Soziale und ökologische Kämpfe verbinden!

Foto: Markus Zahradnik

Statt Umwelt- und Sozialpolitik gegeneinander auszuspielen, muss es der Arbeitnehmer:innenbewegung gelingen, wieder „ein attraktives Bild der Zukunft zeichnen“. Im KOMPETENZ-Interview erklärt AK-Experte Lukas Oberndorfer, wie ein solches aussehen kann und welche Rolle die Klimabewegung dabei spielt.

KOMPETENZ: In jüngster Vergangenheit ist der Versuch, soziale und ökologische Konflikte zu verbinden, innerhalb der Arbeitnehmer:innenbewegung deutlich spürbar. Das war in den Jahrzehnten davor oft anders. Woher kommt dieser Impuls?

Lukas Oberndorfer: Einerseits wird die Klima- und Biodiversitätskrise im Alltag zunehmend wahrnehmbarer, unsere Mitglieder erleben unmittelbar, wie sich die Klimakrise zuspitzt. Bestes Beispiel dafür sind die verstärkt auftretenden Extremwettereignisse – wie zum Beispiel Starkregen und Dürre – die allein in Österreich mittlerweile Schäden von einer Milliarde Euro jährlich verursachen. Andererseits spielt das Erstarken der Klimabewegung ab 2019 eine Rolle, die die öffentliche Debatte verschoben hat und das Thema auch bei den Organisationen der Arbeitnehmer:innenbewegung präsenter machte. Auch an unserer Abteilung lässt sich das beobachten: Die hieß früher „Umwelt und Verkehr“, seit letztem Jahr heißen wir Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr. Innerhalb des ÖGB gibt es mit dem Klimabüro seit vergangenem Jahr eine eigene Einheit, die für Klimapolitik zuständig ist.

KOMPETENZ: Welches Potential sehen Sie in den Bündnissen zwischen der Arbeitnehmer:innen- und der Klimabewegung?

Lukas Oberndorfer: Ich sehe da viel Potential. Nehmen wir als Beispiel das Bündnis „Wir Fahren Gemeinsam“ zwischen der Gewerkschaft vida, der AK und der Klimabewegung. Sie setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Busbranche ein. Da die Emissionen des Verkehrs seit Jahrzehnten zu hoch sind und weiter steigen, ist ein Umdenken im Sektor dringend notwendig. Gleichzeitig hat die Liberalisierung des öffentlichen Straßenverkehrs in den letzten Jahren zu einer erheblichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geführt. Ein massiver Arbeitskräftemangel bei den Buslenker:innen ist eine Konsequenz davon. Dem Bündnis gelingt es, beide Entwicklungen geschickt miteinander zu verknüpfen: Nur wenn die Arbeitnehmer:innen im Verkehrssektor gute Bedingungen vorfinden, kann die dringend notwendige Mobilitätswende gelingen. In den letzten sechs Monaten konnte das Bündnis den Druck auf die Arbeitgeber stark erhöhen.

„Nur wenn die Arbeitnehmer:innen im Verkehrssektor gute Bedingungen vorfinden, kann die dringend notwendige Mobilitätswende gelingen.“

Lukas Oberndorfer

Das Abstrakte konkret machen

Klimaaktivist:innen haben in den Betrieben das Gespräch mit den Beschäftigten gesucht und konnten so viele Lenker:innen mobilisieren. Sollte es bei den kommenden KV-Verhandlungen im Herbst zu Kampfmaßnahmen kommen, haben die Klimaaktiven schon ihre Unterstützung zugesagt. Ich halte diese Bündnisse für sehr produktiv, beide Seiten können davon profitieren. Fragen des sozialen und ökologischen Umbaus wirken vielleicht abstrakt, aber konkret zu zeigen, wie Klimapolitik gestaltet sein muss, dass sie das Leben der Arbeitenden unmittelbar verbessern kann, ist eine gute Möglichkeit, um breite Mehrheiten für den notwendigen Umbau gewinnen zu können.

KOMPETENZ: Wieso gelang es in der Vergangenheit öffentlich oft kaum, die gemeinsamen Interessen von Arbeitnehmer:innen- und Klimabewegung hervorzuheben?

