Gender Pay Gap: Wie viel verdient der Kollege?

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Frauen verdienen in Österreich immer noch knapp 20 Prozent weniger als Männer. Rechtzeitig zum internationalen Frauentag hat die EU-Kommission ein Gesetz für mehr Lohntransparenz vorgelegt, das die ungleiche Bezahlung beenden soll.

Im europaweiten Vergleich beträgt die Gender Pay Gap durchschnittlich 14 Prozent, in Österreich liegt diese Einkommensschere mit 19,9 Prozent nochmals deutlich über dem EU-Schnitt. „Diese Ungerechtigkeit zieht sich für Frauen ein ganzes Leben durch, verschärft sich, wenn sie Kinder bekommen und gipfelt in einer alarmierend hohen Pensionslücke und Armut für Frauen,“ sagt Evelyn Regner, EU-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung im europäischen Parlament.

Um den Gender Pay Gap zu verringern, konzentriert sich der neue Gesetzesvorschlag der Kommission auf zwei Kernelemente: Einerseits Maßnahmen, die die Lohntransparenz für ArbeitnehmerInnen sicherstellen sollen, sowie andererseits einen besseren Zugang zur Justiz für Opfer von Lohndiskriminierung. 

Lohntransparenz

„Um die Einkommensschere zu schließen und den Gender Pay Gap zu bekämpfen, müssen die Unterschiede erst einmal festgestellt werden können“, sagt GPA-Frauensekretärin Sandra Breiteneder. „Viele Frauen wissen gar nicht, wie viel der Kollege mit ähnlichen oder gleichen Aufgaben verdient. Denn wer wie viel verdient, ist oft ein gut gehütetes Geheimnis.“

„Viele Frauen wissen gar nicht, wie viel der Kollege mit ähnlichen oder gleichen Aufgaben verdient.“

Sandra Breiteneder, Gewerkschaft GPA

Der neue Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten Informationen über das Lohngefälle zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihrem Betrieb veröffentlichen müssen, für interne Zwecke sollen diese Informationen außerdem präziser aufgeschlüsselt werden. Ebenso soll es eine solche Lohntransparenz für Arbeitsuchende, z.B. beim Vorstellungsgespräch, geben.

Bei einem geschlechtsspezifischen Lohngefälle im Betrieb von mehr als 5 Prozent, das der Arbeitgeber nicht anhand objektiver und geschlechtsneutraler Faktoren rechtfertigen kann, muss er in Zusammenarbeit mit den ArbeitnehmervertreterInnen eine Entgeltbewertung vornehmen.

„Diese Transparenz wird einiges aufzeigen und so kann sich endlich auch nachhaltig etwas ändern.“

Evelyn Regner, EU-Abgeordnete

Evelyn Regner sieht hier zentrale und langjährige Forderungen des Europaparlaments verwirklicht. „Damit werden die ArbeitgeberInnen zur Verantwortung gezogen. Diese Transparenz wird einiges aufzeigen und so kann sich endlich auch nachhaltig etwas ändern,“ begrüßt Regner den Vorschlag der Kommission. Auch die Regelungen zur internen und öffentlichen Transparenz, wer wie viel verdient, sind zielführend. „Das soll aber nicht nur für die großen Betriebe gelten, sondern Standard für alle Unternehmen in Europa werden.“

Einkommensberichte in großen und mittleren Unternehmen existieren in Österreich zwar bereits, doch es sind dringend weitere Maßnahmen notwendig, um Fairness bei Löhnen und Gehältern herzustellen. „ArbeitnehmerInnen sollen innerhalb des Unternehmens Einblick bekommen, wer wie viel verdient. Die bestehenden Einkommensberichte sind zu oberflächlich, wir brauchen eine genauere Aufschlüsselung. Hier müsste unbedingt nachgeschärft werden,“ fordert Sandra Breiteneder.

Justiz bei Lohndiskriminierung

Entgeltdifferenzen zu bekämpfen ist nach wie vor schwierig, kritisiert auch Sophia Reisecker, Internationale Sekretärin in der GPA: „In rechtlicher Hinsicht ist die erste Hürde, zu beweisen, dass die betroffene Person ein niedrigeres Entgelt als eine Vergleichsperson erhält. Mangelnde Transparenz ist daher eines der größten Hindernisse für gleiche Bezahlung.“

Wenn eine Arbeitnehmerin feststellt, dass eine Diskriminierung bei ihrem Entgelt vorliegt, so soll es nach dem neuen Gesetzesvorschlag beim Arbeitgeber liegen, den Gegenbeweis anzutreten – und nicht, so wie bisher, bei der Arbeitnehmerin. „Die Beweislast geht somit von der Arbeitnehmerin hin zum Arbeitgeber“, so Reisecker weiter, „und das könnte sich durchaus als ein Wendepunkt beim Kampf gegen die Lohndiskriminierung erweisen.“

Für Arbeitnehmerinnen, die einer solchen Lohndiskriminierung wegen ihres Geschlechts ausgesetzt sind, sieht das neue Gesetz eine Entschädigung vor. Dazu zählen die vollständige Nachzahlung des Entgelts, aber auch die Boni und Sachleistungen. Die Sanktionen für Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts sollen die Mitgliedstaaten selbst festlegen.

