Abgaben auf vererbte Vermögen ermöglichen sozial verträgliche Umverteilung.
Kaum ein Thema in der politischen Debatte ist so tabuisiert wie die Einführung neuer Steuern oder Steuererhöhungen. Das regelmäßig in Wahlkampfzeiten allerorten hörbare Schlagwort von „Steuersenkungen“, die notwendig und gut seien, bleibt in der Regel unwidersprochen. Mit gegenteiligen Positionen kann man eigentlich nur verlieren, denn Steuern zahlt niemand gerne. Deshalb zieht das Wahlversprechen „Steuersenkung“ – unabhängig davon, wer von der jeweiligen Steuer betroffen ist oder ob sich Senkungen negativ auf Transferleistungen auswirken, von denen jene profitieren, denen niedrigere Steuern versprochen werden. Kaum eine andere Steuerfrage wiederum ist derart emotional besetzt wie die Besteuerung von Erbschaften. In Österreich wurde die Erbschaftssteuer 2008 abgeschafft. Geändert hat sich dadurch für die breite Masse nichts, während sich ein paar reiche Erblasser ein bisschen was an Abgaben erspart haben. Verlierer ist der österreichische Staat, dem durch die Abschaffung Einnahmen entgingen – 2007 waren dies 111,5 Millionen Euro. Der relativ geringe Betrag kam zustande, weil vererbte Grundstücke damals unter ihrem Marktwert bewertet wurden. Diese Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Vermögensformen veranlasste den Verfassungsgerichtshof, eine Reparatur des Gesetzes anzumahnen. Die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung kam dem aber nicht nach, sondern schaffte das Gesetz ab.
Erbschaftssteuern betreffen nur wenige Personen
Bei einem von der Arbeiterkammer Wien organisierten Vortrag zum Thema machte der schwedische Ökonom Daniel Waldenström Mitte März einmal mehr auf die zentrale Rolle aufmerksam, die Erbschaften für eine Volkswirtschaft spielen. In Schweden, das im Fokus der Forschung Waldenströms liegt, beträgt der Anteil des vererbten Vermögens am Gesamtvermögen etwa die Hälfte. Zehn Prozent des jährlichen nationalen Einkommens sind auf Erbschaften zurückzuführen. Neueste Forschungsergebnisse von Waldenström und anderen WissenschaftlerInnen zeigen, dass Erbschaftssteuern in den unterschiedlichen Ausgestaltungen nur eine kleine Schicht reicher Personen betreffen und nicht die breite Masse der SteuerzahlerInnen. Auch eine moderate Besteuerung großer Vermögen im Erbfalle lukriert vergleichsweise große Einnahmen, ohne dass sich dies auf die wirtschaftliche Potenz der Betroffenen – etwa im Fall einer Unternehmensvererbung – auswirkt. Frappierend ist, dass trotz dieser Fakten große Teile der Bevölkerung eine Besteuerung von Erbschaften ablehnt.
Sehr wenige zahlen nicht besonders viel von ihren Riesenvermögen und tragen damit einiges zum Haushalt bei. Sozial verträglicher ist Umverteilung hin zu mehr Gerechtigkeit kaum vorstellbar.
2017 schrieben die österreichischen Ökonomen Markus Marterbauer und Martin Schürz in einem Beitrag für den Blog „Arbeit und Wirtschaft“, dass auch in jenen Ländern, in denen eine Erbschaftssteuer eingehoben wird, diese „fast niemand“ zahlen müsse, weil nur eine kleine Sicht betroffen ist: „Jene die zahlen, können es sich leisten und zahlen wenig angesichts ihres Vermögens.“ Für die einhebenden Finanzministerien lohnt sich die Abgabe dennoch, so Marterbauer und Schürz: „Trotz hoher Freibeträge und vieler Ausnahmen kommt bei den Steuereinnahmen etwas zusammen.“ Und sie rechnen diese für die Bundesrepublik Deutschland konkret vor: „Die Erbschaftssteuereinnahmen in Deutschland lagen 2015 bei 6,3 Milliarden Euro. Dies war ein beachtlicher Zuwachs um 15,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besteuert wurden trotzdem nur wenige. Von den 1,6 Millionen Erbfällen jährlich kommen nur 23.000 potenziell in die Erbschaftssteuerpflicht. Das sind 1,5 Prozent aller ErbInnnen. Und dafür muss man schon mehr als 500.000 Euro erben. 1.200 Fälle mit Erbschaften über fünf Millionen Euro erhalten 14 Prozent des gesamten Erbvolumens (21 Milliarden Euro).“ Kurz gesagt: sehr wenige zahlen nicht besonders viel von ihren Riesenvermögen und tragen damit einiges zum Haushalt bei. Sozial verträglicher ist Umverteilung hin zu mehr Gerechtigkeit kaum vorstellbar.
