
Was zu tun ist, wenn Kinder oder andere Angehörige plötzlich krank werden.
Am Abend vor dem nächsten Dienst klagt die Tochter plötzlich über Bauchweh oder während dem wichtigen Termin meldet sich der Kindergarten, dass das Kind mit Fieber abzuholen ist. Diese Situationen kennen wohl alle berufstätigen Eltern. Herrscht dann in der Arbeit gerade großer Stress, stehen Eltern vor großen Herausforderungen.
In solchen Fällen gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegefreistellung, von dem Arbeitnehmer:innen Gebrauch machen können. Im Detail sind die gesetzlichen Regelungen jedoch oft komplex.
Was ist eine Pflegefreistellung?
Erkranken Angehörige oder muss ein Kind betreut oder bei einem Spitalsaufenthalt begleitet werden, so besteht Anspruch auf Pflegefreistellung. Vereinfacht heißt das, dass man nicht in der Arbeit erscheinen muss, sondern sich ganz auf die Pflege konzentrieren kann – unter voller Fortzahlung des Gehalts.
Dabei gilt: Auch regelmäßig erhaltene Zulagen und Zuschläge, anteilsmäßige Sonderzahlungen, Überstunden(pauschal)entgelte sind zu berücksichtigen. Schwankt das Arbeitszeitausmaß, so ist der Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen heranzuziehen.
Wann habe ich Anspruch?
Pflegefreistellung kann in drei verschiedenen Varianten in Anspruch genommen werden:
1.) Zur Pflege von nahen Angehörigen (Pflegefreistellung im engeren Sinn)
2.) Zur Betreuung von Kindern bei Ausfall der Betreuungsperson (Betreuungsfreistellung)
3.) Zur Begleitung von Kindern bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr bei stationärer Aufnahme in eine Heil- bzw. Pflegeanstalt (Begleitungsfreistellung)
Voraussetzung ist stets, dass der/die Arbeitnehmer:in alles Zumutbare unternommen hat, um die Arbeitsverhinderung zu vermeiden. Das heißt: Kann die Pflege, Betreuung oder Begleitung etwa von einer anderen geeigneten Person durchgeführt werden, so besteht der Anspruch auf Pflegefreistellung nicht.
Seit Ende 2023 kann für sämtliche im gleichen Haushalt lebende Personen, unabhängig von den Verwandtschaftsverhältnissen, Pflegefreistellung in Anspruch genommen werden. Umgekehrt besteht Anspruch auf Pflegefreistellung auch für nahe Angehörige, die nicht im selben Haushalt leben (zum Beispiel Elternteil).
Wie lange besteht Anspruch auf Pflegefreistellung?
Die maximale Dauer der Pflegefreistellung beträgt insgesamt eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit pro Arbeitsjahr. Konkret heißt das: Arbeitet man 20 Stunden pro Woche, stehen einem also 20 Stunden Freistellung zu. Dabei ist es unerheblich, ob gegebenenfalls auch mehrere Kinder oder (Haushalts-)Angehörige gepflegt werden müssen. Pflegefreistellung kann auch stundenweise und nicht nur in Form ganzer Arbeitstage konsumiert werden. Anspruch besteht bereits unmittelbar nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Wird der Anspruch innerhalb eines Arbeitsjahres nicht zur Gänze aufgebraucht, so ist eine Übertragung in das nachfolgende Arbeitsjahr aber nicht möglich.
Muss der Arbeitgeber benachrichtigt werden?
Wollen Arbeitnehmer:innen Pflegefreistellung in Anspruch nehmen, so muss der Arbeitgeber unverzüglich informiert werden. Eine bestimmte Form ist dafür nicht vorgesehen.
Die Pflegebedürftigkeit ist dem Arbeitgeber gegenüber auf Aufforderung auch nachzuweisen, zum Beispiel durch ein ärztliches Attest. Entstehen bei der Ausstellung des Attests oder einer vergleichbaren Bestätigung Kosten, so sind diese vom Arbeitgeber zu tragen.
Was gilt, wenn der Anspruch auf Pflegefreistellung bereits erschöpft ist?
Ist der Grundanspruch auf Pflegefreistellung im Ausmaß einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit pro Arbeitsjahr bereits verbraucht, ist man dennoch nicht komplett auf sich alleine gestellt. Denn bei Kindern unter 12 Jahren steht im Fall einer Erkrankung auch die erweiterte Pflegefreistellung zu, die ebenfalls eine Wochenarbeitszeit beträgt.
Voraussetzung ist jedoch, dass eine neuerliche Erkrankung vorliegt, in der Regel ist es also nicht möglich, die erweiterte Pflegefreistellung unmittelbar im Anschluss an die reguläre Pflegefreistellung in Anspruch zu nehmen.
Welche weiteren Regelungen gibt es?
Neben der Pflegefreistellung gibt es nämlich noch die Möglichkeit, persönliche Dienst-verhinderungsgründe § 1154b 8 Abs 3 AngG (für Angestellte) geltend zu machen. Dazu gehören unter anderem familiäre Pflichten. Voraussetzung ist, dass die Dienstverhinderung ohne das eigene Verschulden zustande kommt und verhältnismäßig kurz andauert. In der Praxis wäre das zum Beispiel der Fall, wenn die Schule unerwartet schließt oder man einen plötzlich schwer erkrankten Angehörigen im Spital besuchen muss
Für den Fall, dass die gesamte Pflegefreistellung bereits verbraucht ist, kommt dem/der Arbeitnehmer:in das einseitige Recht zu, Urlaub zu verbrauchen. In diesem Fall muss der Urlaub also nicht mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.
Dürfen Arbeitnehmer:innen wegen Pflegefreistellung gekündigt werden?
Nehmen Arbeitnehmer:innen Pflegefreistellung in Anspruch und werden sie deshalb vom Arbeitgeber gekündigt, kann die Kündigung bei Gericht angefochten werden. Alternativ kann Schadenersatz vom Arbeitgeber verlangt werden.
Auch die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund der Inanspruchnahme von Pflegefreistellung ist nicht zulässig. Da die Anfechtungsfristen äußerst kurz sind, sollte man auf jeden Fall rasch handeln!