Informatik aufstocken
KOMPETENZ: Themenwechsel: Unsere Gewerkschaft hat sich umbenannt. Wieso?
Barbara Teiber: Der Entscheidung ist ein langer Prozess vorausgegangen. Unser alter Name GPA-djp war eine sehr lange Aneinanderreihung von Buchstaben, seine Bedeutung „Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier“ nicht mehr zeitgemäß. Zum einen ist das Wort Privatangestellte nicht mehr häufig im Sprachgebrauch, zum anderen organisieren sich in unserer Gewerkschaft auch viele Arbeiterinnen und Arbeiter. Wir haben uns deswegen entschieden, künftig Gewerkschaft GPA zu heißen. Das GPA steht dabei für sich selbst, ähnlich wie bei OMV, voest oder REWE, wo die Buchstaben ja auch ohne ihre ehemalige Bedeutung alleinstehen.