Die GPA-djp hat mittels einer österreichweiten Befragung der Angestellten im Handel die diesjährigen KV-Verhandlungen zu einer Bewegung gemacht.
Am 19. Oktober haben die Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag für die rund 450.000 Beschäftigten im Handel begonnen. Die GewerkschafterInnen fordern – gestützt durch eine umfassende Befragung der Handelsangestellten – weitreichende Verbesserungen für die Beschäftigten. Die Voraussetzungen für eine kräftige Gehaltserhöhung sollten gegeben sein: der Handel verzeichnete in den letzten Jahren trotz Wirtschaftskrise gute Umsätze. Das Lohnniveau in der Branche ist überreif für Verbesserungen. „Das Ohr der Arbeitgeber für die gewerkschaftlichen Forderungen hat sich in den letzten Gesprächsrunden geöffnet – aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen“, beschreibt Verhandler und Wirtschaftsbereichssekretär Manfred Wolf das Gesprächsklima in den Verhandlungen. Konkret setzt die GPA-djp in drei Bereichen an, um Verbesserungen für die Beschäftigten zu erzielen.
Mindestgehalt 1.300 Euro
Zum Ersten will man ein kollektivvertraglich festgelegtes Mindestgehalt von 1.300 Euro brutto monatlich durchsetzen. „Die Leistung einer Handelsangestellten in Vollzeit ist diesen Betrag wert und darum setzen wir uns dafür ein, dass eine 40-Stunden-Beschäftigung im Handel auch existenzsichernd wird“, gibt GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian vor.
Obwohl der Handel in den letzten Jahren trotz Krise stabile Umsätze verzeichnete, wird den Beschäftigten der faire Anteil an den Ergebnissen verweigert. Vor allem Frauen, Teilzeitbeschäftigte und WiedereinsteigerInnen können von ihrem Gehalt vielfach nicht leben und sind auf zusätzliche Einkommen angewiesen. Auch die niedrigen Einstiegsgehälter sind den GewerkschafterInnen ein Dorn im Auge: Sie erschweren die Familiengründung in einer Phase, in der junge Angestellte gerade auch im Hinblick auf Kreditwürdigkeit finanzielle Stabilität bräuchten.
Faire Abgeltung von Mehrarbeit
Die zweite Forderung der GewerkschafterInnen betrifft die faire und pünktliche Abgeltung der geleisteten Mehr- und Überstunden sowie von Vor- und Nacharbeitszeiten. Diese gehen durch lange Durchrechnungszeiträume von Arbeitszeiten oder verspätete Auszahlungen leider oft verloren. Eine Vereinfachung der Abrechnungen und die Abschaffung der Verfallsfrist von sechs Monaten für die Ausbezahlung von Überstundenzuschlägen wird daher gefordert. Diesbezüglich zeigte sich die Arbeitgeberseite bereits verhandlungsbereit. Auch jene Zeiten, in der die MitarbeiterInnen in der Früh Vorbereitungen treffen und nach Geschäftsschluss etwa Abrechnungen erledigen, müssen abgegolten werden.
„Die Arbeitszeit der Handelsangestellten deckt sich nicht mit den Öffnungszeiten des Betriebes. Darüber hinausgehender Arbeitseinsatz muss fair und rasch abgegolten werden“, fordert Franz Georg Brantner, Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches Handel in der GPAdjp. Auch eine generelle Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Gehalt soll andiskutiert werden.
Verbesserte Aus- und Weiterbildung
Als dritten Bereich will die GPAdjp die betriebliche Aus- und Weiterbildung verbessern. Sie erhebt Anspruch auf jährlich eine Woche berufliche Fortbildung auf Firmenkosten in der Arbeitszeit für alle im Handel Beschäftigten. In der Praxis sind gerade Teilzeitbeschäftigte oftmals von Qualifizierung und Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen. In der Folge verlieren sie oft den beruflichen Anschluss und müssen sich mit niedriger qualifizierten Tätigkeiten zufrieden geben.
