Hohe Zahl prekär Beschäftigter leidet unter wirtschaftlicher Krise.
Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro bezeichnet das Coronavirus trotz dramatisch steigender Infektionszahlen in seinem Land als „kleine Grippe“ und tut Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als „Hysterie“ ab. Währenddessen hat das nationale Gesundheitssystem bereits seine Kapazitätsgrenzen erreicht.
Bolsonaro verfolgt rund um Corona eine opportune politische Machtstrategie, die jedoch von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Die ArbeitnehmerInnen und dabei vor allem jene in prekärer Beschäftigung leiden am stärksten unter den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise im Land.
Rasanter Anstieg der Corona-Erkrankungen bringt Spitäler an Kapazitätsgrenzen
Laut offiziellen Behördenangaben sind in Brasilien Mitte Mai knapp 190.000 Personen mit dem Coronavirus infiziert und ca. 13.000 Menschen bereits daran verstorben. Wie die Regierung bestätigte, wurde auch eine Rekordzahl an Neuinfektionen von über 13.300 Personen täglich gemeldet.
Diese stark steigende Zahl an Neuerkrankungen lässt das nationale Gesundheitssystem, insbesondere die Spitäler, zunehmend seine Kapazitätsgrenzen erreichen. In den Intensivstationen brasilianischer Großstädte wie Sao Paulo oder Rio de Janeiro sind bereits seit mehreren Wochen keine Betten mehr verfügbar. Besonders prekär sind auch die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Kranken- und Pflegebereich. Mindestens 98 Pflegekräfte sind seit Ausbruch des Virus im Land schon ums Leben gekommen. Das sind mehr Todesopfer beim Personal als beispielsweise in Spanien und Italien zusammen.
Brasilien mit höchster Ansteckungsquote der als „unterseucht“ geltenden Staaten
Das südamerikanische Land nimmt mittlerweile Platz sechs der am schwersten vom Coronavirus betroffenen Länder weltweit ein. Aufgrund der geringen Testkapazitäten ist außerdem davon auszugehen, dass die Dunkelziffer der Erkrankten weitaus höher ist als die offiziellen Zahlen bescheinigen. Pro Million EinwohnerInnen (insgesamt 210 Mio.) stehen lediglich 1.600 Tests zur Verfügung. Brasilien zählt damit zu jenen Staaten, die am wenigsten testen.
Von den weltweit 48 als „unterseucht“ geltenden Ländern hat Brasilien außerdem die höchste Ansteckungsquote, wie WissenschafterInnen berechnet haben. Jede/r erkrankte BrasilianerIn steckt demzufolge aktuell 2,8 weitere Mitmenschen mit dem Virus an. Das ist negativer Rekord.
Präsident Bolsonaro spricht von „Hysterie“ im Kampf gegen eine „kleine Grippe“
Der ultra-rechte brasilianische Präsident Bolsonaro verharmlost und leugnet immer wieder das Coronavirus und seine Auswirkungen auf die Menschen trotz erschreckend hoher Infektions- und Sterberaten. Er bezeichnet das Coronavirus bei öffentlichen Auftritten als „kleine Grippe“ und spricht von einer „Hysterie“, wenn es darum geht, Maßnahmen zur Eindämmung dieser Pandemie zu ergreifen. Er unterlässt nicht nur dringend notwendige politische Handlungen zur Bekämpfung des Virus, sondern ignoriert auch verordnete Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Corona in der Öffentlichkeit.
Bolsonaros Verharmlosungstaktik liegt opportune politische Machtstrategie zugrunde
Das Coronavirus und dessen Bekämpfung bringt neben den gesundheitlichen Auswirkungen auch massive wirtschaftliche Einbrüche mit sich. Der ultra-rechte Staatschef Bolsonaro geht jedoch davon aus, dass die Auswirkungen dieser wirtschaftlichen Krise aufgrund der Maßnahmen zur Virus-Eindämmung weitaus beträchtlicher sein werden als die gesundheitlichen Folgen des Coronavirus an sich. Er hat daher ab dem Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle in Brasilien eine Strategie verfolgt, die durch Marginalisierung und Leugnung der Pandemie sowie durch die bewusste Unterlassung politisch notwendiger Handlungen gekennzeichnet war. Dies hat zwangsläufig dazu geführt, dass die Gouverneure der einzelnen brasilianischen Bundesstaaten diese Lücke durch Maßnahmen zur Eindämmung der Krise ihrerseits gefüllt haben. Und laut Umfragen ist die Mehrheit der Bevölkerung mit den von den Gouverneuren verhängten Restriktionen bisher auch einverstanden.
Bolsonaros politische Strategie ist nun aber, die Verantwortung für den bereits jetzt absehbaren volkswirtschaftlichen Schaden für das Land durch die Maßnahmen zur Virus-Eindämmung auf die Gouverneure der einzelnen Bundesstaaten abzuwälzen und sie für die Wirtschaftskrise verantwortlich zu machen. Bei öffentlichen Auftritten prophezeit Bolsonaro bereits jetzt Arbeitslosigkeit und Elend für die Zukunft.
Große Teile der Bevölkerung demonstrieren lautstark gegen die Politik ihres Präsidenten
Viele BrasilianerInnen demonstrieren öffentlichkeitswirksam und lautstark gegen die Corona-Politik ihres Präsidenten. Einer Umfrage eines brasilianischen Meinungsforschungsinstitutes zufolge befanden nur 33% der Befragten die Corona-Politik ihres Präsidenten für richtig.
Große Unzufriedenheit gibt es auch über die Entlassung des beliebten Ex-Gesundheitsministers Mandetta durch den Präsidenten. Dieser folgte im Gegensatz zu Bolsonaro internationalen Empfehlungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Mandetta hatte sich mehrfach gegen die Corona-Politik des Präsidenten gewandt und versucht, strikte Auflagen zur Eindämmung der Pandemie gegen den Willen Bolsonaros durchzusetzen. Am 16. April hat der Staatschef daraufhin seinen Gesundheitsminister endgültig entlassen.
Prekär Beschäftigte leiden besonders unter wirtschaftlichen Folgen der Krise
Das brasilianische Wirtschaftsministerium prognostizierte bereits einen wirtschaftlichen Einbruch in Folge der Corona-Krise um knapp 5%. Diese Entwicklung wird sich auf die Beschäftigten, die in den letzten Jahren schon unter der neoliberalen Politik des Präsidenten gelitten haben, besonders hart auswirken.
So hat Bolsonaro beispielsweise die Branchenkollektivverträge im letzten Jahr durch die Stärkung individueller Arbeitsverträge geschwächt, was zu einer hohen Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse geführt hat. Mindestens 10 Millionen ArbeitnehmerInnen in Brasilien sind aktuell ohne Arbeitsvertrag beschäftigt. Insbesondere diese Menschen sind von den ökonomischen Folgen der Krise besonders betroffen und verlieren oft von einem Tag auf den anderen ihren Job und aufgrund der fehlenden sozialen Absicherung ihren gesamten Lebensunterhalt. Krisenbedingte Unterstützungsmodelle wie die Kurzarbeit in weiten Teilen Europas gibt es in Brasilien nicht. Die Beschäftigten sind voll und ganz auf sich alleine gestellt.
Verfahren wegen politischer Einflussnahme und Amtsmissbrauch gegen Bolsonaro
Neben der Corona-Krise steht Bolsonaro derzeit auch wegen des Verdachts der politischen Einflussnahme auf die Bundespolizei zu seinen persönlichen Gunsten und wegen Amtsmissbrauchs unter Druck. Das oberste brasilianische Bundesgericht hat eine Verfahrenseröffnung gegen den amtierenden Präsidenten bereits genehmigt.
Weitere Infos zur neoliberalen Politik des ultra-rechten Präsidenten sind HIER zu finden.