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Durch den Ausbau der Telearbeit arbeiten deutlich mehr Menschen auf Distanz als früher. Darum bietet die IG Professional jetzt praxisnahe Tipps, die Expert:innen speziell für die Führung auf Distanz entwickelt haben.
Führen auf Distanz ist längst keine Ausnahme mehr, sondern für viele Teams der Alltag. Doch was bedeutet gute Führung, wenn gemeinsame Pausen, Gespräche in der Teeküche und kurzfristig einberufene Besprechung wegfallen?
„Homeoffice und mobile Arbeit sind gekommen um zu bleiben und ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeitswelt geworden. Daher beschäftigt sich auch die ‚IG Professional‘ – die branchenübergreifende Interessengemeinschaft der Gewerkschaft GPA für Führungskräfte – mit dem Thema ‚Führen auf Distanz“, erklärt GPA-Sekretär Alexander Neunherz, der die Interessengemeinschaften und ihre Mitglieder innerhalb der GPA hauptamtlich betreut.
Mit der Zunahme der Telearbeit hat sich Arbeiten auf Distanz seit der Pandemie deutlich ausgeweitet. Hinzu kommen jene Berufe und Branchen, die im Außendienst tätig sind bzw. regelmäßig Kund:innen oder Klient:innen vor Ort betreuen. Gleichzeitig haben sich die technischen Möglichkeiten rasant weiterentwickelt.
„Arbeiten auf Distanz hat enorme Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Mitbestimmung und Fairness“
Alexander Neunherz, GPA-Sekretär
„Arbeiten auf Distanz hat enorme Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Mitbestimmung und Fairness“, betont Neunherz. Entsprechend intensiv befasst sich die Gewerkschaft GPA seit Jahren mit diesem Thema: „Es bedarf nicht nur arbeitsrechtlicher Regeln, sondern z. B. auch Unterstützung für Team-, Projekt- oder Abteilungsleiter!“
Bereits vor rund 20 Jahren wurde in der GPA ein ‚Werkzeugkoffer für Führungskräfte‘ entwickelt, der auf gewerkschaftlichen Werten basiert, mit Fokus auf verantwortungsvoller Mitarbeiter:innenführung. Diese Grundidee wurde nun aufgegriffen und vollständig erneuert. „Schnell wurde uns klar, wie viel sich verändert hat, vor allem auch technisch“, sagt Neunherz, „Man denke nur an diverse Apps oder an Videokonferenzen über Teams oder Webex. “ Teil des neu gestalteten Werkzeugkoffers der IG Professional sind nun die ‚10 Tipps für Führen auf Distanz‘.
Vertrauen und Kommunikation
Christina Kerschbaumer ist die Frauenbeauftragte der IG Professional und Betriebsrätin bei der ‚Lebenshilfe Trofaiach‘. In ihrem Berufsalltag bieten sie und ihr Team Dienstleistungen an, die die Inklusion fördern und Menschen mit Behinderungen und ihre Familien unterstützen. „Wir arbeiten von verschiedenen Standorten aus, daher müssen wir trotz der räumlichen Entfernung Nähe schaffen“, erklärt Kerschbaumer ihre Situation als Führungskraft. „Vertrauen und klare Kommunikation sind dabei ganz zentral!“
Aus gewerkschaftlicher Sicht kann Arbeiten auf Distanz – und damit Führen auf Distanz – nur auf der Grundlage von Vertrauen funktionieren. Ständige Kontrolle, z.B. in Form von Spezialsoftware, untergräbt die Motivation der Beschäftigten. Ziele und Zuständigkeiten müssen klar definiert werden, nur so können alle im Team eigenständig arbeiten. Denn: „Wenn in einer schwierigen Situation z.B. die zuständige Standortleiterin nicht erreichbar ist, wen kann ich dann ansprechen – oder was kann ich selbst entscheiden?“ gibt Kerschbaumer zu bedenken. Entsprechend müssen die Mitarbeiter:innen wissen, was und unter welchen Umständen sie selbst entscheiden können.
Die IG Professional
Die Interessengemeinschaften (IG) der GPA vernetzen Beschäftigte mit ähnlichen beruflichen Anforderungen für Austausch, Unterstützung und gemeinsame Interessenvertretung. Die IG Professional ist dabei die branchenübergreifende Plattform für Führungskräfte (wie Abteilungs-, Team- und Projektleiter:innen) sowie für Fachexpert:innen (z.B. Ingenieur:innen, Architekt:innen oder Wissenschafter:innen).
