
© Nurith Wagner-Strauss
Birgit Patzak-Windisch ist stellvertretende Betriebsrats Vorsitzende bei Erste Digital, der IT-Tochter der Erste Group. Für sie ist Solidarität ein Grundprinzip, das auch im digitalen Zeitalter nichts von seiner Stärke verloren hat. Dabei wurde sie von ihrer Großmutter inspiriert.
Immer wenn es Ärger mit den Eltern gegeben hat, wurde Birgit Patzak-Windisch von ihrer Zwillingsschwester vorgeschickt. „Das Verhandeln ist bei mir in der DNA festgelegt!“, erklärt die 49-Jährige mit einem Schmunzeln. Denn immerhin ist sie ja die Ältere. „Ich bin exakt 9 Minuten und 30 Sekunden früher geboren als meine Schwester“. Dabei unterscheiden sich die Zwillinge nicht bloß durch blonde und dunkle Haare, sondern vor allem durch ihr Auftreten. Birgit Patzak-Windisch geht auf Menschen zu und redet gerne mit ihnen, ihre Schwester bleibt lieber zurückhaltend und überlässt der Älteren das Parkett.
Die gebürtige Wienerin ist allerdings nicht die erste, die sich in ihrer Familie für andere einsetzt. Schließlich fungierte bereits ihre Großmutter in den 1970er-Jahren als Betriebsrätin des Warenhauses Gerngroß zudem war sie Kammerrätin in der Arbeiterkammer – eine „liebevolle, aber durchsetzungsstarke Frau, die sich zeitlebens für die Rechte anderer engagierte“, weiß Patzak-Windisch.
„Die Oma war ein großartiges Vorbild, ihr Leben war davon geprägt, für andere da zu sein.“ Doch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ist sich auch sicher: „Ihre Gegnerin hätte ich nicht sein wollen“.
Die Liebe zum Menschen
Den beruflichen Weg der Enkelin begleitete die Oma, die 94 Jahre alt wurde, mit guten Gesprächen und Lob: „Sie hat mir schon als Kind beigebracht man muss nicht laut sein, um stark zu sein, aber man muss mutig genug sein für andere einzustehen“. 2001 startete Birgit Patzak-Windisch im Erste Group Konzern in der Betriebsorganisation, leitete bald eine eigene Abteilung, übernahm 2005 die Funktion einer Ersatzbetriebsrätin und brachte 2007 ihre Tochter Anna zur Welt. Als Alleinerzieherin blieb ihr nur die Arbeit in Teilzeit übrig – allerdings in Großprojekten, die viel Verantwortung erforderten. Als ihre Tochter älter wurde, arbeitete sie wieder Vollzeit und brachte sich intensiv im Projektmanagement und im Betriebsrat ein. Beim Zusammenschluss zur Ersten Digital wurde sie zur Stellvertreterin der Betriebsrats-Vorsitzenden Elke Strasser gewählt. Seit Jänner 2024 ist sie für ihre Betriebsratstätigkeit freigestellt.
„Der Betriebsrat ist die Stimme der Belegschaft – aber auch eine Brücke zur Unternehmensleitung.“
Birgit Patzak-Windisch
„Ich bin leidenschaftliche Betriebsrätin, bin gut im Organisieren und sorge dafür, dass die Leute das bekommen, was sie brauchen.“, erklärt die 49-Jährige. Dabei hat auch der Lehrgang in der Betriebsrät:innen-Akademie (BRAK) geholfen. „Für die tägliche Praxis sind die Inhalte bis heute Gold wert. Ich konnte mich während der Ausbildung extrem weiterentwickeln“, ist Patzak-Windisch dankbar. Denn in der BRAK gab es tolles Feedback und Anregungen. Früher war sie eingeschüchtert wenn sie vor mehreren Menschen reden musste. „Heute fällt mir das freie Sprechen bei einer Betriebsversammlung vor 1.800 Menschen leicht.“
Das „echte Interesse für die Anliegen der Kolleg:innen“ macht gute Betriebsrät:innen aus. „Es geht darum, zuzuhören, unterschiedliche Perspektiven zu verstehen und verantwortungsvoll zu handeln“, gibt Patzak-Windisch Kolleg:innen, die sich für die Betriebsratsarbeit interessieren, mit auf den Weg. Teamfähigkeit, Fairness und die Bereitschaft sich in rechtliche und organisatorische Themen einzuarbeiten und die nötigen Kenntnisse zu erwerben, seien ebenso wichtig wie ein gutes Gleichgewicht zwischen Durchsetzungsvermögen und Dialogbereitschaft. Birgit Patzak-Windisch: „Der Betriebsrat ist die Stimme der Belegschaft – aber auch eine Brücke zur Unternehmensleitung.“ Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gibt aber auch zu bedenken: „Wir bekommen natürlich auch persönliche Schicksale und schwierige Situationen mit, das macht die Aufgabe sehr anspruchsvoll aber eben auch wertvoll. Wir können konkret helfen, mitgestalten und etwas für die Kolleg:innen bewegen“.
