Europa braucht weniger nationalistische Hetze und mehr Verteilungsgerechtigkeit.
Auf die angeblich so undemokratische EU ist in Österreich leicht schimpfen. Die Beamten in Brüssel würden unsere Steuergelder leichtfertig verprassen und auch die Euro-Rettungspakete werden gerne als undemokratischer Akt gesehen, der Österreich aufoktroyiert wurde. Denn wer in Österreich würde freiwillig den „faulen Griechen“ Geld geben? Angesichts solcher Polemiken in den Medien und zum Teil auch seitens der politisch Verantwortlichen darf man sich nicht wundern, dass sich die Europäische Union mehr und mehr in einer veritabeln Legitimationskrise befindet.
Die vieldiskutierten Rettungspakete sind demokratiepolitisch äußerst bedenklich. Jedoch nicht, weil sie Mittel innerhalb der EU umverteilen, wie es in jedem Bundesstaat oder Staatenbund üblich ist, sondern weil sie von den Ländern, die diese Mittel dringend benötigen, drakonische Anpassungs- und Einsparungsmaßnahmen verlangen. Umzusetzen sind diese meist nur auf Kosten grundlegender demokratischer Rechte – Rechte von ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen, Gewerkschaften. Empfindliche Kürzungen gesetzlicher Mindestlöhne und staatlicher Pensionsleistungen sind dabei genauso an der Tagesordnung wie Eingriffe in den sozialen Dialog zwischen Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen, die die Kollektivvertragsverhandlungen erschweren und darauf gerichtet sind, die Gestaltungsmöglichkeiten der Gewerkschaften empfindlich einzuschränken.
Wie aber lassen sich die demokratiepolitischen Defizite der EU lösen? Offensichtlich nicht durch nationalistische Hetze gegen einzelne Mitgliedsstaaten und genauso wenig durch unbrauchbare Vorschläge wie „zurück zum Schilling“. Sie verlangen vielmehr gezielte Maßnahmen gegen die wachsende soziale Krise in weiten Teilen Süd- und Osteuropas. Sie verlangen einen Ausbau und nicht eine Schwächung von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten, europaweite Mindeststandards bei der sozialen Sicherheit, sofortige Investitionen gegen die Jugendarbeitslosigkeit und eine Koordinierung der Steuerpolitiken um den dem EU-weiten Steuersenkungswettlauf und der damit verbundenen Erosion der Einnahmen Einhalt zu gebieten.
Außerdem muss auch auf Ebene der EU die Verteilungsfrage stärker zum Thema gemacht werden. Dass die Krisenkosten bisher vor allem ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen aufgebürdet wurden, während die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer immer wieder auf die lange Bank geschoben wurde, hat europaweit nicht gerade das Vertrauen in die EU-Institutionen gestärkt. Neben der Säumigkeit bei der der EU-weit umzusetzenden Finanztransaktionssteuer haben fast alle EU-Staaten auch auf nationaler Ebene großen Nachholbedarf was Vermögenssteuern betrifft. Hier europaweit mehr Fairness zu schaffen, würde der gesamten Union nutzen.