Breite Unterstützung
Für ihre Forderungen haben sich die ArbeitnehmervertreterInnen breite Unterstützung in den Reihen der Beschäftigten geholt. In einer österreichweiten GPA-djp-Aktionswoche wurden vom 11. bis 15. Oktober rund 100.000 Angestellte in Einkaufszentren, Einkaufsstraßen und Bahnhöfen zu den zentralen Themen ihrer Arbeitsbedingungen befragt: Mindesteinkommen, Überstunden und Weiterbildung. Dadurch sollen die Angestellten noch stärker in die Kollektivvertragsverhandlungen eingebunden werden. „Denn viele arbeitsrechtliche Situationen verbessern sich messbar zum Positiven, wenn die Menschen besser informiert und eingebunden sind und der gewerkschaftliche Organisationsgrad steigt“, betont Franz Georg Brantner.
Die Ergebnisse der Befragung, die fast einer Urabstimmung glich, wurden der Öffentlichkeit im Detail beim GPA-djp- Bundesforum Anfang November vorgestellt. Sie fließen in ein arbeitsrechtliches Forderungsprogramm ein, das in diesem Jahr bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Arbeitgeberseite vorgelegt wird. Das ganz klare Ergebnis: Die Forderungen der Gewerkschaft decken sich mit den Anliegen der Beschäftigten im Handel. „Die Resonanz auf die Aktionswoche war gewaltig“, freut sich Manfred Wolf. „Es gab eine große Beteiligung von Menschen, die ansonsten wenig Kontakt mit der Gewerkschaft haben. Daher ist es ganz wichtig, dass die Anliegen der befragten KollegInnen in den Kollektivvertragsverhandlungen auch umgesetzt werden“, betont Wolf.
Auch die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für Lehrlinge sollen verbessert werden. In einem eigenen Lehrlingspaket fordert die GPA-djp die volle Übernahme der Internatsberufschulkosten durch den Arbeitgeber (rückwirkend mit 2010) und dass die Lehrlinge an der Prämie für den positiv absolvierten „Ausbildungsnachweis zur Mitte der Lehrzeit“ (Praxistest) beteiligt werden.
Einkommenspolitik für die Frauen
Eine deutliche Verbesserung für die Situation der Frauen erwartet sich Wirtschaftsbereichssekretärin Anita Stavik von einer kräftigen Gehaltserhöhung im Handel per 1. Jänner 2011: „Im Handel arbeiten bis zu 70 Prozent Frauen – daher hat jede Verbesserung der Einkommenssituation der Frauen auch automatisch positive frauenpolitische Effekte.“ Obwohl es im Krisenjahr 2009 Rückgänge in Teilbereichen gegeben hat, bleibt der Einzelhandel eine Konjunkturlokomotive und hat in keinem Zeitraum ein Minus geschrieben. „Jetzt geht es darum, die ArbeitnehmerInnen fair am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben zu lassen“, bringt Manfred Wolf die Forderungen der GewerkschafterInnen nochmals auf den Punkt.
Franz Georg Brantner, ZBR Herba Chemosan, Vorsitzender WB Handel in der GPA-djp:
„Wir haben die Beschäftigten am Arbeitsplatz besucht und ihnen Fragen gestellt – und aus der Gehaltsrunde diesmal eine Gehaltsbewegung gemacht! Mit unseren Zielen und Positionen sind wir bei den Menschen im Handel!“
Hans Jappel, ZBR Metro Cash&Carry:
„Viele Beschäftigte im Handel werden unter ihren Möglichkeiten und Qualifikationen eingesetzt. Berufliche Förderung und Weiterbildung dürfen für sie nicht länger nur ein Wunschtraum bleiben, Unternehmer müssen stärker in Personalentwicklung investieren!“
Alfred Greis, ZBR Billa:
„Alle Arbeitgeber müssen sich endlich an eine faire und pünktliche Abgeltung von Mehr- und Überstunden und auch der Vor- und Nacharbeitszeiten halten. Arbeitszeitaufzeichnungen und Zuschlagsregelungen sollen einfacher und transparenter werden!“
Margit Pfatschbacher, ZBR Interspar:
„Das Einkommen im Handel reicht vielfach nicht zur Existenzsicherung. Vor allem Frauen, Teilzeitbeschäftigte und Wiedereinsteigerinnen können von ihrem Gehalt oft nicht leben. Die Anhebung des Mindestgehalts auf 1.300 Euro ist daher ein Muss!“
Egon Karabacek, ZBR Spar:
„Der Handel ist der Konjunkturmotor in diesem Land – trotz Krise blieben die Umsätze stabil. Es ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet die Angestellten im Handel nicht endlich ihren fairen Anteil am Gewinn kriegen sollen!“