Argument Doppelbesteuerung
Weshalb also gibt es dennoch so große Widerstände gegen die Besteuerung von Erbschaften in der Bevölkerung? Um die Frage zu beantworten, ist ein Blick in die politische und mediale Debatte zum Thema nötig. Hier finden sich viele Argumente, die rasch zu allgemein akzeptierten Überzeugungen wurden, obwohl sie einer näheren Betrachtung nicht standhalten. Ganz zuoberst ist hier das Argument der „Doppelbesteuerung“ zu nennen. Erbschaftssteuern seien demnach Abgaben auf Vermögen, für die der vorherige Besitzer bereits Steuern bezahlt habe – der Staat kassiere also „doppelt“. Tatsächlich sind Erbschaften aber für diejenigen, die in den Genuss derselben kommen, ein Vermögenszuwachs, für den sie noch nie Abgaben bezahlt haben. Das Argument der „Doppelbesteuerung“ müsste zudem auf viele andere Abgaben genauso angewandt werden.
Die wissenschaftliche Literatur zum Thema identifiziert zudem verschiedene gesellschaftspolitische Vorstellungen, welche die Debatte um Erbschaftssteuern prägen. Argumentationen in Politik und Medien drehen sich dabei häufig um das „Familienprinzip“. Vermögen gehört in dieser Perspektive nicht einem Individuum, sondern der Familie, innerhalb der es weitervererbt wird. Der Staat dürfe in dieses Familieneigentum nicht eingreifen, sondern habe dieses zu schützen. Vorstellungen zu sozialer Gerechtigkeit spielen dabei keine Rolle.
Aufklärung hilft
Viel scheint in der Debatte allerdings davon abzuhängen, wie hoch der Informationsstand über Erbschaftssteuern ist. Je genauer Menschen wissen, wie die Abgabe konkret gestaltet ist, desto eher unterstützen sie die Einhebung oder sogar die Einführung einer Erbschaftssteuer. Daniel Waldenström berichtete in seinem Vortrag von experimentellen Umfragen. Dabei wurden Personen zunächst ohne weiterführende Informationen befragt, ob sie eine Erbschaftssteuer gut oder schlecht finden. Eine große Mehrheit zeigte sich ablehnend. Anschließend wurden die Befragten genauer darüber informiert, wie die Abgabe genau umgesetzt werden soll, also über die Höhe der Steuer und darüber, ab welchen Beträgen diese überhaupt fällig ist. Anschließend wurde noch einmal die Eingangsfrage nach Zustimmung oder Ablehnung gestellt, und es zeigte sich, dass die weit mehr Personen als zuvor eine Erbschaftssteuer befürworteten. Solche Umfragen zeigen, worauf ÖkonomInnen bereits seit längerem hinweisen: die negative Einstellung gegenüber Erbschaftssteuern hängt unmittelbar mit der mangelnden Aufklärung über eben diese zusammen. Hier ist es wichtig zu informieren und die zahlreichen Mythen zu entzaubern, die rund um das Thema „Erbschaftssteuern“ ranken und von PolitikerInnen und Interessensvertretungen gehegt werden.
Mehr zum Thema Verteilung von Vermögen und Erbschaften findet sich in der Studie der Nationalbank:
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