Die Kinderbuch-Reihe „Little people, big dreams“ der spanischen Autorin María Sánchez Vegara macht die Kleinsten mit den Großen dieser Welt bekannt – und animiert die Eltern, tiefer in diese Biografien einzutauchen. Eben erschienen ist ein Band zu Hannah Arendt.
Hannah Arendt (1906-1975), die große Denkerin, die sich selbst nicht als Philosophin verstand, sondern als politische Theoretikerin und Publizistin, wurde Anfang der 1950er Jahre mit ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ bekannt. Untrennbar verbunden ist dieses mit ihrer eigenen Verfolgungs- und Emigrationsgeschichte. Doch wie erklärt man das kleinen Kindern?
Vegara beginnt dort, wo sich Kinder wiederfinden: sie erzählt vom Aufwachsen Arendts in , von ihrer Lieber zu Büchern, von Widerständigkeit gegen Unrecht bereits im Schulalter. Sie erzählt von den immer schwierigeren Lebensbedingungen als Jüdin im nationalsozialistischen Deutschland, von ihrer politischen Arbeit gegen die Nazis, von der ersten Flucht nach Frankreich, von der zweiten Flucht in die USA. „Jetzt lebte Hannah in Sicherheit, doch ihr Kampf war längst nicht vorbei“, formuliert die Autorin. „In Büchern und Artikeln schrieb sie darüber, wie gefährlich es ist, wenn jemand in einem Land zu viel Macht besitzt und das Böse regiert“.
Wahrscheinlich löst dieser Satz in vielen Kindern im Vorschul- oder Volksschulalter viele Fragen aus: Was bedeutet es, dass das Böse regiert? Was ist Macht? Wie erkennt man, dass die Leute, die uns regieren, böse sind? Gibt es auch heute noch Ländern, in denen sich Menschen gegen die stellen müssen, die sie regieren?
Eine weitere Passage Vegaras lautet: „Ein freier Geist ist Hannah ein Leben lang geblieben. Bei Unrecht hat sie ihre Stimme erhoben und gewusst: Man muss sich wehren, man darf sich nicht ducken!“ Was ist ein freier Geist? Wann ist es in Ordnung, dass ich mich wehre? Darf ich das auch, wenn im Kindergarten jemand zu mir gemein ist? Darf ich sogar etwas sagen, wenn ich finde die Lehrerin hat sich einem anderen Kind gegenüber unfair verhalten?
Die Reihe „Little People, big Dreams“ (auf Deutsch erscheinen die einzelnen Bände nun nach und nach im Insel Verlag) machen Kinder mit den Großen dieser Welt bekannt und animieren dabei, Fragen zu stellen. Die Kinder treffen hier auf Jane Austen und Anne Frank, auf Stephen Hawking und Rosa Parks, auf Marie Curie oder Muhammad Ali. Positiv fällt auf, dass viele Frauen porträtiert wird.
Jeder Band steht jeweils für sich alleine, alle Bände funktionieren aber nach demselben Prinzip: sie zeigen, dass auch die großen DenkerInnen, KünstlerInnen, WissenschafterInnen einmal Kinder waren. Sie machen Mut und führen vor, dass jeder Talente hat. Und sie erklären in leichter Sprache, worin die große Errungenschaft des oder der Porträtierten besteht.
Dieses Wissen, diese Kernbotschaft werden wohl viele der kleinen LeserInnen ihr Leben lang in Erinnerung behalten und mit den plastischen Illustrationen von Sophia Martineck verknüpfen. Damit schafft Vegara aber wiederum auch einen Anknüpfungspunkt für Erwachsene, sich vielleicht näher mit dem Werk oder Leben etwa einer Amelia Earhart, die als erste Pilotin der Weltgeschichte den Atlantik alleine überquerte, einer Jane Austen oder eben einer Hannah Arendt zu befassen und an anderer Stelle intensiver nachzulesen.
María Sánchez Vegara
Little People, big Dreams: Hannah Arendt
Illustrationen: Sophia Martineck
Insel Verlag
Berlin 2020
32 Seiten
€ 14,40
ISBN 978-3-458-17831-6