Unabhängigkeit durch erneuerbare Energie stärken

Christoph Badelt an einem Podium
Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates und des Produktivitätsrates, fordert, dass noch viel mehr auf erneuerbare Energien zurück gegriffen wird.
Foto: Edgar Ketzer

Christoph Badelt, Präsident des Produktivitätsrates, plädiert im KOMPETENZ-Gespräch dafür, sich unabhängiger von teuren Energieimporten zu machen. Er warnt zudem vor einem Arbeitskräftemangel.

KOMPETENZ: Die Rezession hat dem Wirtschaftsstandort Österreich zuletzt zugesetzt. Welche Faktoren führten dazu?
Badelt
: Die Rezession dauert bei uns zwar länger als in anderen Ländern, aber sie ist kein nur österreichisches Phänomen. Es waren in erster Linie die Energiekosten, die hier eine Rolle gespielt haben, in den letzten zwei Jahren auch die Lohnkosten. Auf Nachfrage-Seite macht uns außerdem die Schwäche der deutschen Konjunktur zu schaffen. Das könnte sich durch Zölle der USA noch verschärfen. All das trifft ganz besonders die Industrie.

Wie steht Österreich im EU-Vergleich da?
Wir sind schlechter aus den verschiedenen Krisen herausgekommen als die meisten anderen EU-Länder. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist zurückgegangen – das hat auch damit zu tun, dass wir relativ zu anderen EU-Staaten ein starkes Bevölkerungswachstum haben. Vor allem aber hat das mit der Bindung an Deutschland zu tun.

„Damit Frauen weniger Teilzeit arbeiten müssen, braucht es den Ausbau von Kinderbetreuung. “

Christoph Badelt
Präsident des Fiskalrates und des Produktivitätsrates

Warum ist Österreich schlechter durch die Energiekrise gekommen?
Der Hauptgrund liegt darin, dass unsere Industrie eine ganz spezifische Struktur hat: sie ist energieintensiv und exportorientiert. Dadurch war sie besonders von der Energiekrise betroffen, in Kombination mit den nachfrageseitigen Faktoren kam dann dieser Schlamassel zustande. Ich verhehle aber auch nicht, dass es unter Ökonom:innen durchaus eine Uneinigkeit gibt, inwieweit man früher und stärker hätte direkt in Energiepreise eingreifen sollen.

Was braucht es, um künftig nicht mehr so stark auf teure Energieimporte angewiesen zu sein?
Da gibt es zwei Aspekte. Einerseits muss im Sinn der grünen Transformation der Wirtschaft alles getan werden, um die Industrie technologisch weg vom hohen Energieverbrauch zu führen. Auf der anderen Seite könnten wir viel stärker auf erneuerbare Energien zurückgreifen, doch dazu fehlen die Speicherkapazitäten und es braucht einen Ausbau der Netze. Derzeit können die Schwankungen zum Beispiel bei der Windenergie weder regional noch zeitlich ausgeglichen werden. Da braucht es stärkere Investitionen.

Wer ist da in die Pflicht zu nehmen: Nur die Energiebetreiber oder auch der Staat?
Soweit es die Infrastruktur betrifft, kommt direkt oder indirekt der Staat schon ins Spiel. Einerseits ist das eine klassische Staatsaufgabe, andererseits sind die Energieerzeugungsbetriebe zu einem großen Teil in öffentlichen Händen, und da geht es dann darum, dass die Gewinne, die erwirtschaftet werden, in Investitionen gehen, statt ins Budget.

Wo braucht es darüber hinaus Investitionen, um das Wachstum der Produktivität, das sich zuletzt sehr verlangsamt hat, wieder ansteigen zu lassen?
Da geht es vor allem um Investitionen in moderne Technologien. Da gibt es zwar einige Musterunternehmen in Österreich, aber insgesamt brauchen wir hier mehr Engagement im Bereich der Digitalisierung und da geht es heute nicht mehr ums Internet wie vor 15 Jahren, sondern um Cloud Services, um Künstliche Intelligenz. Da braucht es auch eine stärkere Fokussierung der Forschungsförderung.

Der Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt: die Arbeitslosenquote ist ein bisschen höher als sie es zuletzt war. Sie warnen allerdings davor, dass es bald wieder an Arbeitskräften mangeln könnte. Warum?
Wirtschaftsprognosen sind oft unsicher. Demografische Prognosen sind da sicherer. Wir sehen, dass durch den demografischen Wandel die Zahl der Arbeitskräfte zurückgehen wird beziehungsweise das schon tut. Daher steigt die Arbeitslosigkeit derzeit auch langsamer als es den Erfahrungswerten nach der langen Rezession entsprechen würde.

Wo raten Sie anzusetzen, um diesem sich abzeichnenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken?
Einerseits geht es nicht nur um Köpfe, sondern um Arbeitszeit: Damit Frauen weniger Teilzeit arbeiten müssen, braucht es den Ausbau von Kinderbetreuung. Andererseits geht es darum, Menschen besser zu qualifizieren. Ein Teil ist hier Weiterbildung. Ein anderer Teil ist: Wir können auf das wachsende Potenzial von jungen Menschen mit Migrationshintergrund nicht verzichten. Hier kommt eine weitere wichtige Funktion des Kindergartens ins Spiel: Kinder, die nur den Nachteil haben, aus einem nicht Deutsch sprechenden Elternhaus zu kommen, müssen dennoch gute Chancen im Bildungssystem haben. Schließlich geht es aber auch darum, Menschen länger im Erwerbsleben zu halten.


Sie treten hier für ein höheres Pensionsantrittsalter ein.
Ja, das setzt aber natürlich entsprechende Gesundheit und auch altersgerechte Arbeitsplätze voraus. Da muss man investieren. Ich bin auch dafür, das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaufzusetzen, möchte aber anmerken, auch mir ist bewusst, dass es da eine Berücksichtigung sozialer Differenzen braucht. Menschen, die schwer körperlich arbeiten, haben empirisch gesehen ein niedrigeres Einkommen und eine niedrigere Lebenserwartung. Man kann also nicht alle Menschen über einen Kamm scheren.

„Die Wünsche der Arbeitgeber:innen decken sich sehr oft nicht mit der Realität.“

Christoph Badelt
Präsident des Fiskalrates und des Produktivitätsrates

De facto ist es aber für Menschen, die mit 50+ arbeitslos werden, heute schon schwer wieder Arbeit zu finden.
Der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, hat einmal gesagt: Jene Unternehmen, die jammern, dass sie keine Mitarbeiter:innen finden, seien auch oft jene, die nach möglichst jungen, möglichst billigen Arbeitnehmer:innen suchen, die gleichzeitig hoch qualifiziert sind. Die Wünsche der Arbeitgeber:innen decken sich also sehr oft nicht mit der Realität. Arbeitgeber:innen müssen daher auch flexibler werden, was die Beschäftigung von Personen betrifft.

Zur Person

Christoph Badelt, geb. 1951 in Wien, ist Wirtschaftswissenschafter. Von 2002 bis 2015 stand er der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien als Rektor vor, 2016 übernahm er die Leitung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), die er bis 2021 inne hatte. Heute ist Badelt Präsident des Fiskalrates und des Produktivitätsrates.

> Scroll to top