Crowdwork – digitale Akkordarbeit

Über eine Online-Plattform werden Arbeitsaufträge an eine große Gruppe
Über eine Online-Plattform werden Arbeitsaufträge an eine große Gruppe
von Menschen ausgeschrieben. Bild: Kanter – Fotolia.com

Wie eine neue digitale Form der Arbeitsorganisation die Arbeitswelt zu verändern beginnt.

Seit einigen Jahren sprießen immer neue Online-Plattformen aus dem digitalen Boden des Internets. Dabei werden über Plattformen die verschiedensten Dienstleistungen angeboten. Bei myhammer.at z. B. bieten Handwerker ihre Arbeitskraft nach dem Versteigerungsprinzip an. Bei bookatiger.at werden Reinigungskräfte vermittelt und Checkrobin.at bietet ein Paketmitnahmeservice.

Eine spezielle Form der Online-Arbeitsvermittlung ist „Crowdwork“. Auf Deutsch heißt das so viel wie „Arbeit der Masse“. Und ein bisschen kann man sich dabei schon vorstellen, worum es geht: Über eine Online-Plattform werden Arbeitsaufträge an eine große Gruppe von Menschen ausgeschrieben, die sich online um die Aufträge „bewerben“, die Arbeit online erledigen und die Ergebnisse für einen vorher festgelegten Lohn über die Plattform abliefern. Das Besondere: Große Arbeitsaufträge werden in viele kleine Arbeitsschritte zerlegt, parallel an viele Menschen vergeben und so in wenigen Stunden erledigt.

Beispiel Amazon

Amazon lässt über seine eigene Crowdwork-Plattform „Amazon Mechanical Turk“ Menschen bewerten, ob Plattencover jugendfrei sind oder nicht. Dabei wird die Bewertung jedes einzelnen Plattencovers als eigener Arbeitsauftrag ausgeschrieben, der jeweils mit einem kleinen Entgelt von weniger als einem Cent bezahlt wird. Laut einer Studie des deutschen Sozialministeriums beträgt die Bearbeitungszeit pro Auftrag in den allermeisten Fällen weniger als 15 Minuten. Amazon bietet heute die weltweit größte Crowdwork-Plattform weltweit an, mit rd. 500.000 registrierten Crowdworkern in 190 Ländern. Längst gibt es allerdings auch zahlreiche andere Plattformen wie „upwork“ oder „clickworker“, wo eine Vielzahl von Tätigkeiten – von Texterstellung, Übersetzungen, Programmieren bis hin zu Recherchetätigkeiten oder kreativer Arbeit wie der Erstellung von Logos – beauftragt werden.

Klar bietet diese neue Form der Arbeitsorganisation Chancen für viele Menschen, Arbeit zu finden. Gerade in der vorigen Finanzkrise ist die Zahl der Crowdworker deutlich gestiegen und hat für viele einen wichtigen (Zu-)Verdienst geboten. Auf der anderen Seite haben sich viele problematische Praktiken entwickelt. Die wahrscheinlich gravierendste: Die Plattformen stellen in der Regel keine Arbeitsverträge aus, sondern lediglich AGBs (Allgemeine Geschäftsbedingung). Wer sich auf der Plattform registrieren will, muss sie annehmen. ArbeitnehmerInnenrechte sind darin meist nicht vorgesehen. Studien zeigen, dass der Stundenlohn meist weit unter dem Mindestlohn liegt. Erschwert wird die Situation, weil oft nicht genug Arbeit da ist, und die Worker länger nach neuen Aufträgen suchen müssen. Diese Zeit bleibt unbezahlt. Auf den Plattformen herrscht außerdem ein hoher Konkurrenzdruck. Ein weiteres Problem ist, dass die Arbeitszeiten leicht aus dem Ruder laufen können. Besonders da viele die Online-Arbeit neben ihrem eigentlich Beruf oder der Ausbildung erledigen, ergeben sich lange Arbeitstage. Eine deutsche Studie zeigt, dass oft abends oder nachts gearbeitet wird – und das natürlich ohne Zuschläge. Und: Die Crowdworker kennen ihre Auftraggeber oft nicht und viele berichten, dass sie manchmal nicht einmal erfahren, warum eine Arbeit angenommen wurde oder nicht. Druck entsteht, weil die PlattformarbeiterInnen einer ständigen Bewertung unterliegen. Je nachdem wie gut ihre Ratings sind, steigen oder sinken die Chancen, in Zukunft Arbeit zu bekommen. Umgekehrt gibt es meist keine Möglichkeit, die Auftraggeber zu bewerten.

Genau dieses Machtungleichgewicht wollten sich einige Crowdworker nicht mehr gefallen lassen. In den USA haben sich erste Initiativen gebildet, bei denen sich Crowdworker beginnen zu organisieren und zum Beispiel ihre Auftraggeber bewerten und diese Informationen mit eigens programmierten Programmen den anderen zur Verfügung stellen. Wird fair bezahlt? Wird rechtzeitig gezahlt? Werden Arbeitsergebnisse oft ohne Begründung abgelehnt. All das sind Informationen, die für Crowdworker wichtig sind. Indem sie begonnen haben sich auszutauschen, erlangen sie ein kleines Stück an Macht in einem ungleichen Prozess.

Freilich, das Herstellen von gegenseitigem Vertrauen und Solidarität unter Menschen, die sich nie persönlich begegnen und auf Plattformen um Aufträge miteinander konkurrieren, ist eine Herausforderung. Die gute Nachricht aber ist: Es gibt erste Bewegungen, die genau das zum Ziel haben. Und hier kann auch ein Ansatzpunkt für Gewerkschaften sein, diese Menschen zu unterstützen beim Kampf für urgewerkschaftliche Ziele: faire Bezahlung und die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Mindeststandards, die Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Egal ob sie ihre Arbeit online oder offline erledigen.

Eine Studie des deutschen Ministeriums für Arbeit und Soziales zeigt: Crowdworker sind:

  • jünger als der Durchschnitt der Erwerbstätigen und eher ledig (76 %).
  • Viele (rd. 40 %) arbeiten nebenbei als Crowdworker und sind daneben abhängig beschäftigt (39 %) oder selbstständig (8 %) oder in Ausbildung (31 %).
  • 78 % geben ein insgesamtes monatliches Nettoeinkommen von unter 1.500 Euro an.
  • Fast 70 % der Befragten arbeiten noch nicht länger als zwölf Monate für die jeweilige Plattform.
  • 33 % geben an, über mehr als eine Plattform zu arbeiten.
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