Sie sind zu einem Teil der Normalität geworden: So genannte „Hasspostings“ im Internet, die sich beispielsweise gegen Flüchtlinge richten.
Als etwa die Tageszeitung Kurier über Gratisschwimmkurse für Flüchtlinge in Kärnten berichtete, erhielt deren Webseite Zuschriften mit dem Wortlaut: „Dann sollen sie doch ersaufen!“.
Jüngste Statistiken gehen davon aus, dass zwei Drittel aller InternetnutzerInnen bereits Zeuge von Hasspostings im Internet waren. In der Altersgruppe der 14 bis 24-jährigen haben sogar schon 91% so genannte „Hassrede“ oder „hate speech“ in sozialen Netzwerken, Internetforen oder Blogs gesehen.
Damit wird das Phänomen auch zu einem gewerkschaftlichen Problem. Bei einer derartigen Verbreitung ist die Chance, dass KollegInnen im eigenen Betrieb entweder direkte oder indirekte Opfer von „Hassrede“ im Internet wurden, oder aber selber Hasspostings in sozialen Netzwerken geschrieben oder begrüßt haben, ziemlich hoch.
Hassrede: Instrument rechter Stimmungsmache
Hassrede im Internet entsteht nicht zufällig. Sie ist ein bewusstes Mittel rechtsradikaler Organisationen um im eigenen Interesse Stimmung zu machen. Hassrede funktioniert auch, weil sie bereits vorhandene Stimmungslagen benutzt. So greift die in Österreich aktive rechtsradikale Gruppe der „Identitären“ Parolen gegen in Österreich lebende Menschen türkischer Herkunft auf, die in den letzten Wochen von PolitikerInnen verbreitet wurden.
So veröffentlichte die „Identitäre Bewegung Österreich“ Ende August auf ihrer Facebookseite ein Plakat mit dem Gesicht von Außenminister Sebastian Kurz. Auf diesem wird er mit den Worten zitiert: „Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen.“
Die Identitären nutzten dieses Zitat um eine Demonstration zu bewerben, die sich gegen in Österreich lebende Menschen richtete und deren Abschiebung in die Türkei forderte. Kurz hat sich von der Verwendung seiner Person auf einer rechtsradikalen Homepage bislang nicht distanziert. Die Facebook-Seite der Identitären wird von über 26.000 Personen „geliked“ und ist somit eine der erfolgreichsten politischen Onlineauftritte in Österreich. Zum Vergleich: Der ehemalige Bundeskanzler Werner Faymann schaffte während seiner Amtszeit „nur“ 24.000 „likes“.
Hier sieht man beispielhaft vorgeführt, was die deutsche „Amadeu Antonio Stiftung“ meint wenn sie schreibt: „Hate Speech funktioniert nur, wenn sie eine kollektiv verankerte Abwertung anspricht und in Einklang mit gesellschaftlicher Diskriminierung steht.“ Anders gesagt: Viele Menschen türkischer Herkunft haben in Österreich nicht die selben Rechte wie jene, die hier geboren sind. So dürfen viele MigrantInnen in Österreich nicht wählen. Gleichzeitig werden vor allem TürkInnen gerne von der Politik für viele Probleme im Land zum Sündenbock gemacht. Die von der Politik produzierten Vorurteile greifen Gruppen wie die Identitären dann im Internet auf.
In einem aktuellen Dossier definiert die Amadeu Antonio Stiftung Hassrede als „Oberbegriff für das Phänomen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Volksverhetzung.“ Und sie weißt darauf hin, dass Texte im Internet nur der Anfang einer Handlungskette sind: „die Aussage ‚Es sind doch nur Worte!‘ verharmlost so die Funktion von Hate Speech und leugnet die Verbindung zu Pogromen, Übergriffen und Ermordungen an Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Genders oder ihrer Sexualität. Dem Genozid in Ruanda ging eine hasserfüllte Radiokampagne voraus.“
Gewerkschaften gefragt
Bei all diesen Vorfällen ist gewerkschaftliches Handeln nicht nur gefragt, es ist sogar sehr nötig. In einem Interview für die Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft sprach Karl Öllinger von der Initiative „Stoppt die Rechten“ über „eine Vertrauenskrise in die politische Klasse“, die aufgrund der Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden sei. Diese Vertrauenskrise ermögliche es zum Beispiel Hans Christian Strache, auf Facebook selbst Falschmeldungen für seine Zwecke zu nutzen. Strache hat über 300.000 „likes“.
Es liegt im gewerkschaftlichen Interesse, dagegen Strategien zu entwickeln. „Die FPÖ geriert sich zwar als soziale Heimatpartei, doch in Wirklichkeit ist sie neoliberal,“ so Öllinger. Diesen Sommer berichteten diverse Medien, darunter „der Standard“, über einen Vorstoß der FPÖ zum Aufweichen kollektivvertraglicher Rechte.
Um arbeitnehmerfeindliche Positionen des deutschen FPÖ-Gegenstücks, der „Alternative für Deutschland (AfD)“ zu entlarven hat die Dienstleistungsgwerkschaft Ver.di unlängst eine Postkartenkampagne im ostdeutschen Bundesland Brandenburg gestartet. Neben der Kritik am fremdenfeindlichen Programm der AfD werden auch Programmpunkte wie etwa die gegen den gesetzlichen Mindestlohn gerichtete Forderung nach einer „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes aus gewerkschaftlicher Sicht kritisiert.
Auch in Österreich gibt es Ansätze. So hat die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien im Oktober des vergangenen Jahres ein Maßnahmenprogramm beschlossen. Sie will sich bemühen, „mittels seriöser Information über Fluchtursachen und Reichtum in Österreich mit ihren Publikationen und Medien aufzuklären, um den vielen Vorurteilen entgegen zu wirken.“
Hierfür können Gewerkschaften mit Gruppen zusammenarbeiten, die sich für die Entwicklung von alternativen Politikansätzen engagieren. Ein solcher Ansatz ist das Aufbruch Netzwerk, bei dessen Gründung über 1000 Menschen aus ganz Österreich teilnahmen. Gewerkschaftliche Mitarbeit an solchen Initiativen kann Gruppierungen wie FPÖ oder Identitären das Wasser abgraben.
Literatur:
Die beiden untenstehenden Links führen zu hilfreichen Informationen zum Thema.
https://no-hate-speech.de/de/wissen/
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf