RAITEC: Der Betriebsrat als Feuerwehr

V.l.n.r. Christian Ogris, Josef Ramsbacher, Silvio Esterl, Adrian Schweigreiter
Foto: privat

Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei RAITEC in Klagenfurt bei rekordverdächtigen 75 Prozent. Die beiden Betriebsratsvorsitzenden sind überzeugt: „Wir sind die Schmiere im Getriebe“.

Als Silvio Esterl und Josef Ramsbacher ihre Jobs in der IT-Branche antraten, war das Faxgerät das Kommunikationsmittel der Wahl. Hatte man eine Faxnachricht abgeschickt, dauerte es im Regelfall drei bis vier Tage, bis eine Antwort retour kam. Gemütliche Zeiten. Heute, rund 30 Jahre später, trudeln im Minutentakt Mails und Chatnachrichten ein. Und während Faxgeräte längst aus den Büros verbannt wurden, werden Arbeitsabläufe Tag für Tag schneller – und komplexer. Nicht nur ihr Aufgabenbereich, auch ihr Arbeitgeber hat sich seither grundlegend verändert, wie Esterl und Ramsbacher zu berichten wissen.

Esterl und Ramsbacher waren über Jahrzehnte Betriebsratsmitglieder im Rechenzentrum der Raiffeisen Landesbank Kärnten. Sie und 50 weitere Kolleg:innen wurden im Zuge einer Teilbetriebsauslagerung im August dieses Jahres in die RAITEC GmbH übernommen, einer der größten IT-Dienstleister in Österreich. Am Standort Klagenfurt sind die beiden neben ihrer regulären Tätigkeit seither auch Betriebsratsvorsitzende. Formell ist Esterl erster Vorsitzender, Ramsbacher sein Stellvertreter, praktisch sehen sie sich als „Doppelspitze“, die sich ihre Arbeit aufteilen.

Zwar ist auch RAITEC Teil der Raiffeisen-Gruppe, dennoch war die Auslagerung für die Mitarbeiter:innen mehr als ein bloßer Namenstausch. Teams und Zuständigkeiten änderten sich, die Mitarbeiter:innen wechselten vom Banken- in den IT-Kollektivvertrag. Esterl und Ramsbacher sahen ihre primäre Aufgabe darin, eine ordentliche Übertrittsvereinbarung für ihre Kolleg:innen auszuhandeln – denn Beschäftigte dürfen infolge einer Teilbetriebsauslagerung laut Gesetz nicht schlechter gestellt werden.

Bindeglied und Schmiere

Auch seitens der Geschäftsführung baute man auf den Betriebsrat. Das Risiko einer solchen Transformation ist, dass Mitarbeiter abspringen und viel wertvolles Knowhow auf einmal verloren geht.  Der Betriebsrat sei das „Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeiter:innen“, heißt es auf der Unternehmenswebseite. Oder wie es Esterl formuliert: „Wir sind die Schmiere im Getriebe“.

Ihre Betriebsratsarbeit verstehen Esterl und Ramsbacher als Handarbeit.
In vielen persönlichen Gesprächen haben sie sich ein Bild von den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen gemacht, um diese in die vielen Verhandlungsrunden einfließen zu lassen.

„Wir müssen wachsam sein und aufpassen, dass das mühsam Erkämpfte nicht verloren geht.“

Silvio Esterl, Betriebsratsvorsitzender bei RAITEC

Mit Erfolg: Rund 86 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten sich an der Betriebsratswahl, viele von ihnen traten anschließend der Gewerkschaft bei. „Es ist ein gewisses Momentum entstanden, das konnten wir nutzen“, sagt Esterl. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad am Standort liege aktuell bei rund 75 Prozent, für die Branche ein rekordverdächtiger Wert. „Es ist ein Wir-Gefühl entstanden, das fühlt sich gut an“.

Betriebsratsgründung

Du denkst auch darüber nach, in deinem Betrieb oder in deiner Filiale einen Betriebsrat zu gründen? Ab fünf dauernd beschäftigten Mitarbeiter:innen habt ihr das Recht, eine Belegschaftsvertretung zu wählen! Deine Gewerkschaft GPA unterstützt dich dabei! Alle Infos zur Wahl und Unterstützung (auch nach der Gründung) erhältst du in deiner Regionalgeschäftsstelle. Für Nicht-Mitglieder ist eine Erstberatung kostenlos!

Mehr zur Betriebsratswahl findest du hier.

Kampf um die Butterseite

Um dieses Wir-Gefühl auch bundesländerübergreifend zu etablieren, halten die eigenständigen Betriebsrät:innen sämtlicher Standorte einmal wöchentlich ein Online-Jour Fixe ab. Einen Konzernbetriebsrat gibt es nicht, daher sei ein reger Austausch mit den Kolleg:innen besonders wichtig.

Esterl und Ramsbacher ist bewusst, dass sie es mit ihrem neuen Arbeitgeber auch wieder gut getroffen haben.  Trotzdem wollen sie ihre Arbeit nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die aktuellen Verhandlungen zum IT-KV verlaufen zäh. In der ersten Verhandlungsrunde forderte die Arbeitgeber:innenseite eine Nulllohnrunde. „Das kam … überraschend“, formulieren es die beiden diplomatisch. Und wenn Esterl und Ramsbacher nach links und rechts blicken, in andere Länder und andere Branchen, stellen sie fest: Nichts ist in Stein gemeißelt, vielerorts werden soziale Errungenschaften gerade wieder einkassiert, sicher geglaubte Rechte rückgebaut.

Fax und KI

Die beiden RAITEC-Betriebsräte vergleichen Betriebsrat und Gewerkschaft mit einer Art „Hausversicherung“ – „die schließe ich auch nicht erst nach dem Brand ab“. In ganz Europa frisst die Inflation Einkommen auf, werden aktuell Sozialleistungen gekürzt, Unternehmen predigen „Zurückhaltung“ bei den Löhnen – während Milliarden in die Rüstungsindustrie gepumpt werden. „Wir müssen wachsam sein und aufpassen, dass das mühsam Erkämpfte nicht verloren geht“, betont Esterl. Und um im Bild zu bleiben: Wenn das Haus bereits lodert, dann seien Betriebsrat und Gewerkschaft „unsere Feuerwehr“.

Arbeitnehmer:innenrechte, Sozialleistungen und Betriebsräte wurden zu einer Zeit erkämpft, da war selbst an Faxgeräte noch nicht zu denken. Bei RAITEC in Klagenfurt arbeiten Esterl und Ramsbacher daran, dass diese Errungenschaften auch in Zeiten von Mail, Chats und KI erhalten bleiben.

Zu den Personen

Silvio Esterl und Josef Ramsbacher sind beide 51 Jahre alt und begannen beide Mitte der 1990er bei der Raiffeisen Landesbank Kärnten zu arbeiten. Vormals einfache Mitglieder haben sie im August 2025 den Betriebsratsvorsitz übernommen, Esterl als Vorsitzender, Ramsbacher als Stellvertreter.

RAITEC

Die RAITEC GmbH ist Teil der Raiffeisen-Gruppe und einer der größten Banken- und IT-Dienstleister Österreichs. Täglich wickelt RAITEC mehr als 50 Millionen Transaktionen auf mehr als 5.200 Servern ab. Der Unternehmenssitz befindet sich in Linz, mit regionalen Standorten in Innsbruck, Graz, Klagenfurt und Salzburg. Am Standort in Klagenfurt arbeiten rund 50 Personen, die von vier Betriebsrät:innen vertreten werden. Österreichweit beschäftigt RAITEC 650 Mitarbeiter:innen.

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