Lehrlinge im Handel klagen über zu wenig Wissensvermittlung und werden oft nur im Lager eingesetzt. Das neue Berufsbild bringt klare Verbesserungen.
Für Lehrlinge im österreichischen Handel ist es nicht immer leicht einen optimalen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die Bereitschaft der Betriebe zur Ausbildung junger Menschen geht schon seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück. Wurden 1980 noch 194.089 Lehrlinge in den heimischen Betrieben ausgebildet, waren es im Jahr 2012 nur mehr 125.228. „Die Betriebe nehmen Ihre Verantwortung zur Ausbildung junger Menschen immer seltener wahr. Sie vergeben dadurch die Chance junge MitarbeiterInnen umfassend zu schulen und eine enge Bindung zum Betrieb aufzubauen“, kritisiert der Bundesjugendsekretär der GPA-djp Helmut Gotthartsleitner. Lediglich 20 Prozent der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden könnten, tun das derzeit auch wirklich. Dabei möchten die jungen Menschen gerne so realitätsgetreu wie möglich, direkt in einem Betrieb ausgebildet werden und haben großes Interesse an Kundenkontakten.
Das bestätigt die jüngste Handelsumfrage 2014 der GPA-djp Jugend: 50 Prozent der Befragten gaben an, dass es für sie schwer war, eine Lehrstelle zu finden, 42 Prozent der Handelslehrlinge üben nicht ihren Wunschberuf aus. „Es stellt der Wirtschaft kein gutes Zeugnis aus, dass immer weniger Betriebe dazu bereit sind, ihre eigenen dringend benötigten Fachkräfte auszubilden, während sich gleichzeitig viele UnternehmerInnen über den aktuellen Mangel an Fachkräften beschweren“, stellt Gotthartsleitner fest.
Zufrieden mit der Ausbildung
Die Zufriedenheit mit der ergatterten Ausbildung ist dann doch überwiegend groß. In der aktuellen Umfrage waren mehr als 80 Prozent der Lehrlinge mit ihrer Ausbildungssituation zufrieden. Schaut man ins Detail, so tun sich etliche Problemfelder auf: viele Lehrlinge beklagen, dass sie zu wenig lernen, andere sind die meiste Zeit nur im Lager tätig. Ist das der Fall, kommt es kaum zu Kundenkontakten. „Doch gerade im Einzelhandel stellt das Kunden- und Verkaufsgespräch einen zentralen Teil der Lehrlingsausbildung dar“, sieht Gotthartsleitner dringenden Verbesserungsbedarf. Viele Lehrlinge kritisieren eine mangelhafte Wissensvermittlung in ihrer Ausbildung – das ist für den Bundesjugendsekretär total unakzeptabel: „Die Lehrlinge im Handel müssen sorgfältig und umfassend ausgebildet werden.“ Um die Wissensvermittlung in der Lehrlings-Ausbildung langfristig zu verbessern hat die GPA-djp Jugend in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer ein neues Berufsbild für die Ausbildung zum/zur Einzelhandelskaufmann/frau erarbeitet.
Motivation durch Schulung
Das zentrale Element des neuen Berufsbildes ist das Verkaufsgespräch, die Kernkompetenz der Handels-Beschäftigten. Rund um dieses Thema soll es Schulungen in Kommunikation und Konfliktfähigkeit geben. Das Lernen von Englisch ist ebenso fix verankert wie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen. Gemeinsam mit den JugendvertrauensrätInnen in den Betrieben will Gotthartsleitner dafür sorgen, dass das neue Berufsbild auch in den Betrieben ankommt und tatsächlich umgesetzt wird: „Es ist unser Ziel, die Lehrlinge durch die Stärkung ihrer Kompetenzen zu motivieren.“
Steigende Lebenskosten
Aus den Daten der Handelsumfrage 2014 geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Befragten mit ihrer Lehrlingsentschädigung nicht zufrieden ist. Und das obwohl die Gewerkschaft durch Verhandlungen erreicht hat, dass die Lehrlingsentschädigungen nun schon das dritte Jahr in Folge überdurchschnittlich stark erhöht werden. „Offenbar haben viele Lehrlinge aufgrund steigender Lebenshaltungskosten trotz kräftiger Gehaltssteigerungen zu wenig Geld zum Leben“, bedauert Gotthartsleitner. Für das Jahr 2015 wurde eine Erhöhung von 3,29 Prozent erreicht. Das bedeutet im 1. Lehrjahr um mindestens 196 Euro, im 2. Lehrjahr um mindestens 280 Euro und im 3. Lehrjahruim mindestens 420 Euro im Jahr mehr Verdienst.
Einen weiteren Grund für die Unzufriedenheit mit dem Einkommen sieht der Bundesjugendsekretär in der Tatsache, dass sich die Ausbildung von Lehrlingen immer stärker von den Betrieben wegbewegt, hin in Richtung überbetriebliche Ausbildungsstätten – das trifft auch im Handel zu. Im Jahr 2012 haben bereits 9.521 Lehrlinge ihren Beruf nicht in einem Betrieb erlernt, sondern wurden in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen ausgebildet und dann an einen Betrieb weiterverliehen. In den vom AMS finanzierten Ausbildungsstätten verdienen sie deutlich weniger als ihre KollegInnen in Handelsbetrieben.
Zu viele Überstunden
Darüber hinaus werden Lehrlinge im Handel regelmäßig durch Überstunden belastet, obwohl diese für Jugendliche unter 18 Jahren gesetzlich verboten sind. Die Handelsumfrage 2014 zeigt, dass mehr als die Hälfte aller befragten Handelslehrlinge schon einmal Überstunden leisten musste. „Viele Betriebe nehmen die gesetzlichen Schutzbestimmungen für Jugendliche nicht ernst genug und ziehen diese zu Überstunden heran obwohl das durch das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz verboten ist“, kritisiert Gotthartsleitner. Für den Gewerkschafter ist es völlig unverständlich, dass Jugendliche zu Überstunden verpflichtet werden, da sie als Lehrlinge eigentlich zum Zweck der Ausbildung im Betrieb sind. Was soll also in einer Überstunde gelernt oder vermittelt werden, das nicht auch während der regulären acht Stunden Arbeitszeit möglich wäre?
Das Ausmaß der Überstunden ist teilweise beträchtlich: Mehr als 40 Prozent der Befragten leisten bis zu fünf Überstunden im Monat, rund fünf Prozent leisten monatlich mehr als 15 Überstunden. Mehr als ein Drittel der Befragten gibt an, dass ihnen zumindest einmal die Überstunden weder in Geld noch in Zeit abgegolten wurden. Mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen sagen, dass sie die Überstunden unfreiwillig erbringen mussten.
Umfrage
Bei der jährliche Handelsumfrage der GPA-djp Jugend konnten im Frühjahr 2014 von insgesamt 16.332 befragten Handelslehrlingen 2050 Antwortbögen ausgewertet werden. Mehr Infos: www.handelslehrling.at