Pflichtpraktika: Prekär statt fair?

Foto: Nurith Wagner-Strauss
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Zwei aktuelle Studien der AK – Arbeiterkammer zeigen die teils prekäre Praktikumssituation der kaufmännischen SchülerInnen in Österreich. Probleme bei der Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz, schlechte Bezahlung, fehlende Arbeitsverträge und ausbildungsferne Aufgaben sind nur ein paar der Ergebnisse.

59 Prozent der befragten SchülerInnen sind mit der Gesamtsituation unzufrieden.

Obwohl man bei dem Begriff „Generation Praktikum“ meist an Studierende denkt, werden die Betroffenen doch immer jünger. Eine besondere Form des Praktikums ist das Pflichtpraktikum, dieses wird SchülerInnen und Studierenden von den Lehrplänen vorgeschrieben. Die Studierenden-Sozialerhebung 2016 zeigt, dass 2015 25 Prozent der 47.000 befragten Studierenden ein Pflichtpraktikum gemacht haben. Eine Erhebung der GPA-djp aus dem Jahr 2017 ergab, dass von 400 Universitäts- und FH-Studierenden sowie SchülerInnen aus BMS – Berufsbildenden mittleren Schulen, BHS – Berufsbildenden höheren Schulen oder sonstigen berufsbildenden Schulen 61 Prozent aller Studierenden und 82 Prozent aller SchülerInnen ein Pflichtpraktikum vorweisen müssen. Doch nicht nur die Zahl der Praktika nimmt weiter zu, sondern auch deren Dauer.

Seit dem Schuljahr 2014/15 sieht auch der Lehrplan der kaufmännischen Schulen HAK – Handelsakademie und HAS – Handelsschule verpflichtende Praktika vor. HAS-SchülerInnen müssen während ihrer dreijährigen Ausbildung 150 Arbeitsstunden vorweisen können, HAK-SchülerInnen sogar 300 Stunden in fünf Jahren. Doch obwohl das Bildungsministerium ein Praktikum in der Regel als ein „facheinschlägiges Arbeitsverhältnis mit Entlohnung nach dem Kollektivvertrag“ definiert, nutzen die Unternehmen die Hintertür „Volontariat“ schamlos aus.

Volontariate sind per Definition reine Ausbildungsverhältnisse, die dem Hineinschnuppern in bestimmte Berufe dienen. Man erhält dafür kein Geld, ist aber auch nicht weisungsgebunden. „Gibt es aber eine Bindung an die Arbeitszeiten, vorgeschriebene Tätigkeiten und kontrollierende Vorgesetzte, wie bei einem Praktikum, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis“, so AK Direktor Christoph Klein. Das große Problem: Kein Praktikum heißt keine Reifeprüfung, so lassen sich immer wieder SchülerInnen in Volontariate drängen.

2017, drei Jahre nach Einführung des Pflichtpraktikums in den HAK- und HAS-Lehrplänen hat die AK zwei Studien durchführen lassen, um die Lage der kaufmännischen SchülerInnen zu evaluieren. Zum einen ließen sie vom Institut für qualitative Lebens- und Arbeitsweltforschung Interviews mit 170 Jugendlichen durchführen. Zum anderen hat das ÖIBF – Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung 2.951 SchülerInnen befragt, wovon 2.168 das Pflichtpraktikum bereits hinter sich hatten. Die Ergebnisse der Befragung sind teils sehr ernüchternd.

Generell liegt die Unzufriedenheit der SchülerInnen mit den absolvierten Pflichtpraktika bei 59 Prozent, berücksichtige Aspekte waren hierbei die inhaltliche Qualität, die Bezahlung sowie die Rahmenbedingungen. Nicht nur, dass sich die Praktikumssuche oft schwierig gestaltet, 45 Prozent mussten ihr Pflichtpraktikum in einem Bereich machen, der kaum bis gar nicht zu ihrem Bildungsweg passte. Ein Drittel erhielt weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch einen Lohnzettel.

Besonders prekär ist die Lage der HandelsschülerInnen. Sieht man sich die Entlohnung der HAK- und HAS-PraktikantInnen an, so leisteten zehn Prozent Gratisarbeit und elf Prozent erhielten nur ein Taschengeld. Nimmt man jedoch nur die befragten HAS-SchülerInnen her, so liegt der Anteil derer die keinen Lohn erhalten haben, sogar bei 25 Prozent. Dank der Bemühungen der Gewerkschaft sind Pflichtpraktika inzwischen in der Hälfte der KV – Kollektivverträge für Angestellte verankert. Laut Handels-KV steht PflichtpraktikantInnen zumindest die Lehrlingsentschädigung des ersten Lehrjahres zu, Chemieindustrie und IT schließen sich mit 810 Euro und 903 Euro brutto an.

Die AK sowie die GPA-djp Jugend sehen die Unternehmen und die Wirtschaftskammer in der Verantwortung. Es wäre „die moralische Verantwortung der Unternehmen den Schülerinnen und Schülern gegenüber, dass es in Pflichtpraktika um Bildung geht und nicht ums Mappen einordnen“, lautet beispielsweise der Standpunkt von Susanne Hofer, Vorsitzende der ÖGJ – Österreichischen Gewerkschaftsjugend. Konkret fordernd AK und Gewerkschaftsjugend eine klare Definition von Praktikumsinhalten, ebenso wie die Einführung von überprüfbaren Qualitätsstandards. „Ein Praktikum ist kein Volontariat sondern ein ernst zu nehmendes Arbeitsverhältnis und behandelt eure Jugendlichen ordentlich, wenn ihr Fachkräfte für die Zukunft wollt.“ appelliert weiters AK Direktor Christoph Klein. Auch die Wirtschaftskammer soll Aufklärungsarbeit leisten und ihre Mitglieder darauf hinweisen, dass es sich bei Pflichtpraktika um Arbeitsverhältnisse handelt, die entlohnt werden müssen.

Die Plattform der Wirtschaftskammer Wien www.pflichtpraktikum.wien, wo sowohl SchülerInnen, als auch Unternehmen kostenlos inserieren können, ist vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung. Laut eigenen Angaben konnten über die Plattform bisher 67 Praktikumsplätze in Wien vermittelt werden.
Auch bei den Schulen sehen AK und GPA-djp Jugend durchaus noch Verbesserungspotenzial. Die Befragung ergab eine Benotung der „Unterstützung durch die Schule“ von 2,9 vor, 3,8 während und 3,3 nach dem Pflichtpraktikum. Zudem sollte Arbeitsrecht früher und verstärkt in den Unterricht einfließen. Sowohl bessere Schulungen für das Lehrpersonal als auch Vorträge von ArbeitsrechtsexpertInnen sind denkbar.

Alles in allem lässt sich festhalten, dass im Bereich „Praktika“ noch viel getan werden muss. Immer mehr SchülerInnen und Studierende müssen ein, zwei oder mehr Pflichtpraktika im Laufe ihrer Ausbildung absolvieren – Tendenz steigend.

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