Eine EU-Richtlinie bringt neue Regeln für HinweisgeberInnen, die rechtswidrige Handlungen im Betrieb aufdecken. Diese sollen künftig EU-weit besser geschützt werden.
Mit einer großen Mehrheit von 521 zu 29 Stimmen hat das EU-Parlament Mitte April, also gerade noch rechtzeitig vor den Europawahlen am 26. Mai 2019, eine neue Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern („Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“) beschlossen.
Was steckt dahinter?
Whistleblower oder HinweisgeberInnen sind Personen, die in beruflichem Zusammenhang Informationen über Fehlverhalten erhalten haben und dieses Fehlverhalten an eine Stelle innerhalb oder außerhalb ihrer Organisation melden oder die Öffentlichkeit darüber informieren. Oft kann Whistleblowing zur Aufdeckung von rechtswidrigen Handlungen und zu deren Behebung beitragen. In vielen Fällen haben Whistleblower aber auch mit Repressalien durch ihre jeweilige Arbeitgeberin oder ihren jeweiligen Arbeitgeber zu rechnen – auch, wenn die Folgen im Alltag nicht immer gleich so gravierend wie in den Fällen von Julian Assange oder Edward Snowden ausfallen.
Gerade, weil aber potentielle Whistleblower arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Entlassung fürchten müssen, melden sich viele wohl erst gar nicht zu Wort und verzichten darauf, Missstände zu melden. Einige EU-Mitgliedstaaten haben bereits in den vergangenen Jahren verschiedene nationale Regelungen zum Schutz von Whistleblowern erlassen (bisher Frankreich, Ungarn, Irland, Italien, Litauen, Malta, die Niederlande, die Slowakei, Schweden und das Vereinigte Königreich ), viele noch nicht. International stellt sich der Schutz von Whistleblowern somit stark zersplittert dar. Mit der nun beschlossenen Richtlinie verfolgt der europäische Gesetzgeber das Ziel, Mindeststandards vorzugeben, um Whistleblower vor Repressalien zu bewahren und damit öffentliche Interessen zu schützen. Insbesondere soll die Richtlinie die wirksame Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Verstößen gegen EU-Vorschriften ermöglichen. Nicht zuletzt ist ein effektiver Hinweisgeberschutz auch vor dem Hintergrund des Rechts auf Meinungs- und Medienfreiheit geboten.
Unter welchen Bedingungen findet der Schutz von Whistleblowern statt?
Zunächst sollen jene HinweisgeberInnen geschützt werden, „die im öffentlichen Interesse handeln“, es fallen also insbesondere Meldungen zu folgenden Bereichen unter den Schutz der Richtlinie:
- öffentliches Auftragswesen
- Finanzdienstleistungen sowie Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- Produktsicherheit,
- Verkehrssicherheit,
- Umweltschutz,
- kerntechnische Sicherheit,
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
- öffentliche Gesundheit,
- Verbraucherschutz,
- Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen
Obwohl diese Aufzählung wesentliche Themenbereiche enthält, erscheint die Eingrenzung auf gerade diese Themen sehr willkürlich: Nicht einzusehen ist etwa, dass das Publikmachen unfairer oder ausbeuterischer Arbeitsbedingungen in einem bestimmten Unternehmen oder Wirtschaftssektor nicht zum öffentlichen Interesse gehören soll und daher auch nicht durch die Whistleblowing-Richtlinie geschützt ist.
Meldungen müssen grundsätzlich zunächst intern bzw. an die zuständigen Aufsichtsbehörden erstattet werden, erst wenn über mehrere Monate keine Reaktion erfolgt und in jenen Fällen, in denen eine offensichtliche und unmittelbare Gefahr für das öffentliche Interesse besteht, können HinweisgeberInnen rechtliche Verfehlungen der Öffentlichkeit gegenüber publik machen.
Um das sichere Abgeben von Hinweisen zu ermöglichen, müssen Unternehmen geeignete interne Meldekanäle einrichten oder sich externer Kanäle bedienen. Kleine Unternehmen (mit weniger als 50 MitarbeiterInnen und ein Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro) sind von der Pflicht zur Einrichtung derartiger Meldesysteme ausgenommen.
Um welchen Schutz geht es?
Die Mitgliedstaaten müssen Schutz auf dem Niveau der Richtlinie garantieren, etwa indem wirksame Unterstützung seitens der zuständigen Behörden sowie Prozesskostenhilfe gewährt wird bzw. die HinweisgeberInnen unter Verweis auf die Anwendbarkeit der Whistleblowing-Richtlinie die Abweisung von Klagen gegen sie begehren können. Überdies müssen die Mitgliedstaaten der Öffentlichkeit kostenlose Beratungsmöglichkeiten über die verfügbaren Verfahren gegen Repressalien zur Verfügung stellen. Zu den Rechten der betroffenen Whistleblower gehört vor allem auch der Schutz ihrer Identität in der Öffentlichkeit (sofern diese nicht bereits bekannt ist) für die Dauer des Verfahrens. Aber auch der Schutz der personenbezogenen Daten (und somit der Identität) der betroffenen Person(en) sowie anderer in der Meldung genannter Dritter, die sich bereits aus den Bestimmungen der DSGVO ergibt, stellt eine zentrale Aufgabe dar.
Ergreifen ArbeitgeberInnen entgegen der Richtlinie Repressalien gegen HinweisgeberInnen, behindern sie Meldungen, strengen mutwillig Gerichtsverfahren an oder geben die Identität des/der HinweisgeberIn der Öffentlichkeit preis, so haben die Mitgliedstaaten „wirksame, angemessene und abschreckende“ Sanktionen festzulegen. Eine große praktische Unsicherheit bildet dabei aber wohl der Nachweis der Kausalität zwischen der Meldung durch den/die HinweisgeberIn und der folgenden Repressalie des/der ArbeitgeberIn.
Wie geht es weiter?
Da der europäische Gesetzgeber den Weg einer Richtlinie gewählt hat, müssen die Mitgliedstaaten die Inhalte nun in nationalen Gesetzen umsetzen. Das muss bis spätestens 15. Mai 2021 geschehen. Dabei können die Mitgliedstaaten auch ein höheres Schutzniveau vorsehen oder etwa weitere Bereiche in den Hinweisgeberschutz einbeziehen. Schon angesichts der Tatsache, dass durch die Richtlinie selbst kein umfassender Schutz geboten wird, und insbesondere sämtliche Unternehmen mit weniger als 50 MitarbeiterInnen pauschal ausgenommen werden, wären höhere Standards in Österreich daher durchaus wünschenswert.
Der Beitrag ist erstmals am Blog http://arbeitundtechnik.gpa-djp.at/ erschienen.