Datenschutzexperte Andreas Krisch im Gespräch mit der KOMPETENZ.
KOMPETENZ: Was bedeutet Digitalisierung konkret im betrieblichen Alltag?
Krisch: Es geht im Wesentlichen darum, betriebliche Abläufe mittels elektronischer Werkzeuge anders zu organisieren und durchzuführen. Es werden Arbeitsabläufe mitunter nur noch elektronisch durchgeführt. Außerdem findet auch sehr viel Kommunikation mit Kunden digital statt und auch Produkte werden digital abgestimmt. In der Autoindustrie ist es heute zum Beispiel so, dass kaum zwei wirklich baugleiche Fahrzeuge vom Band laufen, obwohl die ganze Produktion sehr stark automatisiert ist.
KOMPETENZ: In welchen Branchen schreitet die Digitalisierung besonders rasch voran?
Krisch: Ich denke, das geht quer durch den Gemüsegarten, also auch in Branchen, wo man es eher nicht vermuten würde. In der Industrie zum Beispiel ist die Digitalisierung ein sehr großes Thema, aber natürlich auch sehr stark bei der wissensbasierten Dienstleistung, bei Bürotätigkeiten, aber auch im Handel. Es wird die Inventarisierung zunehmend digitalisiert. Insofern ist es ein Trend, der sich quer durch die Branchen zieht.
KOMPETENZ: Gibt es Unterschiede nach Betriebsgröße?
Krisch: Großbetriebe haben natürlich eine andere Ausgangssituation und sind wahrscheinlich eher in der Lage, den aktuellen Trends zu folgen, weil sie auch wirtschaftlich leistungsfähiger sind. Aber auch innovative kleine Unternehmen können durchaus eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung einnehmen. Sie können ihre Wendigkeit aufgrund der kleinen Betriebsgröße nutzen.
KOMPETENZ: Gibt es überhaupt Betriebe, die noch auf Digitalisierung verzichten können?
Krisch: Ich denke, dass zumindest die elektronische Kommunikation jedes Unternehmen betreffen wird. Insofern sind es vielleicht ganz spezialisierte Nischen, wo es ganz wenige Anbieter gibt, die ohne entsprechende Technologien auskommen.
KOMPETENZ: Stichwort ArbeitnehmerInnenschutz: Was müssen Betriebe berücksichtigen?
Krisch: Wichtig ist, nicht zu vergessen, dass man dennoch von den MitarbeiterInnen abhängig ist. Es kann die Digitalisierung nur ein Mittel zum Zweck sein, sie kann aber nicht den Menschen vollständig ersetzen. Das heißt, man muss auf jeden Fall darauf achten, dem Menschen ausreichend Platz darin zu geben, ausreichend Möglichkeiten einzugreifen und zu gestalten, und ihn nicht zum Handlanger der Maschine zu machen. Natürlich ist es notwendig, die MitarbeiterInnen ausreichend zu schulen beziehungsweise sich als ArbeitnehmerIn auch kontinuierlich weiterzubilden. Man kann da nicht am jetzigen Stand stehen bleiben. Wenn man kontinuierlich mitlernt, erkennt man auch die neuen Möglichkeiten, die sich eröffnen, weil gerade in der digitalen Wirtschaft die Entwicklungszyklen sehr kurzlebig sind und sehr rasch vonstattengehen.
KOMPETENZ: Innerbetriebliche Weiterbildung muss also groß geschrieben werden.
Krisch: Richtig. Und als kritische Punkte, auf die man auf alle Fälle achten muss, möchte ich auch noch die Privatsphäre der MitarbeiterInnen und den Datenschutz nennen. Es eröffnen all diese Digitalisierungsschritte natürlich auch sehr starke Möglichkeiten zur Mitarbeiterüberwachung, und da muss schon klar sein, dass es dafür ganz genau eben nicht gedacht ist. Es geht nicht darum, die vollständige Mitarbeiterkontrolle umzusetzen, wo jeder einzelne Handgriff mehr oder weniger überwachbar und kontrollierbar ist. Da ist, denke ich, eine sehr gute Abstimmung zwischen dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung erforderlich, und zwar schon in der Gestaltung dieser Systeme, nicht erst, wenn sie bereits eingeführt sind. Es geht darum, was aufgezeichnet wird, wie auf die gespeicherten Informationen zugegriffen wird – durch wen und unter welchen Voraussetzungen –, und dass hier auch Sicherheitsmechanismen eingezogen werden.
KOMPETENZ: Welche Tätigkeiten werden durch die Digitalisierung verschwinden, und welche Qualifikationen stärker nachgefragt werden?
Krisch: Ich habe den Eindruck, dass es wieder sehr stark in Richtung Individualisierung geht. Die Massenproduktion wird dann schon mehr den Maschinen überlassen, wobei wir diese Produkte dann gar nicht mehr so wertschätzen. Das Interesse der Kon-sumenten geht dahin, wieder etwas Individuelleres zu bekommen, das vielleicht sogar von Hand gemacht wurde. Das heißt aber nicht, dass diese Dinge nicht mit Digitalisierung produziert worden sein oder vertrieben werden können.
KOMPETENZ: Sie sehen also durchaus Zukunft für das Handwerk.
Krisch: Ja – und es gibt durchaus Beispiele, wie auch sehr kleine Betriebe von der Digitalisierung profitieren. Ich kenne einen Messerschmied in Wien, der als kleiner Handwerksbetrieb jetzt plötzlich weltweit seine Messer und Scheren vertreibt, weil er einerseits eine Nische in seiner Branche bedient, und andererseits vor einigen Jahren auf die Idee gekommen ist, eine englischsprachige Webseite einzurichten.
KOMPETENZ: Unqualifizierte Arbeiter versus Fachkräfte. Werden einfache Tätigkeiten überhaupt noch nachgefragt sein?
Krisch: Ich glaube schon, dass dort, wo es möglich ist, die sehr einfachen Tätigkeiten wegfallen und durch Maschinen erledigt werden. Diese Jobs werden aber durch andere qualifizierte Tätigkeiten ersetzt. In Summe wird es damit keinen starken Arbeitsplatzabbau geben, aber man wird mehr Wissen, mehr Fähigkeiten mitbringen müssen, um diese Arbeitsplätze auszufüllen. Und insofern denke ich, da ist sehr viel in der Bildung zu tun. Wirklich schon von klein weg ist es wichtig, einen vernünftigen Umgang mit den digitalen Werkzeugen, die uns umgeben, zu erlernen.