Ein ungewöhnliches Familienmodell, ein strenger Personalchef und Erfolge bei Kochwettbewerben – das war für Rudolf Kaske Ansporn genug, um sich für die Interessen der ArbeitnehmerInnen stark zu machen.
Mein Vater war in der Metallbranche tätig, aber schon in Pension und Hausmann. Meine Mutter arbeitete im Krankenhaus Lainz. Ich war der vierte Sohn und Nachzügler. Also zog mich zu Hause mein Vater auf.“ Eine recht ungewöhnliche Familiensituation im Wien der 50er-, 60er- Jahre. „Heute arbeiten wir an diesem Gesellschaftsmodell“, erklärt Rudolf Kaske verschmitzt im Interview. Der inzwischen 58-Jährige trägt einen hellen Sommeranzug und eine sportliche Brille – er wirkt sehr solide, aber keinesfalls abgehoben. Kaske, den alle „Rudi“ nennen, ist Österreichs oberster ArbeitnehmerInnenvertreter. Als Chef der Wiener Arbeiterkammer (AK) ist er auch Präsident der Bundesarbeitskammer und übernahm bereits im Frühjahr die Agenden vom langjährigen AK-Präsidenten Herbert Tumpel. Im hellen Präsidenten-Büro im 5. Stock des AK-Gebäudes in der Prinz-Eugen-Straße dominiert der Blick ins Grüne, über die Baumwipfel des Belvedere-Gartens hinaus. Kaum zu glauben, dass man sich inmitten von Wien befi ndet. Kaum zu glauben auch, dass Rudi Kaske seit fast 40 Jahren ununterbrochen für österreichische ArbeitnehmerInnenorganisationen arbeitet. Woher stammt dieses Engagement?
Frühes Engagement
Kaske deutet mit dem Kopf in Richtung des Stadtparks und des großen Gebäudes des Hotels Inter-Continental. Er habe in einem der damals lediglich zwei Wiener Spitzenhotels Koch gelernt. „Unser Personalchef war Reservist beim Bundesheer, da war auch in der Küche der Umgangston etwas rauer.“ In dem US-amerikanischen Unternehmen gab es bereits eine Stechuhr. „Aber jeder, der in einem Dienstleistungsbetrieb arbeitet, weiß, dass ein Acht-Stunden-Tag nicht immer eingehalten wird“, so der AK-Präsident.
Die langen Haare sind längst einer strengen Kurzhaarfrisur gewichen. Aber damals, in den 70er-Jahren, sagte der Direktor dem Flower-Power-Anhänger Rudi und seinen Kollegen: „Hier habt ihr zehn Schilling, damit ihr zum Friseur gehen könnt.“ Den gab es im Hotel zwar und man nahm die zehn Schilling, aber die Haare ließ man sich erst recht nicht schneiden. Stattdessen setzte der junge Kaske ein Haarnetz durch, das es unter der Kochhaube zu tragen galt. Um den hygienischen Vorschriften in der Großküche zu genügen, versteckten manche ihre Haarpracht sogar unter einer Perücke. Er habe bei Kochwettbewerben mehrere Preise gewonnen, erinnert sich Kaske. Das habe ihm Selbstbewusstsein gegeben. Bald engagierte er sich als Mit-Initiator der „Initiative M“ wie „Mitbestimmung“. Das Ziel: Jugendlichen eine eigenständige Vertretung im Betrieb zu sichern. Als 1972 die Regierung unter Bruno Kreisky das Gesetz zur Gründung von „Jugendvertrauensräten“ beschloss, wurde Rudi Kaske einer der ersten Jugendvertrauensräte in Österreich.
1974 tauschte er die Kochstelle im amerikanischen „Interconti“ mit einer Anstellung bei der Gewerkschaft, wo er in verschiedenen Stationen die Karriereleiter weiter hinaufstieg. Zunächst war er Jugendsekretär der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD). Mit 32 Jahren wurde er deren jüngster Zentralsekretär – um 1995 Vorsitzender der Gewerkschaft HGPD zu werden.2006 übernahm er bis zum Vorjahr den Vorsitz in der neu gegründeten Gewerkschaft „vida“ (Spanisch: „Leben“), in der die Eisenbahner und die Vertreter für Handel und Verkehr mit den Beschäftigten aus dem Gastgewerbe-, dem Sozialund Gesundheitsbereich und den Dienstleistungsberufen in einer Gewerkschaft zusammengeschlossen wurden.
Überstunden reduzieren
Als Gewerkschaftsvorsitzender hat sich Kaske den Ruf erworben, durchsetzungsstark zu sein. Er ermöglichte etwa als HGPD-Chef die Fünf-Tage-Woche im Tourismus und als vida-Vorsitzender 1.300 Euro Mindestlohn für das Reinigungsgewerbe sowie im Hotel-und Gastgewerbe. Jetzt sind dem Präsidenten der Bundesarbeitskammer die vielen Überstunden ein Anliegen. Denn von den rund 300 Millionen Überstunden, die laut dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) pro Jahr in Österreich geleistet werden, sind 69 Millionen unbezahlte Überstunden. Kaske plädiert daher wie der ÖGB für eine Abgabe von einem Euro, die die Unternehmer pro Überstunde zahlen sollen. Diese Maßnahme könnte die Gesamtzahl der Überstunden reduzieren und ins Arbeitsmarktbudget und an die Krankenkassen fl ießen. Festhalten wird er auch an der Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche: Nach dem Rucksack-Prinzip sollen nach angesammelten 25 Beschäftigungsjahren egal bei wie vielen Betrieben alle ArbeitnehmerInnen darauf Anspruch haben.Neben Arbeit hat sich der neue AKChef Bildung als zweites wichtiges Thema vorgenommen. Insbesondere für die Fachhochschulen wünscht er sich mehr Fördermittel und mehr Studienplätze. Das ist für ihn auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. An Fachhochschulen studieren nämlich traditionell mehr Arbeiterkinder. Drittens setzt sich Kaske für „leistbares Wohnen“ nicht nur in den Städten ein: Es sollen verstärkt soziale, also staatlich geförderte Wohnungen gebaut werden, dabei aber auch die soziale Infrastruktur mitberücksichtigt werden. Damit meint er etwa den Ausbau des Angebots an Pfl ege und Betreuung sowie Kinderbetreuungsplätze. Die Arbeiterkammer sieht hier eklatanten Nachholbedarf insbesondere in ländlichen Gebieten und fordert, dass dafür mehr Geld aus den EU-Fonds verwendet wird. Schließlich seien diese Gelder nicht nur für die Landwirtschaft im engeren Sinn, sondern für die Entwicklung des ländlichen Raums generell gedacht.
Auf die Frage, was sich Kaske von den kommenden Wahlen erwartet, antwortet er: „Ich wünsche mir eine stabile Regierung, die Respekt vor den Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat und ihre berechtigten Anliegen ernst nimmt. Wir sind Anwalt der ArbeitnehmerInnen“, sagt der AK-Präsident. Wenn er das betont, drückt er auch seine Hoff nung aus, dass sich an den AK-Wahlen 2014 möglichst viele ArbeitnehmerInnen beteiligen. Daran will Kaske arbeiten, indem er unter anderem zahlreiche Betriebe in Wien besuchen wird. Zum Kochen hat er ohnehin kaum mehr Zeit. Außer es kommen Gäste, die er dann zu Hause gerne in die große weite Welt des Kochens entführt.