Lukas Oberndorfer: Ich glaube, das größte Problem ist die derzeitige Klimapolitik, die vor allem eine Politik des moralischen Zeigefingers ist. Die herrschende Klimapolitik ist einerseits dadurch gezeichnet, dass sie individualisiert und sagt „Du musst als Einzelperson die richtigen Entscheidungen treffen, damit es besser werden kann“ – die bessere Alternative wäre meiner Meinung nach, Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen, die einem klimafreundlich das Leben ermöglichen können. Zum anderen orientiert sich die herrschende Klimapolitik an Preissignalen. Es wird versucht, klimaschädliches Verhalten höher zu bepreisen, sprich: der Markt soll’s regeln.

Das gute Leben für die Vielen

Wir sehen zum einen, dass das nicht funktioniert, und zum anderen, dass bei so einem Ansatz vergessen wird, dass Umwelt- und Klimapolitik immer auch eine Gerechtigkeitsfrage ist. Die breite Masse hat bei marktbasierten Instrumenten zu Recht die Vermutung, die Reichen und Superreichen werden trotzdem weiter SUV fahren und Privatjets fliegen können, weil sie sich’s leisten können. Verständlicherweise sagen dann viele Menschen „Ich werde nicht zulassen, dass Klimapolitik auf meinen Schultern gemacht wird, dass ich die Kosten trage und Wohlstandsverluste in Kauf nehmen soll – während Reiche weitermachen können wie zuvor.“.

KOMPETENZ: Die Arbeiterkammer Wien hat unlängst einen Vorschlag präsentiert, wie es anders gehen könnte…

Lukas Oberndorfer: Alle interessenpolitischen Abteilungen des Hauses haben im vergangenen Jahr, auch in Abstimmung mit den Gewerkschaften, einen Plan für „sozialen und ökologischen Umbau“ erarbeitet. Mit dem Plan decken wir die gesamte Breite der Themen ab, in denen die AK die Interessen ihrer Mitglieder vertritt, von sozialen Dienstleistungen und Arbeitsrechten bis hin zur Verkehrspolitik. In jedem dieser Felder sind wir der Frage nachgegangen: Was muss passieren, damit wir einen sozialen und ökologischen Umbau hinbekommen, der für die Vielen funktioniert, der ihr Leben verbessert und es schafft, die Klimakrise einzugrenzen?

Klimapolitik „von unten“

KOMPETENZ: Klingt kompliziert…

Lukas Oberndorfer: Ja, aber wir haben versucht, nicht nur ein Expert:innenpapier zu schreiben, sondern auch eine Broschüre erstellt, die das für unsere Mitglieder und Stakeholder veranschaulicht. Darin wird auch ein „Vorher“ und ein „Nachher“ bildlich veranschaulicht: Wie sieht unser Leben jetzt aus – und wie könnte es nach einem sozialen und ökologischen Umbau aussehen? Wir haben beispielsweise gezeigt, wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs auch Vorteile für Pendler:innen, Fußgänger:innen, Radfahrer:innen – und für Arbeitnehmer:innen bringt. Wir glauben, dass die Arbeitnehmer:innenbewegung immer dann stark war, wenn sie ein attraktives Bild der Zukunft zeichnen konnte. Genau das haben wir mit diesem Plan versucht. 

„Wir glauben, dass die Arbeitnehmer:innenbewegung immer dann stark war, wenn sie ein attraktives Bild der Zukunft zeichnen konnte.“

Lukas Oberndorfer

KOMPETENZ: Wie war die Resonanz?

Lukas Oberndorfer: Das Papier hat schon in der Erstellung eine große Wirkung gehabt: Wir haben insgesamt 300 Rückmeldungen aus Diskussionen mit Gewerkschaften, Arbeiterkammern und den gewählten Vertreter:innen der Beschäftigten bekommen. Genau diese breite Diskussion brauchen wir, damit unser Ansatz aus den Arbeits- und Lebensrealitäten unserer Mitglieder informiert wird. Das Ergebnis ist etwa dafür gelobt worden, dass es eine Klimapolitik „von unten“ skizziert und dabei aufzeigt, dass die Zukunft nach dem Umbau positiv sein kann. Von Seiten der Wissenschaft und der Klimabewegung kam auch Anerkennung dafür, dass die AK als erste gesetzliche Interessensvertretung einen detaillierten Plan für den Umbau vorlegt, während die Seite der Wirtschaft in der Klimapolitik bisher vor allem eines macht: auf der Bremse stehen.

Lukas Oberndorfer ist Leiter der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr der AK Wien sowie leitender Redakteur der Zeitschrift Wirtschaft & Umwelt.

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