Eine kleine Privatklinik in Wien Währing wird zum Sinnbild höchst fragwürdiger Gesundheitspolitik: Sie erhält Gelder aus dem sogenannten Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) – ein Topf, der aus den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung gespeist wird.
Dass es die Klinik offenbar durch massives politisches Lobbying in den Club der PRIKRAF-Spitäler geschafft hat, macht die Sache nicht besser. Die ArbeitnehmerInnenvertreter in der Sozialversicherung fordern eine umfassende Reform.
Botox, Nasenkorrektur, Facelift: Ein Blick auf die Website der Privatklinik Währing im 18. Wiener Gemeindebezirk lässt PatientInnen hoffen, nach einem Aufenthalt frischer und straffer durchs Leben zu gehen. Für reine Schönheitsoperationen müssen die Klienten selbst aufkommen. Anders verhält es sich bei Eingriffen, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist. Diese Leistungen, die auch in öffentlichen Spitälern von der Sozialversicherung übernommen werden, können Privatkliniken – wie auch jene in Währing – über den PRIKRAF abrechnen.
Zusätzliches Geld für den PRIKRAF „nicht argumentierbar”
Eingeführt wurde der Fonds im Jahr 2002 durch die schwarz-blaue Regierung. Vor dieser Zeit hatten die privaten Spitäler Direkt-Verträge mit den einzelnen Krankenkassen. Über die Jahre erhielten 44 private Krankenanstalten in Österreich Zugang zum PRIKRAF. Das Gesamtbudget des Fonds belief sich 2019 auf satte 145 Millionen Euro. Die Mittel kommen fast zur Gänze von den drei Krankenversicherungsträgern – der ÖGK der BVAEB und der SVS – in Form eines Pauschalbetrages.
Im Vorjahr wurde bei der Dotierung des Fonds noch mit einer kräftigen Finanzspritze nachgebessert. Per Gesetz erhielt der PRIKRAF im Zuge der umstrittenen Kassenfusion zusätzlich 14,7 Millionen Euro zugesprochen – und die Privatklinik Währing den langersehnten Zugang zu dem Geldtopf. Beide Entscheidungen sorgen seitdem für Aufregung. Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), hat die Entwicklungen vor Kurzem öffentlich scharf kritisiert: „Es ist nicht im Sinne der Versicherten, wenn die Privatklinik Währing mit insgesamt 20 Betten weiter im PRIKRAF verbleibt. Das ist gerade auch in Wien, einer Stadt, die mit Spitalsbetten hervorragend ausgestattet ist, nicht argumentierbar. Es ist auch nicht im Sinne der Versicherten, wenn 14,7 Millionen Euro jährlich an zusätzlichen Mitteln in den PRIKRAF gepumpt werden. Wenn die privaten Krankenanstalten mehr Mittel brauchen, dann sollen sie sich diese von den Privatversicherungen holen.”
„Es ist nicht im Sinne der Versicherten, wenn die Privatklinik Währing mit insgesamt 20 Betten weiter im PRIKRAF verbleibt.“
Andreas Huss
Versicherte müssen mit zusätzlichen Kosten rechnen
Wer sich in einem Privatspital behandeln lassen möchte, muss damit rechnen, dass in der Regel keine allgemeine Gebührenklasse, sondern nur Sonderklasse angeboten wird. Der Mehraufwand ist von den PatientInnen selbst zu bezahlen oder allenfalls über eine Privatversicherung abzuwickeln. Sprich: Man muss sich einen solchen Aufenthalt erst einmal leisten können. Was Huss direkt zu einem weiteren strukturellen Problem führt: „Die ÖGK finanziert derzeit rund 70 Prozent der PRIKRAF-Leistungen. Allerdings liegen nur knapp über 50 Prozent der ÖGK-Versicherten in den Betten dieser Spitäler. Beamte und Selbstständige nutzen diese also überproportional.” Was auch daran liegen könnte, dass letztere mitunter über ein besseres Einkommen verfügen. „In Zukunft muss das bei der Finanzierung berücksichtigt werden.” Hier hakt auch Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA-djp und Mitglied im ÖGK-Verwaltungsrat ein: „Das Geld der Versicherten darf nicht in gewinnorientierten Privatkliniken landen. Es ist nicht einzusehen, warum jemand, der in die gesetzliche Sozialversicherung einzahlt, damit eine Behandlung im Privatspital finanzieren soll, die er sich vielleicht selbst gar nicht leisten kann.”
„Das Geld der Versicherten darf nicht in gewinnorientierten Privatkliniken landen.“
Barbara Teiber
Tiefgreifende Reform des PRIKRAF gefordert
Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach einer tiefgreifenden Reform des Fonds verbunden mit mehr Transparenz zu den internen Abläufen immer lauter. Medienberichte aus der jüngsten Vergangenheit, die einmal mehr den Verdacht genährt haben, wonach die Privatklinik Währing aufgrund intensiver politischer Intervention durch die FPÖ in die Liste der PRIKRAF-Spitäler aufgenommen worden ist, tun hier das Übrige.
Die ArbeitnehmerInnenvertreter im Verwaltungsrat der ÖGK haben zu diesem Thema Mitte Juni einen umfangreichen Antrag zur Beschlussfassung eingebracht. Einige Kernpunkte:
- Die Privatklinik Währing mit insgesamt 20 Betten soll wieder aus dem PRIKRAF herausgenommen werden.
- Die im Sozialversicherungs-Organisationsgesetz eingeführten zusätzlichen Zahlungen an den PRIKRAF von 14,7 Millionen Euro jährlich sollen gesetzlich wieder abgeschafft und zurückgeführt werden.
- Da der Fonds durch die öffentlichen Krankenversicherungsträger finanziert wird, müssten die Privatspitäler auch Leistungen für die Allgemeinheit erbringen. Konkreter Vorschlag: Zehn Prozent der Betten könnten für nicht privatversicherte KassenpatientInnen reserviert werden – für den Fall, dass die Versorgung in den öffentlichen Spitälern knapp wird. Außerdem sollen Ambulanzen für alle BeitragszahlerInnen nutzbar sein.
Auch die aktuelle Zusammensetzung der PRIKRAF-Kommission steht unter Kritik. Huss: „Derzeit sind hier fünf Mitglieder der Wirtschafskammer vertreten, die nichts zu diesem Fonds beiträgt. Auf der anderen Seite gibt es aber nur drei Vertreter der Sozialversicherung, die den PRIKRAF zu 100 Prozent finanziert. Das gehört geändert.”
Last but not least müssten im Sinne der Transparenz die politischen Verstrickungen und hier vor allem die möglichen Absprachen zwischen FPÖ und FPÖ-nahen Managern der Sozialversicherung in Bezug auf den PRIKRAF geklärt werden.
Der mehrseitige Antrag wurde im ÖGK-Verwaltungsrat zuletzt von der Arbeitgeberseite abgelehnt.
Aufgeben will man dennoch nicht: Nun werden auf politischer Ebene Verbündete gesucht. Neben der SPÖ forderten jüngst auch Grüne und NEOS eine einschneidende Reform des Fonds. Denn kosmetische Änderungen werden hier nicht reichen.