Der Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Angeboten: dem ‚Werkzeugkoffer für Führungskräfte‘ mit Themen wie ‚Führen auf Distanz‘ oder ‚Altersdiversität‘ sowie Webinaren zu Homeoffice-Führung und hybriden Sitzungen.
Neue Mitglieder erhalten einen Gratis-Erstberatungsscheck zu Fragen rund um Vertrag, Einstufung, All-In, Kündigung und Arbeitsrecht. Sie können sich auch selbst aktiv einbringen, etwa als Mitglied im Ausschuss der IG-Professional.
Auch die Feedbackkultur muss stimmen. Beschäftigte brauchen Raum für Rückfragen, Führungskräfte müssen Fehler offen ansprechen können. Kritik sollte klar, sachlich und – wenn möglich – im direkten Gespräch erfolgen.
Beim Arbeiten auf Distanz fehlt ganz besonders der inoffizielle Austausch mit den Kolleg:innen. Virtuelle Teams brauchen daher soziale Räume, wo sie kommunizieren können oder auch gemeinsame Rituale, wie z. B. ein virtueller Kaffee oder Team-Check-ins. Das fördert ein Gemeinschaftsgefühl und schützt vor Isolation. „Die Herausforderung ist, trotz der Distanz während der Arbeit ein Wir-Gefühl im Team herzustellen“, erzählt Kerschbaumer aus ihrem Arbeitsalltag.
„Die Herausforderung ist, trotz der Distanz während der Arbeit ein Wir-Gefühl im Team herzustellen.“
Christina Kerschbaumer, Frauenbeauftragte der IG Professional und Betriebsrätin bei der ‚Lebenshilfe‘ in Trofaiach
Darüber hinaus muss es natürlich auch reale Besprechungen geben, nicht nur Telefonate, Apps oder Zoom-Meetings. „Bei uns werden die realen Team-Besprechungen meist 14tägig abgehalten, mindestens aber einmal pro Monat. Dazu kommen regelmäßige Supervisionen“, sagt Kerschbaumer, „und natürlich können alle auch öfter zum Standort kommen.“
Betriebsvereinbarung
Arbeiten auf Distanz betrifft ganz unterschiedliche Branchen und Berufe. Seit Corona ist Homeoffice in vielen Betrieben Standard geworden. Arbeiten von zu Hause aus benötigt aber eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit. Führungskräfte sollten daher Arbeitsziele oder Pausen klar kommunizieren und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört auch die Erreichbarkeit und ihre Grenzen, um Arbeiten rund um die Uhr zu vermeiden
„Idealerweise gibt es dazu eine Betriebsvereinbarung, die unter Mitarbeit des Betriebsrates erarbeitet wurde“, betont GPA-Sekretär Neunherz. Wichtige Themen sind Ausstattung, Kostenersatz, Datenschutz und Arbeitszeit. „Arbeiten auf Distanz darf Beschäftigte nicht privat belasten! Daher muss der Arbeitgeber notwendige Arbeitsmittel stellen, es braucht faire Rahmenbedingungen.“
„Gute Führung“, fügt Kerschbaumer hinzu, „beginnt letztlich auch bei sich selbst! Struktur, Pausen, Grenzen – das gilt genauso für den Teamleiter! Nur wer sich selbst gut organisiert und reflektiert, kann auf Distanz gesund führen.“
Mit dem rundum erneuerten Werkzeugkoffer will die IG Professional den Austausch über verantwortungsvolle Führung vorantreiben. Materialien dazu werden im ersten Quartal 2026 auf der Webseite der Interessengemeinschaften finden sein. „Wir laden unsere Mitglieder ein, das Angebot kritisch zu nutzen und eigene Impulse für Weiterentwicklungen einzubringen“, sagt Kerschbaumer. Die Tipps zum Führen auf Distanz stammen von ehrenamtlichen Führungskräften der IG Professional, deren langjährige Praxis direkt in die Empfehlungen eingeflossen ist. „Führung bedeutet immer Verantwortung – wirtschaftlich, ökologisch und sozial, in Europa wie weltweit.“
