Das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wird derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die KOMPETENZ beleuchtet die Fakten.
Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP wird seit Juni 2013 zwischen den USA und der Europäischen Union verhandelt. Das Ziel des Abkommens ist die Beseitigung von Handelshemmnissen in einem breiten Spektrum von Branchen. Das soll Erleichterungen bei Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten bringen. Die öffentlichen Informationen zu den Verhandlungen sind spärlich. Die EU-Staaten haben das Verhandlungsmandat der Komission übertragen. Die Verhandlungen werden geheim geführt, am Ende des Prozesses steht eine Abstimmung in EU-Parlament und Rat. In der öffentlichen Diskussion gibt es teils widersprüchliche Aussagen zu den Details des Abkommens. Der Faktencheck fasst die wichtigsten Details zusammen.
Behauptung: TTIP schafft Arbeitsplätze.
Wahr ist: Diese Argumentation bezieht sich auf einige Studien über die positiven Effekte von TTIP, welche auch von der EU- Kommission zitiert werden. Darin wird tatsächlich von der Schaffung von 400.000 Arbeitsplätzen in den gesamten 28 Mitgliedsländern der EU über den Zeitraum von 15 Jahren ausgegangen. Im Verhältnis zu 500 Millionen EinwohnerInnen, davon 26 Millionen Arbeitslosen, ist das eine äußerst geringe Zahl. Zusätzlich ist die Prognose derart gering, dass eine seriöse Aussage kaum möglich ist. Vergleichbar ist dies mit dem US-Kanada-Mexico Freihandelsabkommen NAFTA. Die versprochenen Arbeitsplätze haben sich hier nie verwirklicht, stattdessen gingen allein in den USA 700.000 Jobs verloren. Nach Mexico verlagerten sich zwar Industriearbeitsplätze aus den USA, aber es wurden weniger neue Stellen geschaffen als die, die in der Landwirtschaft verschwanden. Die Befürchtungen, dass sich dies durch TTIP wiederholen könnte, sind auf beiden Seiten des Atlantiks groß.
Behauptung: Bei TTIP geht es vor allem um den Abbau von Zöllen.
Wahr ist: Die Zölle zwischen der EU und den USA sind schon jetzt sehr gering und die transatlantischen Handelsbeziehungen sind heute bereits weitgehend ausgebaut. Bei TTIP geht es vielmehr um den Abbau sogenannter nichttarifären Handelsbeschränkungen. Darunter fallen auch indirekte Beschränkungen wie etwa staatliche Förderungen, staatliche Monopole, Kennzeichnungsplichten, etc. – und somit auch Regelungen im Bereich des ArbeitnehmerInnen-, Umwelt- und Verbraucherschutzes. Hier verbirgt sich Deregulierung und Liberalisierung und eben darum geht es im TTIP. Die Prognosen: bei einem Abbau von 50 Prozent der nichttarifären Maßnahmen wird ein Wachstum von lediglich 0,7 Prozent des EU-BIP vorausgesagt. Das aufgeteilt auf 28 EU-Staaten: ein bescheidener Wachstumseffekt, möglicherweise erkauft um einen hohen Preis.
Behauptung: Eine vierköpfige Familie in der EU würde durch TTIP 545 Euro pro Jahr gewinnen.
Wahr ist: Laut Aussagen der EU-Kommission würde tatsächlich jede einzelne europäische Familie vom TTIP profitieren. Was unerwähnt bleibt sind Kosten für entstehende Arbeitslosigkeit und Qualifizierungsmaßnahmen, ebenso mögliche Probleme, die mit der Abschaffung von Gesundheits-, Sozial- und Umweltstandards einhergehen. Obwohl ein Sinken des europäischen Binnenhandels von bis zu 30 Prozent angenommen wird, werden die Folgen davon in den offiziellen Studien nicht einkalkuliert. Ob von möglichen volkswirtschaftlichen Gewinnen tatsächlich etwas bei den einzelnen Haushalten ankommt ist daher fraglich.
Behauptung: TTIP höhlt den Rechtsstaat aus.
Wahr ist: Im TTIP ist geplant eine Sondergerichtsbarkeit einzuführen. Die Gefahr, dass der Rechtsstaat unmittelbar ausgehöhlt wird besteht nicht, dafür umso mehr, dass die Entscheidungen umgangen werden. So zum Beispiel geschehen bei der Klage Phillip-Morris gegen Australien, wo neben der Klage vor australischen Gerichten auch ein Schiedsgerichtsverfahren läuft. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass durch die reine Androhung von Schiedsgerichtsverfahren politische Entscheidungen verzögert oder sogar verhindert werden und auch neue Regelungen im Gesundheits-, VerbraucherInnen- und ArbeitnehmerInnenschutz als gewinnhemmend einklagbar wären.
Behauptung: Ausländische Konzerne werden durch TTIP massiv bevorzugt.
Wahr ist: Ausländische Konzernen, also US-Unternehmen hätten die Möglichkeit, vor einem privaten Schiedsgericht zu klagen. Die Begründung ist, dass ausländische Konzerne im Vergleich zu inländischen vor nationalen Gerichten benachteiligt werden könnten. Im Falle der Einführung des Investitionsschutzes im TTIP könnzen US-Konzerne Gewinneinbußen durch staatliche Gesetze und Regulierungen einklagen. Ein drastisches Beispiel für solche Prozesse in anderen Handelsabkommen ist die Klage des französischen Wasserkonzerns Veolia gegen den ägyptischen Staat. 2011 konnten sich die ägyptischen ArbeitnehmerInnen die Erhöhung des Mindestlohns um monatlich rund 30 Euro erkämpfen. Veolia sah dieses geringe Zugeständnis als Minderung seiner Investition und klagte.
Behauptung: Chlorhuhn, Genmais und Fracking halten in Europa Einzug.
Wahr ist: Bei Lebensmitteln gelten in der EU und in den USA unterschiedliche Marktzulassungsmechanismen. In Europa gilt das Vorsorgeprinzip und schon vor der Zulassung werden Regeln festgelegt. In den USA muss der Kunde hingegen sein Recht einklagen, wenn er ein Produkt als schädlich annimmt. Im TTIP ist die Streichung von Testverfahren und Zertifikaten für verschiedene Produkte vorgesehen, daher kann die Sicherheit von Lebensmitteln beeinträchtigt werden.
Ob das höchstumstrittene Fracking (Form der Erdöl- und Erdgasförderung, die unter Druck eine Mischung aus Wasser und Chemikalien in Bohrlöcher pumpt und dabei Risse im Gestein erzeugt) in Europa flächendeckend kommen würde ist unklar. Allerdings gibt es zum Beispiel im Moment wiederum eine Klage vor einem Schiedsgericht im Rahmen des USA-Kanada-Mexico Freihandelsabkommen NAFTA, welche Befürchtungen aufkommen lässt: Das kanadische Unternehmen Lone Pine klagt über seine US-Tochter die Provinz Quebec aufgrund des Fracking Verbotes unter dem St. Lawrence Fluss. Besonders bizarr ist, dass das Unternehmen unter kanadischem Recht keine Möglichkeit für eine Klage gehabt hätte, durch NAFTA und eine US-Tochter aber schon. Solche Klagen könnten in Zukunft auch in der EU möglich sein.
Mehr erfahren:
Mehr über TTIP können Sie auf den Webseiten www.gpa-djp.at/international und www.wien.arbeiterkammer.at/eu nachlesen.