VÄLKOMMEN* ist kein Regal

Willi Hummelberger und Ruth Fröwis sind im Betriebsrat von IKEA.
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Gesucht werde ein Mensch, der bei Umbauarbeiten hilft, erzählten Freunde, die Willi Hummelberger beim Wehrdienst kennengelernt hatte. Der gelernte Tischler bewarb sich, wollte bloß sechs Monate mithelfen und Geld verdienen. „Mein Onkel, der mich ausgebildet hat, sagte zu meinem Einstieg: Du gehst also zum Schachtelhändler?“, erzählt Willi. Nun arbeitet er bereits 33 Jahre bei IKEA, ist seit neun Jahren Betriebsratsvorsitzender im Einrichtungshaus Vösendorf, betreut 350 Mitarbeiter:innen und ist freigestellt.

*Willkommen auf Schwedisch

Von der Kunden- zur Belegschaftsbetreuung

Binnen weniger Monate wechselte Willi als Verkäufer zu den Bodenbelägen und startete eine Ausbildung zum stellvertretenden Abteilungsleiter. Im Laufe der Jahre schaffte er den Aufstieg in die höhere Management-Ebene. Der gebürtige Perchtoldsdorfer, der in Maria Enzersdorf (NÖ) lebt, hat es nicht weit zur SCS. Mittlerweile haben seine Cousins die Tischlerei übernommen, sie schauen ab und an beim „Schachtelhändler“ vorbei, um sich inspirieren zu lassen, berichtet der 53-Jährige schmunzelnd.

Dass Willi aus seiner beruflichen Funktion in den Betriebsrat wechselte, war für viele überraschend: „Ich weiß, wie gut du mit Mitarbeiter:innen umgehst und dass du sozial denkst“, erklärte ihm die ehemalige Betriebsratsvorsitzende, sie hatte ihn zu ihrem Nachfolger auserkoren. Allerdings hatte Hummelberger mit mancher Reaktion nicht gerechnet: Andere Führungskräfte brachen den Kontakt zu ihm ab, die Geschäftsleitung zeigte zunächst kühle Distanz. Doch er konnte nach kurzer Zeit das Eis brechen. „Früher sprach der Betriebsrat mit der Führungsebene vor allem, wenn es Probleme gab. Heute tauschen wir uns regelmäßig aus. Ich versuche alle ins Boot zu holen“, sagt der Niederösterreicher.

Mittlerweile hat jede IKEA-Filiale (acht in Österreich) ein Betriebsratsgremium. „Es ist wichtig, miteinander zu reden“, erklärt Willi. Besonders einfach geht das mit Ruth Fröwis, sie sitzt gleich im Büro nebenan. Ruth ist Betriebsratsvorsitzende des IKEA Contact Centers (Ikea Customer Supportcenter), bei dem sie rund 200 Mitarbeiter:innen vertritt.

Die ausgebildete Kindergärtnerin und Tourismuskauffrau zog es erst ins Ausland, hiernach als Flugbegleiterin in die Luft. Bei der Airline lernte die gebürtige Innsbruckerin ihren Mann, einen Flugkapitän, kennen. Sie zogen dann in die Nähe von Wien. Ihren Beruf als Flugbegleiterin konnte sie nach ihrer ersten Schwangerschaft nicht mehr ausüben, die Dienstzeiten waren nicht kompatibel, Arbeit in Teilzeit damals nicht möglich. Nach der Tochter folgten noch zwei Kinder. Und als der Jüngste zwei war, wollte sie wieder arbeiten. Bei Ikea war eine Stelle im Kinderparadies ausgeschrieben. „Ich habe mir die Stelle angeschaut und mir gedacht: Wenn ich meine drei Kinder domptiere, dann kann ich das auch machen“. Nach einer Reihe von Weiterbildungen im Unternehmen startete sie in der Küchenabteilung als Planerin.

