Die Regierung will die Arbeitsmarktpolitik evaluieren. Die Gefahr ist hoch, dass sie Budgets für die Erwachsenenbildung kürzt. Doch schon jetzt werden ihre Leistungen gesellschaftlich wie auch wirtschaftlich unterschätzt.
TrainerInnen sind oft Mama, Papa und Sozialarbeiter in einem“, erklärt Christian Puszar, Betriebsratvorsitzender beim bfi (Berufsförderungsinstitut) Wien. Puszar vertritt 700 ArbeitnehmerInnen. „Viele Leute benutzen das Klischee die Leute sollen etwas hackeln, und denken die aktive Arbeitsmarktpolitik sei überflüssig.“
Noch hat die Taskforce der österreichischen Bundesregierung nicht entschieden, welche Schwerpunkte das Arbeitsmarktservice in Zukunft setzen soll – dass sie sich das AMS zur Brust nimmt, ist kein Geheimnis mehr. Offen ist vor allem die Frage der zukünftigen Prioritäten: Wird die aktive Arbeitsmarktpolitik – in der Menschen nicht nur geschult, sondern in das Arbeitsleben begleitet werden – an Bedeutung verlieren? Wohin werden sich die Schwerpunkte verlagern?
Selbstvertrauen inklusive
Unter dem Hashtag „#Erwachsenenbildung ist mehr“ haben Betriebsräte und die GPA-djp eine Kampagne gestartet, die positive Aspekte der Weiterbildung hervorhebt. „Wir starten bewusst mit einer ‚positiven‘ Kampagne, da wir der Meinung sind, dass die Regierung und auch die Mehrheit der Bevölkerung gar nicht wissen, welchen Mehrwert unsere Arbeit in der Erwachsenenbildung für die Gesellschaft hat“, sagt Nerijus Soukup, Betriebsratvorsitzender der Firma Mentor Management-Entwicklung. Soukup weiß aus Erfahrung, wie positiv sich Bildung auf das Selbstvertrauen der Menschen auswirkt: „Ein Jugendlicher meinte, zu Beginn sei ihm der Kurs extrem auf die Nerven gegangen. Draußen scheint die Sonne und er muss jeden Tag den Kurs besuchen.“ Zwei Jahre später bekam der junge Mann einen Lehrplatz und verdient heute sein eigenes Geld. Sein Ratschlag: „Haltet durch, der Kurs zahlt sich aus!“
Christian Puszar vom bfi: „In der Branche haben alle Angst. Jetzt kommt noch mehr Unsicherheit dazu, weil niemand weiß, welche Prioritäten die Regierung setzt.“ Deshalb haben viele österreichischen Bildungsinstitute im Frühwarnsystem bereits ArbeitnehmerInnen zur Kündigung angemeldet. Noch vor einigen Jahren hielt das bfi vor allem Kurse für Erwachsene ab, doch mit der Ausbildungsgarantie sind rund 50 Prozent der KursteilnehmerInnen Jugendliche. An knapp 20 Standorten in Wien können sie unter den unterschiedlichsten Berufen wählen: von Einzelhandel, Installateur, IT, Tischler, Elektriker und Mechatroniker über Schlosser, Schweißer, Maurer, Maler, Spengler bis hin zur Gastronomie. Außerdem ist das Schnuppern in einer Lernwerkstatt möglich. „Einige TrainerInnen begleiten ihre Schützlinge die gesamte Lehre hindurch“, weiß Puszar. Sie werden dabei zur wichtigen Vertrauensperson und auch mit wichtigen privaten Problemen konfrontiert. Denn oftmals kommen die Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen und der Trainer bleibt dabei die einzige Konstante.
Gekürzter Mut
Das Geld für ältere Arbeitslose wurde schon in den vergangenen Jahren immer weniger. Viele von ihnen können wenig dafür, dass sie arbeitslos sind. Firmenpleiten oder auch Berufe, die es nicht mehr gibt, sind oft ein Grund für längere Arbeitslosigkeit. Wer etwa Büchsenmacher ist, der muss zumeist umlernen, auch Polsterer können mit verhältnismäßig wenig Aufwand zum Tapezierer umgeschult werden. Wer jedoch nach einiger Zeit keinen Arbeitsplatz findet, der ist freilich am Boden zerstört. „Kein einziger Mensch hat je zu mir gesagt, dass er keine Lust hat. Aber wenn auf Hunderte Bewerbungen kaum oder keine Reaktion kommt und außer ein paar Ablehnungen nicht einmal Antworten, dann ist das frustrierend, da erdrückt einen die Arbeitslosigkeit“, erklärt Experte Soukup. Doch genau für diese Menschen gibt es immer weniger Geld und Verständnis – Maßnahmen, die ihnen wieder Mut machen und sie an den Arbeitsmarkt heranführen würden, werden immer seltener bezahlt.
Unsicherheit trotz Aufträgen
Meist dauern die angebotenen Kurse ein Jahr, doch das AMS hat die Möglichkeit, die Ausbildung zu verlängern. Diese Entscheidung wird oftmals sehr spät getroffen und steigert damit die Unsicherheit bei Institut und TrainerInnen. Dabei sind die TrainerInnen auch inhaltlich gefordert: „Sie müssen sich permanent weiterentwickeln, immer auf dem aktuellen Stand der Wirtschaft sein“, sagt Puszar. Viele von ihnen sind in den Fachausschüssen tätig, sind Beisitzer der Lehrabschlussprüfungen. Dort pflegen die TrainerInnen Kontakte zu Innung und Firmen – eine Erleichterung bei der Betriebspraxis: „Wir haben gute Quoten, da viele Jugendliche schon während der Lehrzeit in eine Firma überwechseln“, erklärt Christian Puszar. Auch erreichen über 90 Prozent der AbsolventInnen die Kursziele. Doch wie in vielen anderen Berufen, ist bei den TrainerInnen die psychische Belastung in den vergangenen Jahren extrem angestiegen – immer mehr erleiden ein Burn-out. Puszar: „Bei Deutschkursen sind AbsolventInnen dabei, die ihre eigene Sprache nicht wirklich sprechen können. Manche TrainerInnen unterrichten drei unterschiedliche Gruppen am Tag. Über Jahre brennt das wirklich aus.“
Während in der Erwachsenenbildung die erreichte Qualifizierung immer weniger bewertet wird, wird die Bedeutung der Kosten immer stärker in den Vordergrund gerückt. Lässt sich jemand etwa zum Mechatroniker ausbilden, wird in der gesamten Ausbildung viel Geld für ihn aufgewendet. Liegt das Augenmerk nur auf den Zahlen, dann ist es eine teure Angelegenheit. Eine Qualifizierung kostet zwar sehr viel, bringt aber auch den wichtigen Lehrabschluss: mit ihm sind Zukunft und Perspektive möglich. Und der finanzielle Aufwand wird durch die Steuerleistung des nun arbeitenden Menschen bald abgegolten. Eine positive Kampagne soll die Leistungen der Erwachsenenbildung ins rechte Licht stellen. Kämpfen und beharrlich bleiben zahlt sich auf jeden Fall aus. Schon vor Jahren konnte die GPA-djp gemeinsam mit den ArbeitnehmerInnen einiges erreichen: etwa, dass nun TrainerInnen in der Regel angestellt werden und nicht mehr als freie DienstnehmerInnen mit Werkvertrag arbeiten müssen.