
© Hannes Schlögl
Stephanie Millendorfer ist Vorsitzende des Angestellten-Betriebsrats beim Hartberger Milchverarbeiter Prolactal. Sie fungiert als Ansprechpartnerin für rund 65 Angestellte und hat viele Verbesserungen durchgesetzt.
Als Frau in einer typischen Männerbranche hält Millendorfer die Ohren für Rahmenbedingungen und Zustände offen, die geklärt oder verändert gehören: „Ich habe diese Funktion nicht angestrebt, aber ich habe erkannt, dass es Führungsverantwortung braucht, um Verbesserungen für die Belegschaft zu erreichen.“ Millendorfers Funktion scheint die logische Folge ihrer Prinzipien und gelebten Ziele zu sein: „Ich möchte die Rechte der Beschäftigten mit Nachdruck vertreten und auch durchsetzen.“
Nach ihrer Ausbildung zur Hotel- und Gastgewerbeassistentin startete Stephanie als Rezeptionistin eines Hotelbetriebes und engagierte sich als Ersatzmitglied des Betriebsrates. Die Fülle aus Anliegen und Nöten der Beschäftigten bekam sie aber erst nach ihrem Wechsel ins Büro des Molkereibetriebes, wo auch ihre Mutter als Betriebsrätin agierte, zu spüren: „Im Berufsalltag wurden viele Probleme nicht ernst genommen oder gingen einfach unter.“
Im November 2016 wurde Millendorfer offiziell ins Team des Angestellten-Betriebsrats gewählt und bei der darauffolgenden Wahl zur Vorsitzenden gekürt. Damit ist sie seit 2021 „in einer Position, in der ich gehört werde.“
Ansprüche und Einstufungen müssen überprüft werden
Die Anliegen der Beschäftigten sind bunt gemischt, Lehrlinge wenden sich ebenso an die 38-Jährige und drei weitere Kolleg:innen im Betriebsratsteam wie ältere Beschäftigte kurz vor der Pension: „Manchmal geht es darum eine Gehaltsabrechnung nachzuvollziehen, ich überprüfe aber auch Verträge oder Gehaltssprünge und kontrolliere, ob Ansprüche richtig berechnet wurden.“
Die Basiskenntnisse dafür hat Millendorfer in Kursen und Schulungen der Gewerkschaft sowie vertiefend an der Gewerkschaftsschule Oberwart, die sie 2023 abgeschlossen hat, erworben – für sie „ein wichtiges Rüstzeug, um tatsächliche Missstände aufzeigen zu können: Kollektivvertrag und Arbeitsrecht müssen beachtet werden, daran führt kein Weg vorbei.“
Wenn Millendorfer intern auf Bereiche hinweist, in denen Verbesserungen möglich sind, tut sie das mit dem Ziel, positive Veränderungen anzustoßen und gemeinsam mit der Unternehmensleitung Lösungen zu entwickeln. Herausforderungen ergeben sich dabei vor allem aus der internationalen Struktur des Konzerns: der Geschäftsführer ist im November 2023 von Israel nach Österreich gezogen.
Betriebsratsgründung
Du denkst auch darüber nach, in deinem Betrieb oder in deiner Filiale einen Betriebsrat zu gründen? Ab fünf dauernd beschäftigten Mitarbeiter:innen habt ihr das Recht, eine Belegschaftsvertretung zu wählen! Deine Gewerkschaft GPA unterstützt dich dabei! Alle Infos zur Wahl und Unterstützung (auch nach der Gründung) erhältst du in deiner Regionalgeschäftsstelle. Für Nicht-Mitglieder ist eine Erstberatung kostenlos!
Mehr zur Betriebsratswahl findest du hier.
Millendorfer ist stets bemüht, die Sichtweise der Unternehmensleitung zu verstehen und in schwierigen Verhandlungen einen tragfähigen Mittelweg im Sinne beider Seiten zu finden. Sie sieht sich als Vermittlerin, wenn es um die Anwendung des österreichischen Arbeitsrechts geht, und betont, dass man gemeinsam mehr für die Belegschaft erreichen könne. Ein wertschätzendes Miteinander sei für sie die Grundlage einer langfristig erfolgreichen Zusammenarbeit.
Betriebsvereinbarungen sichern Rechte langfristig
Stolz ist Millendorfer auf eine Reihe wichtiger Betriebsvereinbarungen, die unter ihrer Ägide für Angestellte und teilweise auch für Arbeiter:innen abgeschlossen wurden. So wurde das Deputat, eine Abgeltung naturalrechtlicher Ansprüche, für alle Beschäftigten deutlich erhöht und an die Kollektivverträge gebunden: „Wir wollten die veraltete und zu geringe Zuwendung ablösen – nun wächst das Deputat mit den jährlichen Lohnsteigerungen mit und stärkt damit nachhaltig die Kaufkraft der Beschäftigten.
Ein großes Thema im Betrieb ist die arbeitsrechtliche Einstufung vieler Beschäftigter. „Angestellte haben immer noch einige arbeitsrechtliche Vorteile, daher muss ich in vielen Fällen sehr genau prüfen, ob eine Einstufung als Arbeiter:in rechtens ist“; erklärt Millendorfer ihr Bemühen in Grenzfällen die Arbeitsabläufe zu analysieren und sich für Verbesserungen einzusetzen.
„In meiner Position habe ich die Möglichkeit, die Anliegen der Belegschaft mit Nachdruck und Stärke zu vertreten und gehört zu werden.“
Stephanie Millendorfer, Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrates beim Milchverarbeitungsbetrieb Prolactal
Als größte Herausforderung in ihrem kontaktintensiven Alltag beschreibt die 38-Jährige, die in ihrer Freizeit gerne bei Ausflügen oder mit Freunden entspannt, herauszufiltern „welche Anliegen Einzelfälle sind und wo es wichtig ist, Lösungen zu finden, die für die Mehrheit der Beschäftigten eine echte Verbesserung bringen.“
Der bislang schwerste Rückschlag für die Belegschaftsvertreterin war der Sozialplan im August 2023 – eine Phase, die viele im Unternehmen forderte und schwierige Entscheidungen mit sich brachte. „Das war keine leichte Zeit, weder für die Betroffenen noch für uns als Vertretung“, sagt sie rückblickend.
Umso mehr freut sie sich über kleine, aber spürbare Verbesserungen im Arbeitsalltag. Eine davon: kostenloser Kaffee für alle Arbeiter:innen und Angestellten bei Prolactal. „Ein gerechter und zeitgemäßer Pluspunkt“, wie sie betont – und ein Zeichen dafür, dass sich Beharrlichkeit am Ende doch auszahlt. Positiven Auftrieb spürt Millendorfer durch die „tägliche Wertschätzung und erreichte Verbesserungen: Die Kolleg:innen vertrauen mir und wissen es zu schätzen, dass ich mich für sie einsetze. Das ist die Sonnenseite der betriebsrätlichen Arbeit.“
Für die Zukunft hat die Betriebsratsvorsitzende klare Ziele: mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern sowie eine stärkere Beteiligung von Frauen – auch im Betriebsratsgremium. „Das sind die nächsten wichtigen Schritte, damit Fairness und Chancengleichheit im Unternehmen weiterwachsen“, sagt sie.
