Journalistische Leistungen auszulagern ist ein schlechtes Geschäft: Den Preis zahlen nicht nur die einzelnen Betroffenen, sondern auch der Journalismus insgesamt.
Eine sich abzeichnende Wirtschaftskrise der Sonderklasse bot eine ideale Kulisse, um ans Eingemachte zu gehen: Ein „Content Engine“ muss her, mit dem der Journalismus auf einen neuen Pfad gebracht und sich die „Presse“ in einem finanziell schwierigen Umfeld behaupten könne. Ungefähr so lautet die Kurzfassung der Argumentation, mit der vor gut zwei Jahren eine neue Firma unter dem Dach der zweitältesten Zeitung Österreichs geschaffen wurde, um gleich auch JournalistInnen auszulagern. Konkret bedeutete dies, dass die KollegInnen aus dem Schutz des Redaktions-Kollektivvertrags in den Geltungsbereich des Gewerbe-KV gehievt wurden. Für den Einzelfall bedeutete dies nicht nur eine mittel- bis langfristige Schlechterstellung, sondern es war auch ein völlig anderer Zugang zum Journalismus. Davon später, zunächst zu den verletzten Rechten der KollegInnen.
Sie mussten vom Betriebsrat beim Arbeits- und Sozialgericht geltend gemacht werden. „Mussten“ deshalb, weil sechs Monate lang sämtliche Versuche des Betriebsrats, eine Lösung durch Gespräche zu erzielen, vergebens waren. Langer Gerichtsverhandlungen, kurzer Sinn: Die KollegInnen, deren Dienstverhältnisse durch den Arbeitgeber aus dem Journalisten-KV in den Gewerbe-KV gehievt worden sind, befinden sich nun auch formal wieder dort, wo sie hin gehören: Im Verlag und im Wirkungsbereich des Redakteurs-KV.
Heißt nicht, dass alle Ungerechtigkeiten bereinigt werden konnten, nach wie vor sind KollegInnen im falschen KV. Die Groteske dabei: Sie waren noch nie dem richtigen KV zugeordnet, weshalb es ungleich schwieriger ist, sie dorthin zu bringen. Grotesk, aber nicht unlösbar, wenn auch nicht in diesem Anlauf.
Journalismus ist kein Gewerbe
Es geht beim Streit für den richtigen KV natürlich ums Geld, aber auch darum, dass ausschließlich in diesem Rahmenvertrag die passenden Regelungen für die Gestaltung der journalistischen Tätigkeit vorhanden sind. Der Gewerbe-KV ist für andere Berufsgruppen verhandelt und kann niemals den Arbeitsalltag eines journalistischen Betriebs abbilden und regeln.
Und: Mit der Zuordnung von Journalisten in den Bereich des Gewerbes wird diesem Berufsstand eine völlig andere Wertigkeit verliehen. Liegt es für Gewerbetreibende auf der Hand, erst einmal danach zu fragen, (ab) wann sich eine Gewerbetätigkeit denn rechnet, so muss es für JournalistInnen unerheblich sein, ob Recherche und Veröffentlichung eines Themas dem Unternehmen Geld bringen. Klar ist, dass journalistische Betriebe nur dann erfolgreich sein können, wenn sie positiv bilanzieren und Geld bringen, aber deswegen ist Journalismus noch lange kein Gewerbe und darf keinen gewerblichen Denkschemata folgen. Das sind zwei Paar Schuhe. Für JournalistInnen ist es oberste Aufgabe abzuklären, wie interessant und wie wichtig ein Thema ist – für die Zielgruppe, die Gesellschaft, die Demokratie…
Wenn jemand nun der Meinung ist, dass Journalismus diesem Anspruch zu wenig gerecht wird, so muss darüber ernsthaft diskutiert werden. Und wird es bereits – davon legt nicht zuletzt Nick Davies‘ Buch „Flat Earth News“ Zeugnis ab. Der britische Guardian-Journalist schildert darin die Prozesse, die dazu geführt haben, dass in den Redaktionen für investigative Recherche immer weniger Platz bleibt. Gefragt seien einfache, leichtgängige Themen. Dies bleibe nicht ohne Wechselwirkungen für Gesellschaft, Demokratie und wieder für den Journalismus – quasi eine Katze, die sich in den Schwanz beißt.
Kurzfristig zudecken, was langfristig falsch läuft
Auslagerungen sind ein Teil dieser Entwicklung und beschleunigen den Prozess. Auslagerungen enthalten viele versteckte Kosten, am teuersten kommt dabei wohl der Verlust an Vertrauen zu stehen. Denn Auslagerungen bedeuten auch den einseitigen Bruch einer Vereinbarung zwischen Betrieb und ArbeitnehmerIn: Mitten im Match werden die Spielregeln von Grund auf geändert. Auslagerungen sind in den allermeisten Fällen mit einer nachhaltigen Strategie unvereinbar und sollen kurzfristig verdecken, was auf lange Sicht falsch läuft. Deshalb sind Betriebsräte und GewerkschafterInnen für übers Knie gebrochene Auslagerungen nicht zu haben. Das als Mauern zu brandmarken, wäre ein bewusstes Missverständnis. Denn es gibt jede Bereitschaft und Offenheit, über sinnvolle neue Zugänge nachzudenken und zu reden.
Wie das konkrete Beispiel in der „Presse“ zeigt, sind Auslagerungen kein Schicksal, das Rad wurde zurückgedreht und es war eine Drehung zum besseren. Das Verhältnis zwischen Management und Belegschaft hat eine Belastungsprobe bestanden, Brüche sind vermieden worden. Darauf kann ein Umgang miteinander aufbauen.
[stextbox id=“info“ caption=“ Im Paragrafen-Dschungel“]
Wenn Auslagerungen vor der Tür stehen, dann hat ein Betriebsrat in jedem Fall Mitspracherecht. Es ist im Arbeitsverfassungsgesetz im Rahmen der wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte explizit verankert und mit der jüngsten ArbVG-Novelle präzisiert worden. In Frage kommen in erster Linie die Paragrafen 91, 108 und 109.
Kommt es tatsächlich zu einer unerwünschten Auslagerung, dann lohnt es sich, in einigen Paragrafen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) zu schmökern, um Anregungen zu finden, die unerwünschten Nebenwirkungen zu verringern oder auszuschalten. Insbesondere empfehlen sich in den Weiten des Paragrafendschungels des ABGB dessen § 879 (Sittenwidrigkeit) sowie § 1295 (Schaden durch Rechtsausübung). Anwendbar in jedem Fall sind außerdem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), unter Umständen auch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) und schließlich Wettbewerbsrecht (UWG). Unerlässlich ist es ebenfalls, die betreffenden Kollektivverträge gut zu kennen.
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