Hier kommt den Betriebsräten eine wichtige Rolle zu: ArbeitnehmervertreterInnen können, ebenso wie Gleichbehandlungsstellen, im Namen der Beschäftigten in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren aktiv werden, und auch Sammelklagen auf gleiches Entgelt einbringen.

Der umfassende Entschädigungsanspruch sowie die Beweislastumkehr zugunsten von benachteiligten Beschäftigten sind als wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Status quo zu werten, betont auch Evelyn Regner, denn: „Frauen haben gleich von Anfang an einen Nachteil, wenn sie die Diskriminierung vor Gericht beweisen müssen.“

Langsame Fortschritte

Das Recht auf gleiches Entgelt bei gleicher Arbeit stellt ein Grundprinzip der Europäischen Union dar. Dieses Recht besteht schon seit den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1957 – und somit seit über sechzig Jahren.

Die sog. „Gleichbehandlungsrichtlinie“ der EU von 2006 schreibt die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor, 2014 gab es eine Empfehlung der europäischen Kommission, mehr Transparenz bei der Entlohnung zu schaffen. „Leider hat sich gezeigt, dass Empfehlungen wie so oft nicht ausreichen“, kritisiert Sophia Reisecker.

Der Gender Pay Gap in der EU hat sich im letzten Jahrzehnt nicht wesentlich verändert und hält derzeit bei 14,1 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit durchschnittlich 14,1 Prozent weniger pro Stunde als Männer verdienen.

Die Ursachen für die Einkommenslücke sind komplex, sie reichen von schlechter bezahlten Frauenbranchen bis hin zur „gläsernen Decke“. Weichenstellungen in der Ausbildung, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, familienfeindliche Arbeitszeiten und fehlende Kinderbetreuung – Frauen stoßen auf zahlreiche Hindernisse im Berufsleben. Frauen leisten außerdem wesentlich mehr unbezahlte Familienarbeit und verringern entsprechend ihre bezahlte Arbeitszeit. „Nicht zuletzt das vergangene Jahr hat gezeigt, dass es im Ernstfall die Frauen sind, die die Arbeitszeit reduzieren oder im Homeoffice ‚nebenbei’ die Kinder betreuen und die Hausarbeit erledigen müssen“, erklärt Sandra Breiteneder. Was auch dazu führte, dass Frauen aus ihren Jobs gedrängt wurden: „Die Frauenarbeitslosigkeit während Corona ist stärker gestiegen als die der Männer, dazu kommt das viel zu niedrige Arbeitslosengeld, mit dem diese Frauen nun ihr Auslangen finden müssen.“

All diese Faktoren münden schließlich in vorprogrammierte Altersarmut. Der Gender Pension Gap in der EU liegt bei durchschnittlich 30 Prozent, in Österreich sind es 42 Prozent. Der Equal Pension Day fiel letztes Jahr auf den 30. Juli.

Coronakrise

Die COVID-19-Pandemie stellt besonders für Frauen eine enorme Belastung dar. Frauen in systemrelevanten Berufen wie z.B. Krankenpflegerinnen, Verkäuferinnen, oder Pädagoginnen, sie alle stehen an vorderster Front.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass hart erkämpfte Fortschritte wieder verloren gehen, sondern müssen weiter dafür arbeiten, dass Europa ein Vorreiter für die Rechte der Frau bleibt.“

Sophia Reisecker, Gewerkschaft GPA

Evelyn Regner sieht daher den diesjährigen Frauenkampftag am 8. März ganz im Zeichen von COVID-19: „Die Coronakrise ist eine Krise der Frauen. Es sind vor allem Frauen, die die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Virus in seiner ganzen Heftigkeit zu spüren bekommen. Frauen tragen nach wie vor die Hauptlast im Haushalt, sind häufig von Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen betroffen und der Lohnunterschied führt zu niedrigen Pensionen. Für ein selbstbestimmtes Leben braucht es aber finanzielle Unabhängigkeit. Und dafür wiederum brauchen wir eine gerechte Bezahlung und umfassende Lohntransparenz zwischen Frauen und Männern.“

Die Intransparenz bei den Löhnen und Gehältern hat bisher vor allem zwei Dinge gebracht: Sie bestärkt die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und schwächt die Position von Arbeitnehmerinnen bei Gehaltsverhandlungen. Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern verändert sich zu langsam. Laut einer Berechnung des Europäischen Gewerkschaftsbundes EGB würde es beim aktuellen Tempo in Europa noch bis zum Jahr 2104 (!) dauern, bis sie sich endlich schließt. „Die Fraueneinkommen müssen gerechter und vor allem höher werden“, fordert Sophia Reisecker, „Wir dürfen nicht zulassen, dass hart erkämpfte Fortschritte wieder verloren gehen, sondern müssen weiter dafür arbeiten, dass Europa ein Vorreiter für die Rechte der Frau bleibt.“

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