Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt ganz besonders für die Gesundheitsvorsorge. Dennoch schöpft die Prävention in Österreich ihre Möglichkeiten nicht aus.
Vom Gesundheitsministerium werden jährlich bescheidene 7,25 Mio. Euro in die Umsetzung von gesundheitsfördernden Aktivitäten investiert. Das Geld fließt in die Unterstützung von ExpertInnen-Netzwerken und lebensweltorientierten Projekten, wie zum Beispiel das „gesundheitsfördernde Krankenhaus“, Zahngesundheitserziehung im Kindergarten, Ernährungsberatung oder die „bewegte Schule“.
„Natürlich liegt die Verantwortung für die eigene Gesundheit auch beim Einzelnen selbst. Wir wissen aber aus zahlreichen Projekten, dass die Bedingungen, in denen Menschen spielen, lernen, arbeiten und lieben, ein wesentliches Risiko oder aber auch eine wichtige Ressource für ihre Gesundheit darstellen können“ erklärt Expertin Barbara Strunz, die mehr als sechs Jahre lang im Rahmen des Fonds Soziales Wien die Gesundheitsförderungsaktivitäten des Landes Wien steuerte.
Ressourcen der Menschen nutzen
Die Gesundheitsförderung will Rahmenbedingungen schaffen, in denen ein gesundes Leben erleichtert wird. Die Projekte setzen dabei nicht alleine beim Menschen an, sondern helfen mit, konkrete Lebenswelten und die Umwelt generell gesundheitsförderlich zu gestalten. Das passiert zum Beispiel durch mehr Turnstunden in der Schule, aber auch durch einen genauen Blick auf vorhandene, persönliche Ressourcen der Menschen – diese können durch günstige Rahmenbedingungen aktiviert werden. „In den Projekten wird oft sichtbar, was gesundheitsförderliches Verhalten unterstützen kann und das wird dann in der betroffenen Lebenswelt ausgebaut“, erklärt Strunz.
Auch die Sozialversicherung hat einen gesetzlichen Auftrag zur Gesundheitsförderung, der allerdings seitens des Gesetzgebers nicht ausreichend konkret formuliert wurde. Die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ist als Aufgabe der Unfallversicherung ebenso explizit verankert wie Unterstützungen in den Bereichen Kur und Rehabilitation. Der Aufgabenbereich der Krankenversicherung wird vom Gesetzgeber jedoch paradoxerweise primär darauf reduziert, Leistungen für den bereits eingetretenen Krankheitsfall zu erbringen.
Der gesetzliche Auftrag zur Gesundheitsvorsorge ist sehr dünn. Lediglich die Pflicht zum Angebot regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen ist verankert. Diese wurde im Jahr 2009 auch von beinahe einer Million Menschen in Anspruch genommen, mehr als 80 Millionen Euro wurden seitens der Krankenversicherung dafür aufgewendet. Weitere Maßnahmen zur Früherkennung und Verhütung von Krankheiten sind im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz als freiwillige Leistungen tituliert.
Dennoch haben die Krankenversicherungsträger dafür im Jahr 2009 insgesamt rund 123 Mio. Euro ausgegeben. Angesichts eines Gesamtbudgets von mehr als 14 Mrd. Euro ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Prävention zahlt sich aus
Im politischen Tagesgeschäft scheinen neue gesundheitsfördernde Aktivitäten schwer durchsetzbar: denn die Krankenversicherung trägt zwar die Kosten für die laufenden Projekte, einen unmittelbaren Vorteil in Form gesünderer Menschen und damit einer Kostenersparnis durch sinkende Behandlungskosten haben die Versicherungsträger aber erst in einigen Jahren zu erwarten.
Dennoch ist man sich in der Krankenversicherung der Bedeutung von Prävention bewusst und etabliert seit vielen Jahren verschiedene Gesundheitsförderungsprojekte, beispielsweise Raucherentwöhnungsprogramme oder Brustkrebs-Screenings, meist in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern auf Landesebene.
„Für uns sind gesundheitsfördernde Projekte vor allem deswegen wichtig, weil sie ein langfristiges Umdenken in der Lebensweise der Menschen und damit eine nachhaltige Verbesserung ihres Gesundheitszustandes bewirken können“, erklärt die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, Ingrid Reischl, warum die WGKK die Gesundheitsförderung als Investition in die Zukunft sieht. Die Betriebliche Gesundheitsvorsorge ist ihr ein besonderes Anliegen, denn „wir wollen gemeinsam mit den Betrieben Krankheiten am Arbeitsplatz vorbeugen und die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen stärken“.
WGKK setzt auf Gesundheitsförderung
In der betrieblichen Gesundheitsförderung kommen die Ansatzpunkte für gesundheitsfördernde Maßnahmen direkt von den MitarbeiterInnen und werden in Abstimmung mit der Unternehmensleitung umgesetzt. Dabei werden Arbeitsbelastungen jeglicher Art unter die Lupe genommen und es wird versucht, diese in Zusammenarbeit mit den Beschäftigten zu reduzieren. Derzeit werden seitens der Wiener Gebietskrankenkasse rund 60 Betriebe in Wien dahingehend beraten und betreut.
Derartige Projekte lohnen sich sowohl für die Beschäftigten als auch für die Betriebe, ist auch Expertin Barbara Strunz überzeugt: „Eine höhere Arbeitszufriedenheit verbessert das Betriebsklima auf vielen Ebenen. Gesunde und motivierte MitarbeiterInnen leben im Gesamten gesünder und erhöhen so auch die Produktivität und Qualität im Unternehmen“. „Die Identifikation der MitarbeiterInnen mit dem Unternehmen steigt und die subjektive Arbeitsbelastung nimmt ab“, umschreibt Strunz den Gewinn für alle Beteiligten.
Dennoch sieht Strunz den betrieblichen Bereich der Gesundheitsförderung zuwenig gesetzlich verankert: „Gesundheitsförderung und Prävention sollten auch im ArbeitnehmerInnenschutz gesetzlich mitbedacht werden.“
Mehr Mitbestimmung
Das GPA-djp Bundesforum fordert eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte der BetriebsrätInnen durch erzwingbare Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Allgemein gesetzlich geregelte Fürsorgepflichten des Arbeitgebers sollen dadurch konkretisiert werden. Das Ziel ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise eine gesundheitsförderliche Arbeitszeitgestaltung.