Augenhöhe und flache Hierarchien

Bei IKEA sind die Hierarchien flach. Der Einrichtungshaus-Chef nimmt sein Mittagessen bisweilen auch neben den Arbeiter:innen und Angestellten ein – da ist es durchaus üblich, bei Köttbullar über die Arbeit zu sprechen. Dass es in Schweden gängig ist, per Du zu sein (außer mit dem König), haben die Österreicher:innen ab 1977 im Ikea Einrichtungshaus Vösendorf gelernt.

Ruth weiß positives Feedback bei IKEA zu schätzen: „Bei der Airline gab es täglich einen Check, wo aufgezählt wurde, was nicht geklappt hat. Ständig sind wir unter Beobachtung gestanden, das Lob war selten“, erzählt die 55-Jährige. „Mir ist wichtig, dass die Augenhöhe passt und niemand auf den anderen runter schaut.“

„Früher sprach der Betriebsrat mit der Führungsebene vor allem, wenn es Probleme gab. Heute tauschen wir uns regelmäßig aus.“

Willi Hummelberger, Betriebsratsvorsitzender IKEA Vösendorf

Dem Stress als Betriebsrätin wollte Ruth sich ursprünglich nicht aussetzen – ihr Mann war lange in der durch Krisen und Veränderung geprägten Luftfahrt Betriebsratsvorsitzender-Stellvertreter. Sie ließ sich aber vor drei Jahren von der Kandidatur als Ersatzbetriebsrätin überzeugen. Wenige Kandidat:innen, zwei Pensionierungen und ein Rücktritt haben sie unversehens an die Betriebsratsspitze gebracht. Weil sie wissen wollte, wie Arbeitnehmer:innen-Vertretung gelingt, hat Ruth die Gewerkschaftsschule besucht. Nach ihrem Abschluss übernahm sie den Betriebsratsvorsitz, vergangenes Jahr wurde Ruth durch eine Wahl bestätigt. An zwei Tagen pro Woche arbeitet sie in der Küchenplanung, drei Tage gehören der Betriebsratsarbeit.

Ihre Zusammenarbeit mit Willi Hummelberger ist eng. Auch mit den anderen Betriebsräten der acht IKEA Einrichtungshäuser wird regelmäßig Kontakt gehalten, etwa über die eigene Teams Gruppe. Betriebsvereinbarungen sollten, wenn es möglich ist, für alle Einheiten bei IKEA ausverhandelt werden. „Die Betriebsräte müssen nicht jeden Schritt allein gehen, sondern können auf unserer Erfahrung aufbauen.“ erklärt Willi. So konnte etwa ein Betriebsrat den Abbau von Überwachungskameras durchsetzen. Rechtliche Infos werden von GPA-Sekretär Martin Prahser zur Verfügung gestellt. „Er unterstützt uns nach allen Kräften“, loben die beiden Betriebsratsvorsitzenden.

Lies die Beschreibung!

Als gelernter Tischler kann Willi Möbel umbauen, zerlegen und wieder zusammenschrauben. In seiner Freizeit wird diese Leidenschaft gerne von den Verwandten genutzt. Auch viele IKEA Möbel baut er dabei zusammen. „Aber wer die Beschreibungen nicht liest, macht einen großen Fehler.“ berichtet Willi. Es ist durchaus sinnvoll, den vorgegebenen Schritten zu folgen. „Arbeitest du rein nach Intuition, sind die Löcher oft auf der falschen Seite“, erklärt Willi. „Auf die Betriebsanleitung verzichtest du genau einmal“, ergänzt Ruth, auch aus leidvoller eigener Erfahrung.

Gerade die Callcenter-Mitarbeiter:innen werden mit Kund:innen konfrontiert, die von der Beschreibung überfordert sind. Deshalb schauen sich die Callcenter-Mitarbeiter:innen die zusammengeschraubten Möbel regelmäßig im Einrichtungshaus an. Das hilft dann beim Telefonat bei der Ermittlung der Fehler- oft eine wahre Detektivarbeit.

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