Der Internationale Währungsfonds musste eingestehen, dass die verordnete Sparpolitik Griechenland völlig ruiniert. Trotzdem gibt es keinen Kurswechsel.
Die Hiobsbotschaften aus Griechenland reißen nicht ab. Immer liest man dieselben Meldungen: Griechenland verfehle die Sparziele aufs Neue. Bislang wurde dabei immer unterstellt, die Griechen würden die Sparpolitik nicht konsequent genug umsetzen und man müsse daher bei weiteren Hilfen besonders hart sein. Nun mussten die Sparprediger vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aber zugeben, dass die harten Sparprogramme die Schuldenkrise verschärft haben. Nur dass es sich hier nicht einfach um einen bedauerlichen Rechenfehler handelt – die Sparpolitik hat ein Land zugrunde gerichtet und Millionen Menschen den Arbeitsplatz gekostet.
In Griechenland wird derzeit brutal gespart. Die Sparpakete haben einen derart massiven Effekt auf die Wirtschaft und Beschäftigung, dass die Schuldenlast nicht geringer, sondern größer wurden. Es ist also das Gegenteil von dem eingetreten, was man erreichen wollte.
Die Relation von Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung, die so genannte Schuldenquote, erreicht ständig neue Höchststände. Das ist auch alles andere als verwunderlich: Ein Land, das kaputtgespart wird, wird von den Schuldenbergen erdrückt, da die Sparmaßnahmen zu einem zu starkem Einbruch der Wirtschaftsleistung führen.
Kaputtsparen
Die Sparpolitik zeigt mittlerweile gravierende Auswirkungen: Die Wirtschaftsleistung sank in Griechenland seit Ausbruch der Krise um rund ein Viertel, inzwischen ist jede/r vierte GriechIn und jede/r zweite jugendliche GriechIn arbeitslos. Die Mindestlöhne wurden um über ein Fünftel auf 586 Euro gesenkt, das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt knapp über 300 Euro. Doch die Last der Staatsschulden wurde immer drückender.
Genau dieser negative Effekt der Sparprogramme auf Wirtschaft und Beschäftigung ist sträflich unterschätzt worden, meint nun ausgerechnet der Internationale Währungsfonds. Der IWF hatte bislang Sparen grundsätzlich in jeder Situation eingemahnt. So werden Kredite nur dann an Staaten in der Krise vergeben, wenn diese sich zu harten Sparauflagen verpflichten.
Rechenfehler
Die negativen Auswirkungen der Sparprogramme in Griechenland, muss der IWF eingestehen, seien 2-3 mal so hoch wie bislang angenommen. Bisher war der IWF davon ausgegangen, dass die negativen Effekte etwa halb so hoch seien wie die Sparziele: Reduziert man beispielsweise die Staatsausgaben um eine Milliarde, sollte die Wirtschaftsleistung um eine halbe Milliarde schrumpfen. Demnach sollte die Verschuldung rascher sinken als die Wirtschaftsleistung.
Nun wurde aber errechnet, dass ein Sparprogramm von einer Milliarde zu einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 1 bis 2,5 Mrd. führen kann. Das heißt, obwohl man heftig spart, erhöht sich die Schuldenquote, da die Wirtschaft stärker einbricht als die Schulden sinken. Damit befindet man sich in einem Teufelskreis. Wirtschaftskrisen verstärken diesen Effekt noch.
Kurswechsel?
Kann man nun auf ein – wenn auch spätes – Umdenken beim IWF hoffen? Hier besteht leider kein Grund zu allzu großem Optimismus. Allenfalls wird der IWF darauf drängen, Griechenland mehr Zeit zu geben. Die harten Auflagen der Sparpolitik wie Sozialabbau, Lohnsenkungen, Privatisierungen, Abbau öffentlicher Beschäftigter und Kürzung der Staatsausgaben bleiben voll aufrecht. Auch in Portugal schreibt der IWF derzeit dieselben Maßnahmen vor: Der IWF verlangt die Kündigung von Staatsbediensteten, Pensionssenkungen, Einsparungen in der Bildung (!), im Gesundheitswesen und beim Arbeitslosengeld. Portugal steuert 2013 auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zu.
Investitionen notwendig
Gewerkschaften in Europa fordern einen sofortigen Kurswechsel, um den drohenden Zusammenbruch, der durch die Sparpolitik in Europa immer näher rückt, abzuwenden. Die Sparpolitik führt zu weiteren Jobverlusten und einer Verschärfung der Krise. Seit Ausbruch der Krise stieg die offizielle Arbeitslosigkeit in Europa um 10 Mio. Menschen von 16,8 auf über 26 Mio. an. Je länger die Politik des Kaputtsparens fortgesetzt wird, desto mehr Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert daher öffentliche Investitionen um die Beschäftigung wieder anzukurbeln. Konkret soll ein aus Steuern finanziertes und auf zehn Jahre angelegtes Investitions- und Aufbauprogramm initiiert werden. Dafür braucht es jährlich 260 Milliarden Euro. Die sollen u.a. über eine in allen 27 EU-Staaten erhobene Steuer von 0,1 Prozent auf alle Finanztransaktionen einschließlich des Devisenhandels zusammenkommen und in einen „Europäischen Zukunftsfonds“ fließen. Ein solches Investitionsprogramm hätte gerade in einer Krise einen besonders starken Effekt auf Wachstum und Beschäftigung.
Info: Der Internationale Währungsfonds
Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist eine Sonderorganisation der UNO mit Sitz in Washington. Der IWF hat zurzeit 187 Mitgliedstaaten, deren Stimmrecht sich an ihrem Kapitalanteil orientiert. Da die Beschlüsse im IWF mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden müssen, verfügen jeweils die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam de facto über eine Sperrminorität.
Wenn ein Mitgliedsland in Zahlungsschwierigkeiten gerät, kann es beim IWF Hilfe beanspruchen. Der IWF verlangt dafür aber immer die Umsetzung neoliberaler Politik in Form von „Strukturanpassungsprogrammen“ im Interesse der ausländischen Geldgeber und zu Lasten der einheimischen Bevölkerung.
Bedingungen für die Gewährung von Krediten sind etwa: Kürzung der Staatsausgaben, Steigerung des Exports, Liberalisierung des Bankenwesens, Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Sparkassen, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Telekommunikation usw., sowie Abbau öffentlich Beschäftiger. Vor Griechenland hat der IWF seine verheerende Politik vielen Entwicklungsstaaten aufgezwungen.