Für alle einstehen
Die rund 1.800 Mitarbeiter:innen der Erste Digital stammen aus vielen unterschiedlichen Nationen. Vielfältig wie die Belegschaft sind auch die Herausforderungen. Birgit Patzak-Windisch ist etwa Ansprechpartnerin für arbeitsrechtliche Fragen, die durchaus komplex sein können. „In einer Branche, die sich rasant verändert, in der Prozesse automatisiert und Strukturen ständig neu gedacht werden, ist es umso wichtiger, dass die Solidarität untereinander auch im digitalen Zeitalter ihre Kraft beibehält“, so die Betriebsrätin.
Betriebsratsgründung
Du denkst auch darüber nach, in deinem Betrieb oder in deiner Filiale einen Betriebsrat zu gründen? Ab fünf dauernd beschäftigten Mitarbeiter:innen habt ihr das Recht, eine Belegschaftsvertretung zu wählen! Deine Gewerkschaft GPA unterstützt dich dabei! Alle Infos zur Wahl und Unterstützung (auch nach der Gründung) erhältst du in deiner Regionalgeschäftsstelle. Für Nicht-Mitglieder ist eine Erstberatung kostenlos!
Mehr zur Betriebsratswahl findest du hier.
Agile Teams, hybride Kommunikation, Mitbestimmung auf Augenhöhe sind wichtige Aspekte in einem modernen Unternehmen. Doch das Ziel sollte sein: dass jede und jeder gehört wird. „Meine Großmutter wäre stolz darauf, dass ihre Werte heute in einer modernen IT Welt weiterleben und ich bin stolz jeden Tag in diesem Sinne für meine Kolleg:innen einzutreten.“
Zwar wächst die IT-Branche und ist wirtschaftlich stabil, doch die Auswirkungen der hohen Inflation machen auch vor den Kolleg:innen nicht halt. „Die steigenden Lebenserhaltungskosten sind branchenübergreifend eine große Herausforderung für alle Arbeitnehmer:innen in Österreich“, weiß die Wienerin.
Vielfalt als Stärke
Nach wie vor ist die IT-Branche männlich dominiert – der Frauenanteil liegt bei 20 Prozent, steigt aber kontinuierlich an. Birgit Patzak-Windisch arbeitet gerne im vielfältigen und internationalem Umfeld mit ihren Kolleg:innen zusammen. Besonders wichtig ist ihr, dass Frauen Entscheidungen, die für die gesamte Branche gelten, mitgestalten: „Frauen müssen auch auf Kollektivvertragsverhandlungsebene sichtbar sein – gerade in der IT“, stellt die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende klar.
Ihre Freizeit verbringt Birgit Patzak-Windisch, beim sportlichen Auspowern im Fitnessstudio. Auch Reisen und eine guten Lektüre am Strand genießt sie. Die gemeinsame Zeit mit der Familie – inklusive Labrador Bastian – gibt ihr Kraft. Tochter Anna engagiert sich derzeit in einem freiwilligen Sozialjahr und will im nächsten Herbst Medizin studieren. „Ich bin stolz auf Ihre Wertehaltung und auf den Mensch, der sie geworden ist“, stellt die Mama stolz fest. Auch sie hat noch längst nicht ausgelernt und büffelt für ihr Mediationsstudium an den Wochenenden. Dankbar ist sie ihrem Mann, der in den letzten Jahren einen großen Teil der Care Arbeit für seine Stieftochter übernommen hat und sie täglich unterstützt.
